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Nr. 458 Ministerrat, Wien, 26. Februar 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 27. 2.), P. Krauß 3. 3., Bach 3. 3., Bruck, K. Krauß, Thinnfeld 1. 3., Thun, Csorich, Kulmer 1. 3.; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 616 –

Protokoll der am 26. Februar 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Preßvergehen Karl Havlíčeks

Der Justizminister Ritter v. Krauß las einen ihm von dem Minister des Inneren mitgeteilten, von Havlíček in seiner Zeitschrift „Slovan“ veröffentlichten Artikel (Die Verhältnisse zwischen den Häuslern und den Grundbesitzern betreffend) vor, welcher wegen seiner perversiven Tendenz eine Untersuchung zu begründen vollkommen geeignet sein dürfte1.

Der Ministerrat hat nach dem Antrage des Referenten beschlossen, diesen Artikel an den Generalprokurator Hikisch mit dem Auftrage zu leiten, den Staatsanwalt zu Kuttenberg zur unverzüglichen Amtshandlung gegen Havlíček anzuweisen2.

II. Gesuch Jakob Winters um Strafurteilsannullierung

Derselbe Minister referierte hierauf über das Gesuch des Gemeindevorstandes und Hausbesitzers in der Brigittenau Jakob Winter, welches dahin gerichtet ist, in Berücksichtigung seiner vielen Leistungen und seiner durch die Verleihung der goldenen Zivilehrenmedaille3 anerkannten Verdienste das gegen ihn erflossene Strafurteil und dessen Rechtsfolgen aufzuheben. Er wurde nämlich wegen eines Vergehens zu einem achttägigen Arreste und zum Schadenersatze verurteilt.

Der Justizminister erachtet, ebenso wie es unlängst bei Accerboni der Fall war, bei Sr. Majestät au. anzutragen, daß, da von Aufhebung des erflossenen Urteils keine Rede sein|| S. 278 PDF || könne, dem Winter ain Rücksicht seiner sonstigen Verdienstea die bürgerlichen Folgen des Urteils nachgesehen, den privatrechtlichen Folgen desselben aber freier Lauf gelassen werden dürfte.

Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden4.

III. Todesurteil gegen Nikolaus Pavlovits und Theresia Tóth

Dem Antrage desselben Ministers auf Nachsicht der Todesstrafe gegen Nikolaus Pavlovits und Theresia Tóth wegen Mordes beziehungsweise Gattenmordes wurde gleichfalls beigestimmt. Die Gründe, warum der Justizminister hier auf Gnade anträgt, sind hauptsächlich, daß die von der Septemviraltafel zum Tode verurteilte Theresia Tóth nach unseren Gesetzen zu dieser Strafe nicht hätte verurteilt werden können, daß Pavlovits durch Leidenschaft für die Tóth zu dem Verbrechen hingerissen wurde, und daß die Inquisiten bereits seit dem Jahre 1847 im Gefängnisse sitzen5.

IV. Vereinfachung der Grundbuchsführung

Der Justizminister brachte weiter die Erlassung einer kaiserlichen Verordnung zu dem Ende in Antrag, daß die Arbeit der Führung der Grundbücher für die Zukunft wesentlich erleichtert werde6. Bei der Grundbuchsführung wird in das Hauptbuch das betreffende Recht und in ein zweites Buch werden die dieses Recht begründenden Urkunden eingetragen, d. i. wörtlich hineingeschrieben. Diese letztere Manipulation macht viele Schreibereien und verursacht große Rückstände bei den Bezirksgerichten wegen Mangels an Schreibkräften.

Um dieser Unzukömmlichkeit für die Zukunft zu begegnen und Kosten und Zeit zu ersparen, wird der Antrag gestellt, daß die Urkunden in das zweite Buch nicht mehr abgeschrieben werden sollen, sondern die Parteien hätten ihren betreffenden Gesuchen stempelfreie Abschriften von den Urkunden anzuschließen, welche, von dem Grundbuchsführer vidimiert, dem Urkundenbuche beizulegen wären. Wenn eine Partei die Abschriften nicht beibringt, so hätte sie so vielmal 30 Kreuzer zu entrichten, als Urkunden vorhanden sind, wovon der Stempel und der Tagschreiber zu bezahlen wären.

Dort, wo die Tabularbücher bis jetzt bloß in Urkundenbüchern bestehen wie in Böhmen, Mähren etc., wäre diese Art der Grundbuchsführung für die Zukunft nicht fortzusetzen, aus diesen Büchern das Hauptbuch zu machen und ein neues Urkundenbuch nach einem hinauszugebenden Formular anzulegen und damit in der oberwähnten Art zu manipulieren.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Ersparung und Beschleunigung beabsichtigenden und dem Dienste vollkommen entsprechenden Anträgen einverstanden, wornach der Justizminister nun den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten wird7.

V. Ärarialersatz für ein in Galizien eingezogenes Grundstück

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß besprach hierauf eine seit dem Jahre 1773 anhängige Verhandlung wegen einiger Grundstücke in Galizien.

Er bemerkte, daß in Galizien (nach der polnischen Einrichtung) gewisse Grundstücke unter der Benennung Skultezien, andere unter der Benennung Advokazien vorkommen. Die ersteren seien solche, welche einer Familie für immer, die letzteren, welche nur für die Lebensdauer dem Besitzer gehören.

Im Jahre 1773, also ein Jahr nach der Besitznahme von Galizien, wurde ein Streit wegen solcher dem General Gorecki verliehenen Grundstücke erhoben, welche der Staat für Advokazien hielt, die Gorezkischen Erben aber für Skultezien erklärten8. Im Jahre 1787 sei ein Vergleich wegen dieser Grundstücke versucht worden, worin dem Besitzer eine jährliche Nutzung von 1700 f. oder das entsprechende Kapital angeboten wurde. Dieser Vergleich kam nicht zustande. Es wurde der Rechtsweg ergriffen, das erflossene Urteil sprach die bBerichtigung des Einkommens von diesem Besitzeb aus, das galizische Gubernium erklärte aber, daß dieser administrative Gegenstand nicht auf den Rechtsweg gehöre, sondern im administrativen Wege ausgetragen werden müsse, cwas auch von der obersten Justizstelle ausgesprochen wurdec . Seitdem ist dieser Gegenstand noch immer anhängig, ohne daß über das Kapital oder die Früchte etwas entschieden worden wäre9.

Im Jahre 1847 wurde diese Sache Sr. Majestät vorgelegt, und es erfolgte der Ah. Ausspruch, daß die Qualität der gedachten Gründe als Skultezien nicht zweifelhaft sei, daß düber die Entschädigung auf Vergleich zu schließend, dabei aber auf die Skala vom Jahre 1811 Rücksicht zu nehmen sei10.

Bei der diesfalls bei dem Finanzministerium gepflogenen Beratung war man der Ansicht, daß man den Betrag vom Jahre 1787 bewilligen und denselben als Wiener Währung zu 250 f. auf Konventionsmünze reduziert (mit 40.000 f. Wiener Währung oder 16.000 f. Konventionsmünze) anbieten möge11.

Der Finanzminister kann sich mit dieser Ansicht nicht vereinigen. Er glaubt, daß das, was das Finanzpatent vom Jahre 181112 wegen Reduzierung vorschreibt, bloß auf geschlossene Verträge Beziehung nehme13; hier handle es sich aber um Ersatz für einen zugefügten Schaden. Der Finanzminister hat daher den Referenten angewiesen, mit der Partei wegen Ausmittlung dieses Ersatzes in eine Unterhandlung zu treten. Hierbei wurden von der|| S. 280 PDF || Partei zuerst 120.000 f., dann 90.000 f., 75.000 f. und zuletzt 63.000 f. gefordert, unter welchen letzteren Betrag nicht weiter hinunter gegangen werden wollte.

Der Finanzminister erkennt diesen Betrag als billig und dem der Partei zugefügten Schaden angemessen und erbat sich die sofort erteilte Zustimmung des Ministerrates, durch Auszahlung jenes Betrages gegen eine rechtsgiltige Urkunde diese veraltete Angelegenheit ihrer definitiven Erledigung zuzuführen. Er bemerkte schließlich, daß eine Verjährung hier nicht eingewendet werden könne, weil die Partei, und zwar siegreich, den Rechtsweg ergriffen hatte, und seitdem diese Sache im administrativen Wege immer anhängig blieb14.

VI. Einführung der sogenannten Ablassung vom Verfahren wegen Gefällsgesetzübertretungen in Ungarn, Kroatien etc. etc

Derselbe Minister brachte bezüglich des Verfahrens wegen Gefällsgesetzübertretungen die in den übrigen Provinzen geltende sogenannte Ablassung vom Verfahren auch für Ungarn, Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen, die Woiwodschaft Serbien, das Temescher Banat und die Militärgrenze in Antrag15.

Die Ablassung vom Verfahren besteht darin, daß, wenn der Gefällskontravenient die Strafe nach dem geringsten Ausmaße anbietet, diese angenommen und die Sache als abgetan betrachtet werden kann, ohne daß der Übertreter als gestraft und bei einer wiederholten Gefällsübertretung als Relapser erschiene. Die Aktivierung der Auflassung vom Verfahren in den genannten Ländern sei unbedingt notwendig, dort bestehe eine ähnliche Anordnung nicht, und da nun das Tabakmonopol, die Verzehrungssteuer etc. in diesen Ländern eingeführt wird, so könne für die große Anzahl von Übertretungen ein schnelles Verfahren zur Abtuung derselben nicht umgangen werden.

Die darüber vernommenen Landesbehörden erklärten sich einstimmig für die Ausdehnung jenes Verfahrens auf die oben genannten Kronländer, welche Verfügung nach der Ansicht des Finanzministers mittelst einer Ministerialverordnung zu erlassen wäre. Der Ministerrat erklärte sich damit vollkommen einverstanden16.

VII. Aufhebung des Judengeleitzolles in Galizien

Dem Antrage des Finanzministers, daß nunmehr die letzte Abgabe der Juden als solcher, in Galizien der sogenannte Judengeleitzoll, aufgehoben werde, wurde vom Ministerrate gleichfalls beigestimmt. Diese Abgabe wurde in Galiziene als Reziprozität gegen das Großherzogtum Warschau, wo diese Abgabe von den galizischen Juden abgenommen wird, fim Jahre 1812 neu eingeführtf .17 Nachdem aber im Königreiche Polen dieser Judenzoll|| S. 281 PDF || seit dem 13. Jänner d. J. aufgehört hat, was die galizische Finanzbehörde nun anzeigt, so ist kein Grund weiter vorhanden, denselben in Galizien noch bestehen zu lassen18.

Da es sich jedoch um die Aufhebung einer Abgabe handelt, so erbat sich der Finanzminister die Zustimmung des Ministerrates hierzu, welche, wie erwähnt, auch erteilt wurde19.

VIII. Bier- und Branntweinbesteuerung in der Militärgrenze

Der Finanzminister fand sich schließlich bestimmt, darauf aufmerksam zu machen, daß die von Sr. Majestät angeordnete Besteuerung des Biers und des Branntweins auch in der Militärgrenze daselbst noch nicht kundgemacht sei20. In den Ländern, die von der Militärgrenze nicht abgeschieden sind, soll diese Abgabe vom 1. März in Wirksamkeit treten. Wenn nun in der Militärgrenze mit diesem Zeitpunkte die Erzeugung des Branntweins und Bieres abgabenfrei wäre, so stünden aus den angrenzenden Ländern vielfache Beschwerden zu erwarten. Verwicklungen mit den Pächtern besorgt der Finanzminister nicht und ist bereit, wenn sie Entschädigungsforderungen stellen sollten, dieselben zu befriedigen. Die Verzögerung der Einführung dieser Abgabe in der Militärgrenze könnte durch nichts gerechtfertigt werden, wäre eine Ungerechtigkeit gegen die angrenzenden Länder, würde die Auktorität der Regierung schwächen und die dringend gewünschte Aufhebung der Zollinie verzögern.

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich übernahm es, dem Banus unverzüglich zu schreiben, der Ministerrat habe diese Angelegenheit in Erwägung gezogen und den Beschluß gefaßt, daß eine Fristverlängerung zur Einführung jener Abgabe in der Militärgrenze (welche der Ban bis 1. Juli d. J. gewünscht hat) nicht stattgegeben werden könne, daß übrigens bei der Einhebung dieser Steuer jede zulässige Milde einzutreten gund nach der Bemerkung des Kriegsministers – unter Aufrechthaltung des Grenzinstituts in seiner bisherigen militärischen Organisation zu gescheheng habe21.

IX. Aufnahme bosnischer Flüchtlinge in Dalmatien

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte zwei ihm aus Dalmatien zugekommene Berichte zur Kenntnis des Ministerrates, nach welchen infolge der Ereignisse in Bosnien Flüchtlinge nach Dalmatien übergetreten sind, nämlich Kavass Baschi mit zwei Söhnen und sechs Begleitern, der sich in den österreichischen Schutz begeben und einstweilen nach Zara geschickt wurde, dann andere minder bedeutende Flüchtlinge an der Grenze22.

Damit man in Ansehung der Behandlung dieser Flüchtlinge gegenüber der Behandlung der österreichischen Flüchtlinge in der Türkei in keine Widersprüche gerate, wird der Minister Dr. Bach diese Berichte an den Ministerpräsidenten als Minister der auswärtigen Angelegenheiten leiten23.

X. Auszeichnung für Johann Buczewski

Derselbe Minister stellte hierauf den Antrag auf Verleihung des silbernen Verdienstkreuzes an den galizischen Gendarmen Buczewski, welcher sich bei der Einbringung eines gefährlichen Räubers sehr mutvoll benommen hat24.

Der Ministerrat erklärte sich damit ebenso wie

XI. Auszeichnung für Joseph Flakl

mit dem weiteren Antrage desselben Ministers einverstanden, dem von dem Kreispräsidenten Baron Kotz und von dem Statthalter in Böhmen Baron Mecséry sehr empfohlenen Bürger und Bürgermeister zu Jungbunzlau Flakl, der sich im Jahre 1848 um Aufrechthaltung der Ordnung bei der dortigen Nationalgarde besonders ausgezeichnet hat, das goldene Verdienstkreuz mit der Krone von der ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken25.

XII. Unterlassung der Feier des 4. März 1849

Schließlich kam noch die von dem Ministerpräsidenten angeregte Frage zur Erörterung, ob heuer am 4. März, dem Jahrestage der Kundmachung der Reichsverfassung, irgend eine Feierlichkeit stattzufinden habe oder nicht.

Für die Bejahung dieser Frage erklärten sich die Minister Ritter v. Krauß, Edler v. Thinnfeld, Baron v. Csorich und Freiherr v. Krauß. Die dafür geltend gemachten Gründe waren, daß im vorigen Jahre an diesem Tage eine Kirchenfeierlichkeit stattgefunden hat26, was, da sich die Umstände nicht geändert haben, auch heuer geschehen könnte, daß man der Unterlassung einer Feierlichkeit eine politische Bedeutung zuschreiben würde und diesen Umstand sehr wahrscheinlich dazu benützen würde, um Mißtrauen gegen die Regierung zu erregen.

Für die Unterlassung jeder Feierlichkeit waren die Minister Dr. Bach, Freiherr v. Kulmer, Graf v. Thun, Feiherr v. Bruck und der Ministerpräsident, somit die mehreren Stimmen,|| S. 283 PDF || hauptsächlich aus dem Grunde, daß diese Feierlichkeit besonders angeordnet werden müßte, daß im vorigen Jahre außer den Ministern und einigen Beamten nur wenige Leute in der Kirche waren und daß das Publikum überhaupt daran keinen Anteil genommen hat.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 6. März 1851.