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Nr. 463 Ministerrat, Wien, 5. März 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 6. 3.), P. Krauß 7. 3., Bach (keine BdE.), Bruck, Thinnfeld 7. 3., Thun, Csorich 7. 3., K. Krauß, Kulmer 7. 3.; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 619 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 5. März 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Erste Senatspräsidentenstelle des Obersten Gerichtshofes für Anton Ritter v. Schmerling

Der Justizminister eröffnete mit Bezug auf die im Ministerrate vom 3. d. [M.] beantragte Ernennung des gewesenen Justizministers Ritter v. Schmerling zum Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes die von demselben mündlich ausgesprochene Bitte, daß ihm mit Rücksicht auf seine frühere höhere Stellung der Platz des ersten Senatspräsidenten eingeräumt werde, wogegen auch bei der vorliegenden Zustimmung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes nichts zu erinnern gefunden wurde1.

II. Todesurteil gegen Olech Kozun

Der Justizminister referierte über das wider Oleg Kozun wegen Gattenmordes gefällte Todesurteil mit dem Antrage auf Nachsicht der Todesstrafe, welchem Antrage mit Ausnahme des Kultusministers, der keine entscheidenden Milderungsgründe fand, die übrigen Minister vornehmlich in der Rücksicht beistimmten, weil der Tatbestand über die Todesart der ermordeten Gattin trotz zweimaliger Ausgrabung der Leiche nicht vollkommen konstatiert werden konnte, so daß in allen drei Instanzen mehrere Stimmführer selbst die Rechtmäßigkeit der Verhängung der Todesstrafe wider den Inquisiten bezweifelten2.

III. Sustentationsbeitrag für vier entlassene Venediger Justizbeamte

Derselbe Minister unterstützte den Antrag des Venediger Appellationspräsidenten auf Verleihung von Sustentationsbeiträgen von 1000, 800 und 600 fr. an nachstehende venezianische Justizbeamte: den Appellationsrat Serafini, den Appellationsratssekretär Benvenuti, den Ziviltribunalrat Giordani, den Merkantilrat Ceschi, welche wegen Teilnahme an der Unterzeichnung einer Adresse der in Venedig anwesenden Welschtiroler als Antwort auf den von Tommaseo erlassenen Aufruf zur Teilnahme an der italienischen Revolution des Dienstes entlassen worden sind3.

Der Ministerpräsident würde sich überhaupt gegen einen solchen Antrag zugunsten von Beamten erklären, welche ihre Pflicht in doppelter Beziehung, als Untertanen und beeidete Staatsdiener, vergaßen; höchstens könnte er dafür stimmen, daß ihnen von der|| S. 301 PDF || Ah. Gnade Sr. Majestät ohne Rücksicht auf ihren früher bekleideten Dienstrang ein zur Fristung ihrer Existenz zureichender Unterhaltsbeitrag erbeten werde.

Dieser Ansicht traten auch die übrigen Stimmen bei, und solchergestalt vereinigte man sich in dem Antrage auf Erwirkung einer Sustentation von jährlichen 600 fr. für jeden der genannten Justizbeamten4.

IV. Konsulstelle in Danzig

Der Handelsminister teilte seinen an Se. Majestät zu erstattenden Vortrag vom 3. d. [M.] wegen Verleihung der Konsulstelle in Danzig an den Generalskonsulatskanzler v. Kukosz in Warschau mit, wogegen nichts erinnert wurde5.

V. Bestellung von Finanzinspektoren

Der Finanzminister referierte über die zwischen ihm und dem Minister des Inneren obwaltende Meinungsdifferenz in Ansehung der zu bestellenden Steuerinspektoren6.

Es ist nämlich die Absicht des Finanzministers zur Unterstützung der Bezirkshauptmannschaften in den ihnen zugewiesenen Geschäften der direkten Steuern, dann zur Überwachung der in einem Bezirke befindlichen Steuerämter, im Sitze einer jeden Bezirkshauptmannschaft einen juridisch gebildeten Beamten aufzustellen, welcher die zwiefache Aufgabe hätte, die im Bezirke befindlichen Steuerämter zu überwachen, zu bereisen, insonderheit aber bei Bemessung der gesetzlichen Gebühren für Eigentumsübertragungen zu kontrollieren, bei der Bezirkshauptmannschaft aber als Referent für die Geschäfte der direkten Steuern zu fungieren.

Der Minister des Inneren hatte dagegen wegen der Doppelstellung dieser Beamten Bedenken erhoben und den Antrag gemacht, die Bemessung der Gebühren für Eigentumsübertragungen den Gerichten selbst zu überlassen.

Allein, mit diesem letzteren Antrage könnte sich der Finanzminister nimmermehr einverstanden erklären, weil die Bemessung einer indirekten Steuer eine zweifellos finanzielle Amtshandlung ist; weil es sich gerade bei diesen Gebühren um einen der wichtigsten und ergiebigsten Zweige des öffentlichen Einkommens handelt, welcher die ganze Aufmerksamkeit der Verwaltung in Anspruch nehmen wird, während die Gerichte, welche sogar die ihnen angesonnene einfache Aufschreibung der für Gerichtsakte verwendeten Stempelaufzahlungen über 20 fr. verweigerten, zu einer solchen Amtshandlung weder geneigt, noch geeignet sind; weil es Grundsatz ist, die Trennung der Verwaltung von der Rechtspflege allenthalben durchzuführen, es also nicht konsequent wäre, in diesem Zweige eine Ausnahme zu machen; weil weder den Finanzbehörden eine Haftung für die diesfälligen Amtshandlungen der Gerichte zugemutet, noch bestimmt werden könnte, an welche Behörde (Justiz- oder Finanz-) der Rekurs gegen eine Gebührenbemessung des Gerichtes zu gehen hätte.

Was die Einwendung gegen die Doppelstellung des Finanzinspektors zum Bezirkshauptmann und zum Steueramte betrifft, so behebt sich selbe durch die Betrachtung, daß ja auch der Bezirkshauptmann und der Statthalter je nach den ihnen zugewiesenen politischen|| S. 302 PDF || Verwaltungs- und Steuergeschäften sowohl dem Minister des Inneren als jenem der Finanzen unterstehen, und daß, wenn es gewünscht wird, dem Bezirkshauptmann die Disziplinargewalt über den Steuerinspektor eingeräumt wird, nachdem dieser dem ersteren zur Beihilfe in den Geschäften der direkten Besteuerung beigegeben ist und bei der anerkannten Unzulänglichkeit des Personals der Bezirkshauptsmannschaften zur Besorgung der Steuergeschäfte statt eines sonst unentbehrlichen neuen politischen Beamten eintreten und für diesen das Odium und die Haftung für die den politischen Beamten immer unwillkommenen Steuergeschäfte übernehmen soll.

Der Minister des Inneren bezweifelte vorerst das allgemeine Bedürfnis einer solchen Aushilfe für die Bezirkshauptmannschaften aus dem Titel der Steuergeschäfte, indem aus den vorliegenden Geschäftausweisen zu entnehmen ist, daß nur bei einigen Bezirkshauptmannschaften die Notwendigkeit einer Personalnachhilfe eintreten dürfte. Dann fand er seine Bedenken gegen die Doppelstellung des vom Finanzminister beantragten Steuerinspektors, der mit selbständiger Verantwortlichkeit für zwei Ämter bestimmt sein soll, nicht behoben. Endlich vermochte er nicht einzusehen, warum den Gerichten die Bemessung der Gebühren für Eigentumsübertragungen nicht sollte anvertraut werden können, nachdem der Richter das diesfalls zum Grunde liegende Rechtsgeschäft und die Urkunde ohnehin zu prüfen hat, also sehr leicht auch die demselben entsprechende Gebührentarifspost, allenfalls im Einvernehmen mit dem Steueramte bestimmen und darnach die Gebühr zu berechnen im Stande ist. Den Parteien wäre hiermit eine wesentliche Erleichterung verschafft, weil sie dann nicht so lange auf die Abtuung ihrer Angelegenheiten würden warten müssen, als es nach der bisherigen oder nach der neu beantragten Einrichtung geschehen müßte, wo die Sache vom Gerichte an das Steueramt, von diesem an den Inspektor und von da wieder zurückgeschickt werden würde. Dem Prinzip der Trennung der Administration von der Justiz wäre damit eben auch nicht mehr vergeben, als dies schon dermal bei der Besorgung mancher anderer, den Gerichten übertragener Geschäfte der Fall ist, welche, wie z. B. die Waisensachen, ebenfalls zu den Verwaltungsgeschäften gehören. Den Finanzen endlich dürfte die Bemessung der Gebühren durch die Gerichte mehr Garantie für die Gesetzmäßigkeit der Aufrechnung gewähren, als wenn diese den unter keiner Kontrolle mehr stehenden Steuerinspektoren überlassen wird.

Nachdem jedoch der Justizminister bemerkt hatte, daß die Bezirksgerichte das fragliche Bemessungsgeschäft ohne Beigabe eines eigenen hiefür bestimmten Beamten nicht übernehmen könnten, weil sie mit den eigentlichen Justizgeschäften bis zur Unerschwinglichkeit überhäuft sind, mithin es sich dann nur um die Frage handeln würde, was besser sei, den hierwegen eigens anzustellenden Beamten den Gerichten zuzuweisen oder die ihm vom Finanzminister beantragte Stellung zu geben, welcher erklärte, für den Erfolg der von ihm vorgeschlagenen Maßregel einzustehen und auf deren baldige Ausführung einen besondern Wert zu legen, so vereinigten sich alle übrigen Stimmen mit dem Antrage des Finanzministers, demselben überlassend, im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren die Detailbestimmungen der neuen Einrichtung festzusetzen7.

VI. Form des Patents über das Reichsratsstatut und Vortrag dazu (7. Beratung)

Der Finanzminister , welcher aus schuldigem Gehorsam gegen die Ah. Befehle Sr. Majestät das Patent über das Reichsratsstatut unterfertigt hat, glaubte nichtsdestoweniger das Bedenken erheben zu müssen, ob dasselbe, nachdem es nach der Redaktion des Ministerpräsidenten und des Reichsratspräsidenten in einigen wesentlichen Punkten gegen die Anträge des Ministerrates abgefasst ist, auch von sämtlichen Ministern zu unterfertigen sei, dann was in Ansehung der sonst bei Gesetzen üblichen Form, dieselben mit einem Vortrage des Ministerrates an Se. Majestät einzubegleiten, zu beobachten wäre, da der Antrag hierzu nicht vom Ministerrate ausgegangen, vielmehr das Statut, wie der Justizminister bemerkte, die Stellung des Ministerrats und des Reichsrats verwechselnd, nach Anhörung des ersteren über Antrag des Präsidenten des letzteren erlassen worden ist8.

Der Handelsminister würde glauben, daß unter diesen Umständen das Patent bloß vom Ministerpräsidenten, der überdies mit dem Vollzuge beauftragt ist, zu kontrasignieren und auch von ihm der Einbegleitungsvortrag vorzulegen wäre.

Der Ministerpräsident behielt sich hierüber die weitere Äußerung vor9.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 12. März 1851.