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Nr. 499 Ministerrat, Wien, 13. Mai 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. (Schwarzenberg 16. 5.); BdE. und anw. P. Krauß 19. 5., Bach 19. 5., Bruck (BdE. fehlt), Csorich, K. Krauß, Thun, Kulmer 19. 5.; abw. Schwarzenberg, Thinnfeld, Stadion. a

MRZ. 1705 – KZ. 1659 –

Protokoll des am 13. Mai 1851 zu Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerrates.

I. Militäreinquartierungsvorschrift

Der Hauptgegenstand der heutigen, von Sr. Majestät dem Kaiser Ah. angeordneten Beratung bildete die Vorschrift über die Einquartierung des Heeres1.

Das Protokoll der reichsrätlichen Beratung über den ministeriellen Entwurf wurde seinem ganzen Inhalte nach vorgelesen2. Laut dieses Protokolles de dato 5. Mai 1851 hat der Reichsratb im allgemeinen einhellig anerkannt, daß die vorgeschlagene neue Vorschrift einem dringenden Bedürfnisse entspreche und deren beschleunigte Vollziehung höchst wünschenswert sei3. Ebenso wurden die Grundsätze, worauf diese Vorschrift beruht, im allgemeinen als gerecht und praktisch anerkannt.

Die wesentlichsten Zusätze und Modifikationen, welche der k. k. Reichsrat in Antrag bringen zu sollen glaubte, sind folgende:

a) Im Eingang der kaiserlichen Verordnung dürften die Worte „über Anhörung des Reichsrates“ eingeschaltet werden. Gegen diesen Antrag ergab sich mit Rücksicht auf das mittlerweilen erflossene Patent über das Statut für den Reichsrat keine Erinnerung.

b) Im § 2 heißt es: „Über vorkommende Beschwerden entscheiden die politischen Verwaltungs­behörden im vorgeschriebenen Instanzenzuge.“ Es kommen aber auch nicht selten Beschwerden gegen das Militär vor, welchen die politischen Verwaltungsbehörden allein nicht abzuhelfen vermögen. Der Reichsrat glaubt daher, daß diesem Paragraphe noch beizusetzen wäre: „Sind die Beschwerden gegen Militärpersonen gerichtet, so haben die politischen Behörden bei den kompetenten Militärkommanden nach Maß der Grundhältigkeit solcher Beschwerden Abhilfe und nach Umständen Genugtuung in|| S. 478 PDF || Anspruch zu nehmen.“ Man vereinigte sich einstimmig zu dem au. Antrage, daß dieser der bestehenden Gepflogenheit entsprechende Zusatz in die Vorschrift aufzunehmen wäre, jedoch, nach einer Ah. Andeutung, ohne auf eine Genugtuung hinzuweisen, zumal die Entschädigung ohnehin in dem Ausdruck „Abhilfe“ gelegen ist.

c) Der Reichsrat glaubte, es wäre die Verpflichtung des Bürgermeisters oder eines eigens zu bestellenden Kommissärs zur Besorgung der Einquartierungsgeschäfte in jedem Ort ausdrücklich festzusetzen. Der Ministerrat jedoch glaubte, daß die Modalitäten der Führung des Einquartierungsgeschäfts den Gemeinden in den für die einzelnen Kronländer zu erlassenden Instruktionen einen angemessenen Platz finden werden, nachdem auf die Verschiedenheit der Gemeinden und Ortsverhältnisse Rücksicht genommen werden muß, und Se. Majestät der Kaiser geruhten zu bestimmen, daß dieser Zusatz zu unterbleiben habe.

d) Der Reichsrat war des Erachtens, man solle bestimmt aussprechen, daß die politischen Verwaltungsbehörden auch über Beschwerden wegen Verteilung der Quartierslast unter den Gemeinden zu erkennen haben. Man vereinigte sich, daß der entsprechende Zusatz bei dem § 7 zu machen wäre.

e) Zur Einquartierung von Truppen wären vorzugsweise auch Orte zu wählen, wo sich Quasikasernen befinden. Einstimmig angenommen, und wurde hiernach § 10 ergänzt.

f ) Im § 11 wäre einzuschalten: „Auch Private können im Einverständnis mit den Gemeinden Kasernen, Quasikasernen, Militärzinszimmer, Stallungen usw. errichten, sei es in der Absicht, sich selbst von der Militäreinquartierung zu befreien, oder eine Rente aus diesen Anstalten zu beziehen. Sind solche Lokalitäten zum Behufe der Militärunterbringung eigens erbaut worden, so sind dieselben jenen Räumlichkeiten nicht beizuzählen, welche nach § 20 bei Verteilung der Militäreinquartierung zur Richtschnur zu dienen haben.“ Dieser, dem Geist und Zweck der Vorschrift vollkommen entsprechende Zusatz wurde angenommen.

g) Den Marketendern in den Kasernen wäre der Verkauf ihrer Feilschaften an sitzende Gäste aus dem Zivilstande zu untersagen. Dieser Zusatz zu § 13 wird als den Gewerbsgesetzen entsprechend einstimmig angenommen.

h) § 15 wäre bestimmter dahin zu textieren: „daß das Militär gehalten ist, die ihm von der Gemeinde bezeichnete und dieser Vorschrift entsprechende Unterkunft samt Nebenerfordernissen anzunehmen.“ Einstimmig angenommen.

i) Der Reichsrat fand es bedenklich, dem Truppenkommandanten im § 16 das Recht einzuräumen, zur Erwirkung der angeforderten Quartiere Zwangsmaßregeln in Anwendung zu bringen. Der Ministerrat glaubte jedoch, daß es nur durch Zugestehung eines solchen Zwangsrechts möglich gemacht werden könne, dem Militär unter allen Umständen, auch bei renitenten Gemeinden, die benötigte Unterkunft ohne Verzug zu verschaffen.

k) Dem § 20 wäre beizufügen, daß die politischen Behörden für die Erhebung und Evidenzhaltung des verfügbaren Fassungsraumes zu wachen haben.|| S. 479 PDF ||

Einstimmig angenommen.

l) Im § 21 wäre zu 3. ausdrücklich zu erwähnen, daß die auf Staats- und öffentlichen Fondsgütern bestehenden, dem Staate oder öffentlichen Fonds als Grundeigentümern gehörigen Gebäude unter den einquartierungsfreien Staatsgebäuden nicht begriffen seien. Einstimmig angenommen, da die Befreiung nicht weiter ausgedehnt werden will.

m) Dem § 21 wäre beizufügen: „sind aber die Räumlichkeiten 1 bis 6 gemietet, so hat der Eigentümer gleich andern Hausbesitzern die Einquartierung zu tragen.“ Die mehreren Stimmen des Ministerrates glaubten, daß hier in eine Distinktion zwischen eigenen und gemieteten Räumlichkeiten nicht einzugehen wäre, und Se. Majestät geruhten diesen Antrag Ag. zu genehmigen.

n) Zum § 21 ad 9. wird folgender Zusatz vorgeschlagen: „In solchen Ortschaften, wo die Wohngebäude insgesamt oder zum größeren Teile nur aus einem Gemache bestehen, hat die gemeinschaftliche Benützung dieses Gemaches von der Mannschaft mit dem Hauswirte stattzufinden.“ Einstimmig angenommen.

o) § 31 wären die ¾ Pfund Rindfleisch ausdrücklich als „Wiener Gewicht“ zu bezeichnen. Einstimmig angenommen.

p) Der Reichsrat hielt es für eine unerschwingliche Last, wenn die Verpflegungsvergütung gemäß § 31 nach dem Maßstabe der Rindfleischpreise des verflossenen Jahres stattfindet, welche wahrscheinlich viel niedriger sind, als zur Zeit eines starken Truppenmarsches. Es wäre daher, wenn die Einquartierung über fünf Tage dauert, der Quartierträger zu berechtigen, zu fordern, daß die Mannschaft vom sechsten Tage an nach den Grundsätzen der dauernden Einquartierung in eigener Regie etc. verpflegt werde.

Der Ministerrat glaubte diesem Antrag der mehreren Stimmen im Reichsrate nicht beitreten [zu] können, da die eigene Verköstigung der Mannschaft in solchen Fällen, besonders bei starken Durchmärschen und abgelegenen Dislokationen, sehr schwer, ja unmöglich werden dürfte; der Mann nur die landesübliche Hausmannskost erhält und die Vergütung dafür nach der neuen Vorschrift ohnehin gegen die bisherige Übung eine wesentliche Erleichterung des Quartierträgers, auch eine neue große Last für die Finanzen bildet.

§ 35 wäre, nebst dem land- auch der forstwirtschaftliche Betrieb gegen Störungen zu verwahren. Nichts zu erinnern.

§ 40 wäre statt „Herdfeuer“ „Kochfeuer“ zu setzen, weil auch häufig in Öfen gekocht wird. Nichts zu erinnern.

Nachdem hiermit die Beratung über die Vorschläge des Reichsrates beendigt waren, geruhten Se. Majestät der Kaiser zu erinnern, daß den zurückgelassenen Familien ausmarschierender Offiziers der nach den bestehenden Vorschriften gebührende Anspruch auf die halbe Quartierskompetenz ihres Gatten durch einen Zusatz zum § 25 vorzubehalten sei.

Der gemäß dieser Ah. Erinnerung und der übrigen Ah. genehmigten Sitzungsbeschlüsse|| S. 480 PDF || modifizierte Entwurf der Bequartierungsvorschrift wird Sr. Majestät durch die Minister des Inneren und des Krieges ohne Verzug vorgelegt werden4.

II. Gesuch der Pester Stadtgemeinde um Erleichterung bezüglich der Militäreinquartierung

Mit der obigen Verhandlung steht der Vortrag des Ministers des Inneren über das Ah. bezeichnete Gesuch der Stadtgemeinde Pest um Erleichterung in der Militäreinquartierung in Verbindung. Auch dieser Gegenstand ist vom Reichsrate begutachtet worden5.

Nachdem Se. Majestät der Kaiser die von dem Minister des Inneren au. erstatteten näheren Aufklärungen entgegengenommen hatten, geruhten Allerhöchstdieselben die Absicht auszusprechen, diesen Vortrag dahin zu erledigen, daß sich das Gesuch, insofern es die Zukunft betrifft, durch die neue Bequartierungvorschrift behebt, daß jedoch Se. Majestät den weiteren Anträgen über die Ausgleichung der Einquartierungslast fürs Vergangene durch Repartition auf den Distrikt oder das ganze Kronland entgegensehen6.

III. Eisenbahnbetriebspersonal

Se. Majestät der Kaiser geruhten Allerhöchstsich durch den Handelsminister einige Aufklärungen über die in Ah. Händen befindlichen Anträge wegen Regulierung des Betriebspersonals auf den Staatseisenbahnen erstatten zu lassen7.

IV. Anstellung ausgedienter Militärs im Zivildienste

Schließlich brachten Se. Majestät zur Sprache, daß es notwendig sei, die Ansprüche invalider Offiziers, dann ausgedienter Kapitulanten, namentlich Unteroffiziers, auf Anstellungen im Zivildienste genauer zu präzisieren. Die Verwendung von gewesenen Militärs in gewissen Zivildiensten sei häufig nicht bloß eine verdiente Belohnung für einen altenc Krieger, sondern auch ein entschiedener Vorteil für den Zivildienst. Es bestehen zwar diesfalls bereits Vorschriften, und in der Regel würden Kondukteurs-, Amtsdieners- und Gerichtsvollziehersstellen, dann die Bedienstungen bei der Finanzwache an Militärs verliehen. Allein, es könnte in dieser Beziehung noch mehr geschehen, und namentlich|| S. 481 PDF || den braven Unteroffiziers eine bestimmtere Aussicht auf Zivilversorgung gewährt werden. Allerhöchstdieselben geruhten daher die Ah. Willensmeinung auszusprechen, daß zu diesem Zweck eine eigene, von den Ministerien zu beschickende Kommission zusammengesetzt werde, deren Anträge im Ministerrate zu prüfen und Sr. Majestät zu unterziehen sein würden8.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 20. Mai 1851.