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Nr. 465 Ministerrat, Wien, 10. März 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 11. 3.), P. Krauß 18. 3., Bach 17. 3., Bruck, Thinnfeld 13. 3., Thun, Csorich, K. Krauß, Kulmer 11. 3.; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 844 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 10. März 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Waffenaus- und -durchfuhrverbot bezüglich der Herzegowina

Der Ministerpräsident eröffnete mit Beziehung auf die letzte Ministerratsdeliberation über das Reichsratsstatut (Ministerratsprotokoll vom 5. März 1851/VI) den unabänderlichen Beschluß Sr. Majestät, diese Institution nach dem zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Präsidenten des Reichsrates vereinbarten Entwurfe in Ausführung bringen zu lassen. Unter diesen Umständen glaubte er dem Ministerrate die unveränderte Annahme des Entwurfs mit dem Vorbehalte vorschlagen zu sollen, daß, wenn der Reichsrat den im Protokolle vom 3. März d. J. niedergelegten Aufklärungen zuwider, dennoch seine Stellung und Aufgabe verkennen sollte, die hiernach nötig erscheinenden Modifikationen in dessen Einrichtung alsdann in Antrag gebracht werden würden.

Im Falle der Annahme dieses seines Vorschlags würde der Ministerpräsident den Vortrag an Se. Majestät wegen Ah. Sanktionierung des Statuts erstatten und zugleich die auch seinerseits für unerläßlich erkannte Modifikation des Eingangs des Patents, wo es heißt: “nach Anhörung Unseres Ministerrates“ in: „über Antrag Unseres Ministerrates“ erbitten, indem durch die Beibehaltung der ersteren Formel die Stellung des Ministerrates wesentlich alteriert und demselben nur der rein beratende Einfluß des Reichsrats zuerkannt sein würde.

Bei der Umfrage traten die Minister Ritter v. Thinnfeld, Freiherr v. Kulmer und Csorich dem Antrage des Ministerpräsidenten bei, indem sie erkannten, daß Sr. Majestät unzweifelhaft das Recht zustehen müsse, die Anträge Ihrer Minister zu prüfen, eine solche Prüfung aber durch einen Körper wie der Reichsrat mehr Beruhigung zu gewähren geeignet ist, als eine Prüfung in einem andern Wege, und daß ein, bei den früheren Beratungen hervorgehobenes wesentliches Bedenken gegen den § 7, nämlich daß Se. Majestät sich nicht Allerhöchstselbst eine neue Beschränkung auferlegen möchten, nunmehr durch den bestimmt ausgesprochenen Ah. Willen vollständig behoben ist.

Dagegen erklärte der Justizminister , auf seiner früher ausgesprochenen Ansicht verharrend, diesem Entwurfe nicht beistimmen zu können, weil aer besorgt, daßa dadurch die verantwortlichen Minister in die Stellung von Präsidenten der ehemaligen Hofstellen|| S. 312 PDF || zurückversetzt, über sich den Reichsrat die Wirksamkeit des einstigen Staatsrates einnehmen und sich dadurch außer Stand sehen würden, Sr. Majestät mit demjenigen Erfolge nützlich zu sein, welcher zunächst durch das Vertrauen Sr. Majestät zu den Ministern bedingt wird, bund weil der § 7 des Statuts eine Beschränkung der Macht Sr. Majestät enthält, auf die einzuraten der Minister nicht mit seiner Pflicht verträglich hält.b

cMinister Bruck drückt sein Bedauern aus, dem Statut für den Reichsrat auch in der vorliegenden Fassung nicht beitreten zu können. Dem Wunsche Sr. Majestät, das in der Verfassung begründete Institut bald ins Leben zu führen, könne er nur unbedingt beipflichten, aber anderseits schiene ihm ebenso notwendig, das Statut desselben in Einklang mit der Stellung eines verantwortlichen Ministeriums zu bringen. Dies sei nach seiner Ansicht nicht der Fall, denn nach dem Entwurf werde der Reichsrat zwischen die Krone und das Ministerium geschoben. Wenn er sich an den weitreichenden ersten Entwurf erinnere, der zwar bedeutend modifiziert worden ist, so könne er die Befürchtung nicht unterdrücken, daß bei der unbestimmten Fassung mancher Paragraphe der Reichsrat nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zur möglichsten Erweiterung seiner Befugnisse und seines Einflusses werde hingedrängt werden und daraus eine Erschwerung und Verzögerung der Geschäfte hervorgehe, die namentlich unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen die Kraft der Regierung schwächen müßte. Ihm wolle bedeuten, daß ein Statut möglich wäre, nach welchem die Stellung des Ministeriums gewahrt, die Bestimmung der Verfassung beobachtet und dennoch dem Reichsrate jene hohe Bedeutung angewiesen werde, die ihm mit Recht verliehen werden will. Speziell scheine ihm der § 7 in jeder Beziehung bedenklich und er könne nicht dazu einraten, die Machtvollkommenheit des Kaisers durch diese Bestimmung noch über die Verfassung hinaus einzuengen. Auch müßte er bedauern, daß dem Antrag des Grafen Thun nicht Raum gegeben worden sei, nämlich im Statut die Berechtigung der Minister auszusprechen, ihre Angelegenheiten persönlich oder durch Abgeordnete im Reichsrate vertreten zu lassen. Der Reichsratspräsident habe zwar geäußert, es sei wirklich so gemeint, also hätte auch kein Anstand obwalten können … um im Statute wenigstens diesen lockeren Verband zwischen …c Minister Bruck drückt sein Bedauern aus, dem Statut für den Reichsrat auch in der vorliegenden Fassung nicht beitreten zu können. Dem Wunsche Sr. Majestät, das in der Verfassung begründete Institut bald ins Leben zu führen, könne er nur unbedingt beipflichten, aber anderseits schiene ihm ebenso notwendig, das Statut desselben in Einklang mit der Stellung eines verantwortlichen Ministeriums zu bringen. Dies sei nach seiner Ansicht nicht der Fall, denn nach dem Entwurf werde der Reichsrat zwischen die Krone und das Ministerium geschoben. Wenn er sich an den weitreichenden ersten Entwurf erinnere, der zwar bedeutend modifiziert worden ist, so könne er die Befürchtung nicht unterdrücken, daß bei der unbestimmten Fassung mancher Paragraphe der Reichsrat nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge zur möglichsten Erweiterung seiner Befugnisse und seines Einflusses werde hingedrängt werden und daraus eine Erschwerung und Verzögerung der Geschäfte hervorgehe, die namentlich unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen die Kraft der Regierung schwächen müßte. Ihm wolle bedeuten, daß ein Statut möglich wäre, nach welchem die Stellung des Ministeriums gewahrt, die Bestimmung der Verfassung beobachtet und dennoch dem Reichsrate jene hohe Bedeutung angewiesen werde, die ihm mit Recht verliehen werden will. Speziell scheine ihm der § 7 in jeder Beziehung bedenklich und er könne nicht dazu einraten, die Machtvollkommenheit des Kaisers durch diese Bestimmung noch über die Verfassung hinaus einzuengen. Auch müßte er bedauern, daß dem Antrag des Grafen Thun nicht Raum gegeben worden sei, nämlich im Statut die Berechtigung der Minister auszusprechen, ihre Angelegenheiten persönlich oder durch Abgeordnete im Reichsrate vertreten zu lassen. Der Reichsratspräsident habe zwar geäußert, es sei wirklich so gemeint, also hätte auch kein Anstand obwalten können … um im Statute wenigstens diesen lockeren Verband zwischen …

Auch die Minister Graf Thun, Freiherr v. Bruck und der Finanzminister Freiherr v. Krauß erklärten, dem Entwurfe ihre Stimme nicht geben und Sr. Majestät dessen Erlassung nicht anraten zu können. Indessen sind auch sie bereit, wenn die Majorität des Ministerrates sich für das Statut erklären sollte, dem Ah. Ausspruche des Monarchen und der Mehrheit sich zu fügen und das Statut mit zu unterfertigen. Der Finanzminister behielt sich übrigens vor, nochmals mit sich zu Rate zu gehen, ob das Statut in der vorgeschlagenen Form mit der verantwortlichen Stellung der Minister vereinbarlich sei, nachdem ihm gegen dasselbe noch ein weiteres wesentliches Bedenken aufgestoßen ist. Denn § 96 der Reichsverfassung bestimmt den beratenden Einfluß des Reichsrats in allen jenen Angelegenheiten, worüber er von der vollziehenden Reichsgewalt um sein Gutachten angegangen wird, und der § 84 definiert die vollziehende Reichsgewalt dahin, daß sie ausschließend dem Kaiser zustehe, der sie durch verantwortliche Minister ausübt.|| S. 313 PDF ||

dDa nun die Verfügung, durch die das Gutachten des Reichsrates eingeholt wird, nach der Reichsverfassung als eine Handlung der vollziehenden Reichsgewalt zu betrachten ist, so scheint dieselbe unter die Anordnung des § 84 zu fallen, und es dringt sich der Zweifel auf, ob died Bestimmung des Entwurfs, wornach jenes Gutachten auch ohne Intervenierung der Minister eingeholt werden kann, enicht dem Reichsrate eine der Verfassung widersprechende Stellung anweisee . Auch über die Ernennung der Reichsräte würde der Finanzminister eine den Einfluß des Ministerrates foder des Ministerpräsidentenf wahrende Bestimmung in das Reichsratsstatut aufgenommen zu sehen wünschen. Überhaupt könnte er nur für die provisorische Hinausgabe dieses Statuts in der Art stimmen, daß die in Folge der über dessen Wirksamkeit gesammelten Erfahrung notwendigen Modifikationen ausdrücklich vorbehalten würden.

Von der Abstimmung des inzwischen zu Sr. Majestät berufenen Ministers des Inneren, der sich sein Votum vorbehielt, wird der endliche Beschluß des Ministerrats in dieser Angelegenheit abhängen1.

II. Auszeichnung für Luigi Configliacchi

Der Unterrichtsminister erhielt die Zustimmung des Ministerrates zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Verleihung des Ritterkreuzes des Franz Joseph-Ordens an den Professor Luigi Configliacchi in Padua wegen seiner Verdienste um das Blindeninstitut und seiner Anhänglichkeit an die Regierung2,

III. Auszeichnung für Johann Onderek

ebenso auf Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone an den um das Volksschulwesen verdienten galizischen Kreiskommissär Onderek, welcher Antrag bereits unterm 20. April 1850, MRPr. VIII, gemacht, aber damals bis zur (nunmehr auch erfolgten) allgemeinen Beteilung der Galizianer mit Auszeichnungen vertagt worden ist3.

Bei diesem Anlasse kündigte der Justizminister seine Absicht an, für einige der bei der allgemeinen Beteilung gar nicht berücksichtigten galizianischen Justizbeamten auf Ah. Auszeichnungen antragen zu wollen.

IV. Pensionszulage für Franz Diebl

Erhielt der Unterrichtsminister die Zustimmung des Finanzministers und sofort auch des Ministerrats, dem mit zwei Drittel seines Gehalts von 1000 fr. pensionierten, 80 Jahre alten Professor Diebl g(Professor der Landwirtschaft in Brünn)g auf die Dauer seiner letzten Lebenstage die in der Aktivität genossene, im Pensionsstande eingezogene Personalzulage von jährlich 200 fr. wieder anweisen beziehungsweise die Wiederanweisung bei Sr. Majestät befürworten zu dürfen4.

V. Übernahme der Gymnasien zu Kaschau und Großwardein auf den Staat

Der Prämonstratenserorden in Ungern besitzt vier Gymnasien: zu Großwardein, Kaschau, Leutschau und Rosenau. Dieselben befinden sich in einem solchen Zustande, daß deren Reorganisierung dringend nötig ist. Da aber der Orden selbst an verläßlichen Individuen Mangel leidet, so erbat und erhielt der Unterrichtsminister die Be[i]stimmung des Ministerrats zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage, die zwei Gymnasien zu Kaschau und Großwardein auf den Staat zu übernehmen, was beiläufigh einen Aufwand von 12–15 Tausend Gulden erfordern dürfte5.

VI. Begnadigungsanträge

Der Justizminister referierte – unter allseitiger Beistimmung – über nachstehende Begnadigungs­anträge: a) für Lorenz Ponner wegen Totschlags; b) für Lorenz Skarda wegen Störung der öffentlichen Ruhe; c) für Joseph Klement wegen öffentlicher Gewalttätigkeit; d) für Nicolaus Ege wegen Betrugs; e) für Rochus Jurko wegen Totschlags, zu zeitlichen Kerkerstrafen verurteilt, wovon sie den größten Teil überstanden haben, um Nachsicht des Strafrestes; endlich f ) für Bartholomäus Czerwiński, welcher wegen Raubes nach Krakauer Recht zu lebenslangem schweren Kerker verurteilt worden war, auf Umwandlung der lebenslänglichen in eine der Novelle unseres Strafgesetzbuches i(nämlich dem Hofdekrete vom 17. Jänner 1818)i entsprechende zeitliche Kerkerstrafe von 12 Jahren6.

VII. Verdienstkreuz für Joseph Wartbichler

Der Ministerpräsident erhielt die Beistimmung des Ministerrats zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes an den Spital- und Internuntiatur­arzt in Konstantinopel Dr. Wartbichler7.

VIII. Bau einer neuen Börse

Der Handelsminister referierte über die Notwendigkeit des Baues einer eigenen Börse8. Hierdurch allein wird den Übelständen, welchen man durch Börsegesetze zu steuern bemüht ist, vollkommen abgeholfen werden können. Da im Jahre 1852 das alte Postgebäude in der Wollzeile disponibel wird, so glaubte der Minister dasselbe für das neue Börsehaus vorschlagen, zugleich aber, da dasselbe etwas zu klein wäre, den Ankauf der anstoßenden Häuser und sodann den Bau eines neuen Gebäudes, jin welchem ein Börsesaal von 165 Quadratklafter ausgemittelt werden könnte,j in Antrag bringen zu|| S. 315 PDF || sollen. Der Ankauf der Häuser würde bei 150.000 fr., der Bau 250.000 fr. kosten, dieser Aufwand nur sukzessive von den Finanzen in Anspruch genommen und dagegen der dermalige bedeutende Mietzins von 10.000 fr. für das gegenwärtige, durchaus ungenügende Börselokale erspart, überdies auch für Handelsgericht und Handelskammer die mietweise Unterkunft im neuen Gebäude ermittelt werden, kso daß nebst den Mietzinsen für die Gerichte und andern derartigen Lokalitäten ein Ertrag von 25.000 [fr.] zu erwarten sei.k

Der Handelsminister erbat und erhielt die Ermächtigung des Ministerrates (auch des inzwischen zurückgekehrten Ministers des Inneren), hiernach die entsprechenden Voreinleitungen zu treffen und insbesondere wegen Ankauf der Nachbarhäuser in Unterhandlung zu treten9.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Vortrags zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 20. März 1851.