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Nr. 600b Skizzierung einiger Ideen über den künftigen politischen Organismus des österreichischen Kaiserstaates, o. O., o. D. (Beilage zu: MRP-1-2-05-0-18511217-P-0600.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • Handschriftliche Beilage (Kanzleischrift) zum MRProt. v. 17. 12. 1851 mit Randvermerk Ransonnets Vom Herrn Reichsratspräsidenten Freiherrn v. Kübeck . Siehe dazu Einleitung XVII, Anm. 30.

MRZ. – KZ. –

1. Um die staatliche Einheit, auf welche in dem Ah. Handschreiben Sr. Majestät vom 20. August 1851 1 mit Recht ein vorzügliches Gewicht gelegt wird, zu erhalten, ist es allerdings notwendig, daß der politischen Organisation des Reiches ein Haupttypus zum Grunde gelegt werde, der aber nicht hindert, in jedem Kronlande diejenigen Modifikationen zuzulassen, welche der Eigentümlichkeit der Bevölkerung und ihren historischen Erinnerungen entsprechen.

2. Dieser Grundtypus soll sich vorzüglich zur Aufgabe stellen, die Verwaltungsorgane der Regierung mit Faktoren der sozialen Stellungen in Verbindung und Wechselwirkung zu bringen, um die Gegensätze zwischen der Regierung und der Bevölkerung auszugleichen und in der letzteren selbst Stützen und Hilfen für die Gesetze und Anordnungen der ersteren und für das monarchische Prinzip zu gewinnen.

3. Man unterscheide die Landgemeinden von den größeren und kleineren Städtegemeinden.

4. Die Landgemeinden beruhen wesentlich auf dem Grundbesitze und sollten daher – um mich eines griechischen Ausdruckes zu bedienen – geokratisch eingerichtet werden, d. h. in der Art, daß der selbständige größere Grundbesitz auf die Gemeinden als einem Vereine kleiner Grundbesitzer leitenden und überwachenden Einfluß ausübe.

5. Da in keinem Teile der österreichischen Monarchie, die italienischen Provinzen hier nicht in die Frage genommen, der große Grundbesitz bereits zerteilt oder sonst um sein Ansehen gebracht ist, so läßt sich daran noch vollkommen die Ausführung der sub 4. bezeichneten Ideen anknüpfen.

6. Man lasse nämlich die alten politischen Einteilungen in allen Kronländern, wo sie aufgehoben sind, wieder aufleben, und wo sie noch unberührt blieben, bestehen, − die Einteilung nämlich in Kreise, Komitate usf. − und teile jeden Kreis in angemessene Bezirke mit Beibehaltung der alten Gemeindeeinteilung.

7. Die Bezirkspunkte sollen den Gemeinden, welche ihnen zugeteilt werden, nicht zu entfernt liegen und mit Bezirksämtern unter beliebigen, den Kronländern eigentümlichen Benennungen bestellt werden.

8. Man biete den vormaligen Grundherrschaften das Recht an, entweder allein oder mehrere vereint, ein Bezirksamt zu übernehmen und auf ihr Besitztum zu fundieren. Wer sich dazu herbeiläßt, die Kosten der Erhaltung zu tragen, dem würde das Recht der Ernennung der Beamten einzuräumen sein. Die Beamtung selbst würde aber sowohl in Beziehung auf die Qualitäten als auf die Amtshandlung vollständig und unbedingt den lf. Behörden untergeordnet sein, und in Absicht auf Disziplin, Entlassung u. dgl. den lf. Anordnungen unterworfen werden. Da, wo die Privatbesitzer einzeln oder vereint sich|| S. 426 PDF || nicht dazu herbeilassen zu wollen erklären, würde die Bezirksbeamtung von dem Staate zu ernennen und zu besolden und die diesfällige Auslage auf den ganzen Bezirk nach dem Grundsteuermaßstabe umzulegen sein.

9. Die Gemeinden würden der sogenannten übertragenen Rechte zu entheben, dagegen in ihrer inneren Verwaltung mit angemessener freier Bewegung zu betrauen sein. Die Gemeindevorstände der Landgemeinden – von denen hier allein die Rede ist – wären von dem Bezirksämtern zu bestätigen und größere Angelegenheiten der Gemeinde sowie die Gebarung derselben der Überwachung der Bezirksämter nach bestimmten Vorschriften zu unterziehen. Beschwerden der Gemeinden gegen die Bezirksämter sowie die Überwachung der letzteren wären den Kreisämtern vorbehalten. In Ansehung der Beitragsleistungen für Bezirks- und Gemeindelasten von Seite des großen Grundbesitzes würden besondere Bestimmungen zu ermitteln sein. Ihre Einbeziehung in die Landgemeinden scheint mir untunlich und nicht rätlich.

10. Die Bezirksämter wären als die untersten Regierungsorgane in allen politischen und sonst übertragenen Angelegenheiten anzusehen. Sie wären aber auch mit dem sogenannten adeligen Richteramte, insbesondere der Waisenverwaltung, zu betrauen und hätten das Amt der Schlichtung aller Streitigkeiten in den Gemeinden zu vollziehen, in der Art, daß alle Zivilprozesse nach zu bestimmenden Grenzlinien, ehe sie bei dem ordentlichen Gerichte anhängig gemacht werden, vor das Bezirksamt gebracht und dort eine Ausgleichung versucht werden soll.

11. Die Gemeindevorstände eines Bezirkes hätten regelmäßig in bestimmten Zeitabschnitten sich bei dem Bezirksamte zu versammeln, dort die Gemeindeangelegenheiten zur Sprache zu bringen, Belehrungen zu erhalten und zu erbitten, und auf diese Art die Geschäfte im kürzesten Wege praktisch abzutun.

12. Die Städte hätten nach ihrem verschiedenen Umfange größere Selbständigkeit und besondere Gemeindeordnungen zu erhalten und könnten wenigstens in Beziehung auf ihre engeren Gemeindeangelegenheiten nach Beschaffenheit der Umstände dem Kreisamte oder der Statthalterei unmittelbar untergeordnet und daher von den Bezirksämtern ausgenommen werden.

13. Die Kreisämter, Komitatsvorstände usw. würden den erforderlichen Wirkungskreis über die Bezirksämter und Städte erhalten. Jedem Kreisamte oder Komitate wären aber Ausschüsse des größeren Grundbesitzes, der Landgemeinden, der Städte und allenfalls der geistlichen Schulen- und Kirchenaufsicht, Dekanate u. dgl. an die Seite zu geben, welche in gewissen Angelegenheiten, z. B. eben in Gemeindesachen, Vicinalstraßenangelegenheiten, Wohltätigkeitsanstalten u. dgl., eine beratende Stimme abzugeben hätten und welche von dem Kreisvorstande auch für Geschäfte der Vollziehung dieser Angelegenheiten verwendet werden könnten. Die näheren Bestimmungen würden in jedem Kronlande vorbehalten bleiben.

14. Diese Ausschüsse würden den Vorteil gewähren, daß mehrere Notabilitäten aus allen Schichten der Staatsgesellschaft sich um den Kreisvorstand versammeln und in der Möglichkeit befinden würden, ihre praktischen Ansichten und Interessen zur Erwägung zu bringen und hinwieder sich selbst über die Regierungsaufgaben und die Geschäftsbehandlung zu belehren und auf diese Art für ihren Bereich und für die Regierung nützlich zu werden.|| S. 427 PDF ||

15. An der Spitze des Kronlandes stünde die Statthalterei, von der es zu wünschen wäre, daß sie mit einigen Verbesserungen der früheren Einrichtung und ohne die Wirksamkeit und Verantwortlichkeit des Statthalters zu beirren die gewöhnlichen Geschäfte wieder in kollegialer Form zu behandeln hätte, wobei der Vorteil erreicht würde, daß die Geschäfte nach bestimmten Grundsätzen und Richtungen aufgefaßt und erledigt und Willkürlichkeiten so viel als möglich beseitigt würden.

16. Auch den Statthaltern wären, so wie es bei den Kreisämtern angedeutet ist, Landesausschüsse beizugeben, welche aus denselben Schichten zusammenzusetzen und für dieselben Zwecke zu verwenden wären.

17. Diese Kreis- und Landesausschüsse würden die Keime und Faktoren für weitere politische Institutionen im Zentrum der Monarchie bilden, welche Gegenstand einer späteren Aufgabe wären.

18. Die Ausführung dieses Grundtypus könnte einzelnweise in jedem Kronlande mit den eigentümlichen Modifikationen jedes derselben stattfinden.

In Böhmen, Mähren und Schlesien, in Ungarn, Kroatien, Slawonien und dem Banate, dann Siebenbürgen wird sich diese Einrichtung an die früheren Institutionen anreihen lassen, während der eingetretenen mißbräuchlichen Entwicklung derselben vorgebeugt werden kann.

In Österreich ob und unter der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Krain, Görz und Istrien werden die früher bestandenen Bezirkskommissariate benützt werden können.

In Tirol ist kein Grund, die früher bestandene politische Einrichtung zu ändern.

Die Beigebung von Kreisausschüssen würde besonders die südlichen Teile des Landes sehr beschwichtigen, ohne ihre Vereinigung mit Nordtirol zu gefährden, da der der Statthalterei beizugebende Landesausschuß diese Vereinigung vermitteln und lebendig erhalten würde.

In Galizien werden bei der Spaltung und Spannung zwischen dem adeligen und bäuerlichen Grundbesitzer die Bezirksämter wahrscheinlich rein landesfürstlich sein müssen.

In dem lombardisch-venezianischen Königreiche würde es sich nur darum handeln, die Institution der Provinzial- und Zentralkongregationen mit Modifikationen in das Leben zu rufen, ohne in dem übrigen Gemeinde-, Bezirks- und weiteren politischen Organismus irgendeine wesentliche Änderung vorzunehmen.