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Nr. 502 Ministerrat, Wien, 19. Mai 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 20. 5.), P. Krauß 21. 5., Bach 21. 5., Thinnfeld 21. 5., Thun, Csorich, K. Krauß, Kulmer 21. 5.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. – KZ. 1795 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 19. Mai 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Beschleunigung der Vorlage der Ministerratsprotokolle

Der Ministerpräsident brachte im Ah. Auftrage Sr. Majestät die Beschleunigung der Abfassung und Vidierung der Ministerratsprotokolle in Erinnerung, damit nicht die infolge von Ministerratsbeschlüssen zu erstattenden Vorträge eher an Se. Majestät gelangen, als die darauf Bezug nehmenden Sitzungsprotokolle.

II. Behandlung von an den Ministerrat gelangenden Rekursen gegen Entscheidungen einzelner Minister

Weiters eröffnete der Ministerpräsident seine Absicht, einlangende, an das Gesamtministerium oder an den Ministerrat gerichtete Rekurse oder Beschwerden gegen Entscheidungen einzelner Minister jedes Mal demjenigen Minister, von dem die angefochtene Entscheidung ausgegangen, zum Vortrage im Ministerrate übergeben zu wollen1.

Endlich las derselbe

III. Traktat mit Preußen

den am 16. d. [M.] zu Dresden zwischen Sr. Majestät dem Kaiser und Sr. Majestät dem Könige von Preußen abgeschlossenen Staatsvertrag vor, welchen der Ministerrat einhellig als zur Ah. Ratifikation Sr. Majestät für geeignet erkannte2.

IV. Amnestiegesuch der ungarischen Bischöfe für alle ihre Geistlichen

Unter den mit einem eigenen Vortrage dem Minister des Inneren übergebenen, von diesem an den Kultusminister abgetretenen Petitionen der ungarischen Bischöfe, welche sämtlich an Se. Majestät stilisiert sind, den Gegenständen nach aber abgesondert verhandelt|| S. 495 PDF || und erledigt werden müssen, befindet sich auch die Bitte um Begnadigung aller wegen Teilnahme an der ungrischen Revolution verurteilten ungrischen Geistlichen3.

Der Kultusminister zweifelt nicht, daß mit Hinblick auf den Ministerratsbeschluß vom 12. Februar 1851, MZ. 511, womit derlei kumulative Begnadigungsgesuche für unstatthaft erklärt wurden4, der Ministerrat sich nicht bestimmt [sehen] werde, auf das meritum des Begehrens einzugehen.

In bezug auf die Form aber entsteht die Frage, ob das Gesuch bloß ad acta zu legen oder vom Ministerium ablehnend zu beantworten oder, da es wie die anderen Bitten an Se. Majestät den Kaiser gerichtet ist, Allerhöchstdemselben mittelst au. Vortrags mit dem Einraten auf Abweisung vorzulegen sei.

Der Kultusminister erklärte sich für die letztere Form, welche dann auch nach einer längeren Diskussion von der Stimmenmehrheit approbiert ward, nachdem der Minister noch auf die Bestimmung des obenbezogenen Ministerratsbeschlusses hingewiesen hatte, wornach Begnadigungsgesuche der nicht zum Militär gehörigen politischen Sträflinge bei dem Justizminister einzeln zu verhandeln sind, an den daher auch die vorliegende Eingabe seinerzeit zu leiten wäre5.

V. Vortrag wegen der Klostervisitatoren

Der Kultusminister referierte über seinen Vortrag an Se. Majestät de dato 7. Mai 1851, KZ. 1689, MRZ. [1691], in betreff der außerordentlichen Klostervisitatoren6.

Die Minister des Inneren, der Justiz und der Finanzen hielten dafür, daß es beim Vollzuge dieser Anträge wesentlich darauf ankommen dürfte, hierdurch den Rechten Sr. Majestät in bezug auf die Aufsicht über die Gebarung in den Klöstern in keiner Weise präjudizieren zu lassen und diese Klausel in die betreffenden Bestimmungen und Erlässe ausdrücklich aufzunehmen. Auch glaubten sie, daß, bevor überhaupt in merito sich in der Sache auszusprechen sei, eine genaue Darstellung derjenigen gesetzlichen Bestimmungen geliefert werden sollte, welche in Ansehung der Jurisdiktion der Bischöfe über die Klöster und des der Regierung hiebei vorbehaltenen Einflusses bestehen.

Der Kultusminister sagte die Beibringung dieser von der Stimmenmehrheit gewünschten Darstellung für die nächste Sitzung zu, obwohl er davon für die vorliegende Frage sich keinen Anhaltspunkt verspricht, weil es sich hier wirklich um außerordentliche, in den bisherigen Vorschriften nicht vorgesehene zeitliche Befugnisse der als Visitatoren zu bestellenden Bischöfe handelt.

Der Minister Freiherr v. Kulmer würde keinen Anstand genommen haben, sich dem Antrage des Kultusministers in merito schon itzt anzuschließen7.

VI. Kompetenz des Obersten Gerichtshofs bei außerordentlichen Strafmilderungen

a Der Justizminister referierte über seinen inzwischen vom Reichsrate vergutachteten Vortrag wegen Erlassung einer kaiserlichen Verordnung über die Kompetenz des Obersten Gerichtshofs bei außerordentlicher Strafmilderung unter das gesetzlich den Schwurgerichten eingeräumte Minimum8. Der Reichsrat hat hierzu den Beisatz beantragt, daß, wofern mit einem solchen au. Begnadigungsantrage gleichzeitig eine Nullitätsbeschwerde der Partei an den Obersten Gerichtshof gelangt, derselbe nach Abweisung der letzteren, über den Begnadigungsantrag zu erkennen habe.

Obwohl sich dies von selbst versteht, so fand doch weder der Justizminister noch der Ministerrat gegen die Aufnahme dieser Bestimmung in die kaiserliche Verordnung einen Anstand9.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 22. Mai 1851.