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Nr. 504 Ministerrat, Wien, 23. Mai 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser (I–III), Schwarzenberg (IV–VIII); BdE. und anw. (Schwarzenberg 26. 5.), P. Krauß 26. 5., Bach 28. 5., Csorich, Thun, K. Krauß, Baumgartner (bei IV–VII abw.) 26. 5., Thinnfeld 26. 5., Kulmer (bei IV abw.) 26. 5.; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 1797 –

Protokoll der Sitzung am 23. Mai 1851 unter dem Vorsitze Ah. Sr. Majestät des Kaisers.

I. Unterrichtswesen in Siebenbürgen

Se. Majestät geruhten dem Ministerrate zu eröffnen, daß Allerhöchstdieselben die Vorschläge des Kultusministers über die Regulierung des Unterrichtswesens in Siebenbürgen dem Reichsrate zur Begutachtung mitzuteilen gedenken1.

II. Venediger Freihafen

Der Minister des Inneren überreichte zur Ah. Einsicht eine Karte der venezianischen Lagunen, worauf die Vorschläge der Landeskommission bezüglich der künftigen Demarkation des Freihafengebietes ersichtlich gemacht sind. Se. Majestät geruhten die möglichste Beschleunigung der Verhandlungen hierüber zur Pflicht zu machen2.

III. Militärexpedition nach San Marino

Der Ministerpräsident referierte, daß der Freistaat San Marino in neuester Zeit zu einem Sammelplatz für politische Flüchtlinge und gefährliche Individuen aller Art geworden sei, zu deren Zügelung oder Ausweisung die dortige Regierung nicht die Mittel habe3. Der Ministerpräsident glaubte daher, daß, um den stets bedenklicher werdenden politischen Umtrieben aus jenem Asyl ein Ende zu machen, eine kleine militärische Expedition mit einigen österreichischen Kompanien im Vernehmen mit den zunächst beteiligten italienischen Regierungen nach San Marino zu unternehmen wäre, wodurch die Agitatoren von dort verjagt werden würden. Von Seite der übrigen Minister wurde gegen diese Maßregel keine Erinnerung erhoben, und Se. Majestät der Kaiser geruhten den Antrag des Fürsten Schwarzenberg mit dem Bemerken Ag. zu genehmigen, daß || S. 503 PDF || hierüber mit Feldmarschall Graf Radetzky mündlich Rücksprache werde zu pflegen sein4.

Nachdem Se. Majestät die Sitzung aufzuheben geruht hatten, vereinigten sich die k. k. Minister zu einer Beratung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten Fürsten Schwarzenberg.

IV. Präzisierung der §§ 96/88 und 194/185 des neuen Strafgesetzes

Der Justizminister brachte in Antrag, den § 96/88 des neuen Strafgesetzentwurfes über den Mißbrauch der Amtsgewalt durch eine Zusatz zu präzisieren, damit ersichtlich gemacht werde, daß ein jeder solcher Mißbrauch verbrecherisch sei, der Schaden mag nun Privaten oder dem Staate selbst zugefügt worden sein5.

Der Finanzminister glaubte, es dürfte zur Beseitigung jeden Zweifels hiebei auch der Gemeinden ausdrücklich Erwähnung geschehen.

Man vereinigte sich sonach einstimmig, daß im gedachten Paragraphe nach dem Worte „jemanden“ einzuschalten wäre: „sei es der Staat, eine Gemeinde oder eine andere Person“, und daß derselbe Beisatz auch im § 194/185 bei der Definition des Betruges zu machen wärea .6

V. Todesurteil gegen Viktoria Kulpa

Der Justizminister erwirkte die Zustimmung seiner Kollegen zu dem au. Antrage auf Nachsicht der durch Viktoria Kulpa verwirkten Todesstrafe7.

VI. Pensionsbehandlung Hermann Freiherr v. Dillers

Der Minister des Inneren referierte über die Pensionsbehandlung des wegen Taubheit vor zurückgelegtem 25. Dienstjahr in den Ruhestand übertretenden mährischen Statthaltereirats Baron Diller. Sämtliche Stimmführer, den Finanzminister ausgenommen, waren des Dafürhaltens, daß dieser sehr geschickte und tätige Beamte, der durch ein Gebrechen gezwungen ist, vorzeitig den Staatsdienst zu verlassen, mit der Hälfte statt mit einem Drittel des Gehaltes Ag. zu pensionieren sein dürfte8.

VII. Unterstützung für das Warasdiner Komitat

Es wurde beschlossen, daß dem Einschreiten des Warasdiner Obergespans um eine Unterstützung von 40.000 f. für die Notleidenden dieses Komitats keine Folge zu geben wäre, indem, wie der Minister des Inneren bemerkte, durchaus keine Anzeichen eines besonderen, derlei außerordentliche Hilfe erheischenden Notstandes vorhanden sei, und, wie Baron Kulmer erinnerte, daß bder in der Frage stehende Teil desb Warasdiner|| S. 504 PDF || Komitats, cnämlich die Murinsel,c zu den fruchtbarsten Kroatiens gehört, die Ernte vor der Tür ist und demjenigen, der dortlandes arbeiten will, auch vielfach Gelegenheit geboten ist, sich einen hohen Taglohn bei den ehemaligen Dominien zu verdienend .9

VIII. Preßordnung (5. Beratung)

Schließlich wurde die am 16. l. M. ohne Abstimmung abgebrochene Debatte über die Frage der Verantwortlichkeit der Verfasser und Verleger von Druckschriften, § 35 des Entwurfs der Preßordnung, fortgesetzt10.

Der Minister des Inneren reassumierte seine bereits in der Sitzung vom 16. l. M. entwickelten Gründe dafür, daß in der Preßordnung die solidarische Verantwortlichkeit des Verfassers und Verlegers, bei Journalen auch des Redakteurs, ausgesprochen werde.

Der Justizminister wiederholte die bereits von ihm in der gedachten Sitzung dargelegten Motive seines Antrags, welcher dahin geht, daß die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit für Preßvergehen in das Strafgesetz aufgenommen würden und die Verantwortlichkeit dort, wo man sich an den Verfasser halten kann, nicht auch noch auf den Verleger ausgedehnt werde, der eohne Vernachlässigung der nötigene Aufmerksamkeit und ohne bösen Vorsatzf straffällig werden könne.

Die mehreren Stimmen vereinigten sich mit dem Antrage des Ministers des Inneren, wobei insbesondere darauf hingewiesen wurde, daß der Verleger bei der Veröffentlichung eines Werks durch die Presse eine Hauptrolle spiele und aus seinem Gewerbe einen beträchtlichen Gewinn ziehe. Es sei daher ganz in der Ordnung, wenn man ihn mit Strenge dazu verhält, die größte Vorsicht anzuwenden, damit unter seiner Dazwischenkunft keine Preßvergehen begangen werden. Dies könne aber nur dadurch geschehen, daß seine solidarische Verantwortlichkeit mit dem Verfasser ausgesprochen werde. Geschehe dies nicht, so werden sich viele Verleger durch den großen Gewinn, welchen der Verlag schlechter Bücher verschafft, allzu leicht verleiten lassen, zur Herausgabe von gefährlichen Schriften die Hand zu bieten.

Der Finanzminister glaubte nur, daß die Mitverantwortlichkeit des Verlegers sich bloß auf die Verpflichtung zum Erlag der Geldstrafen, nicht aber auf die Arreststrafen zu erstrecken habe, zumal dort, wo keine böse Absicht unterlaufen ist und bloß ein Übersehen stattgefunden hat.

Der Kultusminister sprach den Wunsch aus, die Mithaftung des Druckers, der bloß als Handwerker interveniert und in der Regel auch nicht die Bildung besitzt, um eine|| S. 505 PDF || Schrift vom moralischen und politischen Standpunkt zu beurteilen, noch mehr eingeschränkt zu sehen, als es durch den § 36 geschieht11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Olmütz, den 31. Mai 1851.