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Nr. 457 Ministerrat, Wien, 22. Februar 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; BdE. (Schwarzenberg 23. 2.), BdE. und anw. P. Krauß 26. 2., Bach 28. 2., Bruck, Thinnfeld 26. 2., Thun, Csorich (außer IX–X), K. Krauß, Kulmer (außer X) 26. 2.; außerdem anw. Werner (nur bei I); abw. Schwarzenberg, Stadion.

MRZ. – KZ. 615 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 22. Hornung 1851.

I. Salzlieferungsvertrag mit Serbien

Der Finanzminister referierte im Beisein des zur Sitzung eingeladenen Unterstaatssekretärs des Ministeriums des Äußern Freiherrn v. Werner über den mit der serbischen Regierung verabredeten Salzlieferungsvertrag.

Nach dem Inhalte dieses Vertrags, der im wesentlichen mit den vom Finanzministerio vorgezeichneten Bestimmungen übereinstimmt, werden der serbischen Regierung jährlich vier Millionen Oka Salz aus Siebenbürgen nach Belgrad und noch einer zweiten Station zu liefern, die Salzhütten an der Grenze zu kassieren und der Salzschmuggel möglichst zu verhindern sein.

Da hiermit den österreichischen Salinen ein bedeutender Absatz ihrer Produkte zu einem angemessenen Preis gesichert ist, so stellt sich der Abschluß dieses Vertrags als vorteilhaft dar, und der Finanzminister beantragte dessen Ratifikation1.

Was die Form dieser letzteren betrifft, so wäre nach dem Erachten des Freiherrn v. Werner dieselbe in eben der Art zu erteilen, in welcher sie von der serbischen Regierung bereits vollzogen worden, nämlich adie Ratifizierunga mittelst der Unterschrift desb Ministers der auswärtigen Angelegenheiten.

Der Finanzminister wird daher den Vertragc an den Minister des Äußern zu gleichem Endzwecke leiten.

Der Ministerrat war sowohl quoad thesim als auch quoad formam mit dem Antrage einverstanden2.

II. Nachsicht der Kriminalurteilsfolgen für Joseph Peter Accerboni

Der Justizminister referierte über das Gesuch des wegen schwerer Verwundung eines Unruhstifters bei einem Krawalle zu 14-tägigem Kerker verurteilten Schiffskapitäns|| S. 272 PDF || in Triest Joseph Peter Accerboni um Nachsicht der gesetzlichen Folgen dieser Verurteilung, insbesondere des Verlusts seines Schiffspatents.

Der Antrag des Justizministers ging dahin, dem Accerboni die Folgen seiner Verurteilung mit Ausnahme jener, welche privatrechtlicher Natur sind (Entschädigung des Verwundeten) nachzusehen und ihn in die politischen und bürgerlichen Rechte und insbesondere in den Besitz des Patents wieder einzusetzen.

In der Hauptsache mit dem Antrage einverstanden, fand es der Minister des Inneren nicht angemessen, daß bei diesem von Sr. Majestät zu erteilenden Gnadenakte die im Grunde von selbst verstandene Ausnahme der dem Zivilrechtswege vorbehaltenen Entschädigungsansprüche erwähnt werde.

Demnach modifizierte der Justizminister unter Beistimmung des Ministerrates dahin, daß mit Hinweglassung der die Entschädigung betreffenden Klausel sich darauf beschränkt werde, dem Accerboni die Wiedereinsetzung in die politischen und bürgerlichen Rechte und in den Besitz des Patents zu bewilligen beziehungsweise bei Sr. Majestät zu beantragen3.

III. Todesurteile

Derselbe Minister referierte über die Todesurteile a) wider Johanna Zwitschek, b) Eva Barthelt wegen Mordes, c) wider Peter Bressi wegen Hochverrats mit dem Antrage auf Nachsicht der Todesstrafe, bei c) sogar auf vollkommene Begnadigung, nachdem Bressi, wiewohl erst nach verstrichenem Amnestietermin, doch freiwillig in die Lombardie zurückgekehrt ist4; endlich

IV. Strafrestnachsicht für Johann Richter

über das Gesuch um Nachsicht des Strafrests per einem Jahr für den wegen Betrugs zu vierjährigem Kerker verurteilten Johann Richter mit dem Antrage auf Gewährung, wogegen nichts zu erinnern gefunden wurde5.

V. Auszeichnung für Mathias Scheibenbauer

Der Minister des Inneren erhielt die Zustimmung des Ministerrates zu dem bei Sr. Majestät für dden Mesnerd Scheibenbauer auf Auszeichnung mit dem silbernen Verdienstkreuze zu stellenden Antrage6.

VI. Freihafenprivilegiumserweiterung für Venedig

Derselbe Minister referierte über das Resultat der infolge früheren Ministerratsbeschlusses angeordneten kommissionellen Erhebung und Beratung über die Verbesserung der ökonomischen Verhältnisse der Stadt Venedig7.

Nach dem Berichte des Statthalters stellt sich das Mißverhältnis in den Einnahmen und Ausgaben der Stadt in der Hauptsache als behoben dar. Aber es wird zur völligen Beruhigung|| S. 273 PDF || der Bevölkerung und als einziges Mittel, dem gänzlichen Verfall dieser Stadt Einhalt zu tun, die dringende Bitte um Wiedereinführung der Hafenfreiheit für ganz Venedig gestellt8.

Da dieser Gegenstand vornehmlich die Ministerien des Handels und der Finanzen, zum Teil auch das Kriegsministerium angeht, so vereinigte man sich bezüglich der Form der diesfalls einzuleitenden Verhandlung dahin, daß das Kommissionsoperat und der Bericht des Statthalters im schriftlichen Wege an die einschlägigen Ministerien geleitet werde9.

VII. Unbedingte Zulassung des Loskaufs vom Militär

Bei dem Bestande der nunmehr eingetretenen friedlichen Verhältnisse glaubte der Minister des Inneren die Aufhebung derjenigen Beschränkungen bevorworten zu sollen, welche in den Bestimmungen der Vorschrift vom 23. Dezember 1849, wornach jedem Militärpflichtigen zu jeder Zeit gestattet ist, sich durch den Erlag der Taxe vom Militär freizumachen, für die Kriegszeit angeordnet worden waren10.

Man hatte zwar bereits eine teilweise Erleichterung zugestanden, indem man die Loskaufung zuerst denjenigen erlaubte, welche nach dem übereinstimmenden Erkenntnis der Zivil- und Militärlandesbehörde bei Hause notwendig sind, sofort aber auch denjenigen, deren Anwesenheit bei Hause eben nach der übereinstimmenden Ansicht der beiden Autoritäten als wünschenswert sich darstellt11.

Es ist aber diese Übereinstimmung nur selten zu erzielen, da die Beurteilung dieses Verhältnisses von der subjektiven Auffassung abhängt und der Willkür sowie der Schikane den weitesten Spielraum gestattet.

Wirklich liegen besonders aus dem lombardisch-venezianischen Königreiche mehrere Verhandlungen zur Entscheidung des Ministeriums vor, in denen die Landesautoritäten sich über die Erwünschlichkeit der Anwesenheit eines Rekruten bei Hause nicht einigen konnten12. Um nun solchen, auch bei den Ministerien nicht anders als nach subjektiver Beurteilung zu lösenden Verwicklungen ein Ende zu machen, war der Minister des Inneren des Erachtens, daß auf die ungeschmälerte Wirksamkeit der Vorschrift vom 23. Dezember 1849 umso mehr zurückzukommen wäre, als nach allen eingelangten Berichten das Resultat der letzten Rekrutierung allenthalben – und auch im lombardisch-venezianischen Königreiche – ein befriedigendes gewesen ist.

Der Kriegsminister erklärte sich gerne bereit, auf diesen Antrag einzugehen, nur erbat er sich vorläufig die (auch zugesicherte) Mitteilung über den Stand der Abstellungen im|| S. 274 PDF || lombardisch-venezianischen Königreiche, wo allein die Sache einige Schwierigkeit haben dürfte, weil die italienischen Regimenter gewöhnlich unter ihrem kompletten Stande zurückbleiben13.

VIII. Verbesserung eines meritorischen Übersetzungsfehlers im Reichsgesetzblatt

Der Finanzminister brachte die Frage zur Sprache, in welcher Form ein in materia legis bei der Übersetzung unterlaufener Fehler im Reichsgesetzblatte zu verbessern sei.

In dem Gesetze über den Kartenstempel war nämlich der Ausdruck „geglättete Karten“ im italienischen mit „carte incollate“, „geleimte Karten“ übersetzt und hierdurch die Stempelung dieser letzteren ganz ordinären Sorte nach einer höheren Klasse – den wahren Bestimmungen des Gesetzes zuwider – veranlaßt worden14.

Nach dem Erachten des Vorstehers des Reichsgesetzblatt-Redaktionsbüros wäre dieser Irrtum durch die bloße Aufnahme der richtigen Textierung in das nächsterscheinende Gesetzblatt und Widerrufung der irrigen zu berichtigen.

Der Minister des Inneren würde auch diese Form in der Regel für die angemessene halten, weil das Redaktionsbüro als das offizielle Organ zur Verkündigung der Gesetze in den landesüblichen Sprachen für die Richtigkeit des diesfälligen Textes in jeder Sprache zu haften hat.

Da es sich indessen im vorliegenden Falle streng genommen um eine Abänderung des Gesetztes, wie es fürs lombardisch-venezianische Königreich hinausgegeben wurde, nämlich um die Zurückversetzung einer minderen Kartengattung in eine niedrigere Stempelklasse handelt, so erklärte sich sowohl der Minister des Inneren als auch der Ministerrat mit dem Antrage des Finanzministers einverstanden, daß die nötige Berichtigung in diesem Falle mittelst einer eigenen ministeriellen Kundmachung veranstaltet werde15.

IX. Einlösung der Mailand-Como-Monzaer Bahn

Der Finanzminister erbat sich und erhielt sofort die Zustimmung des Ministerrates zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Einlösung der Mailand-Monza und Comoer Eisenbahn für den Staat16.

Die Angelegenheit ist früher zwischen dem Finanz- und Handelsminister verhandelt worden. Beide erkennen die großen Vorteile, welche dem Staate aus der Einlösung dieser Bahn erwachsen, und ergibt sich aus der beabsichtigten Führung der großen Ferdinands-Eisenbahn über Bergamo fast die unbedingte Notwendigkeit zur Einlösung der Comoer|| S. 275 PDF || Bahn, weil die erstere in die letztere ausmündet, die Ausmündung der Staats- in eine Privatbahn aber höchst inconvenient sein würde17.

Die Aktien der Comoer Bahn sind größtenteils in den Händen des Hauses Eskeles, mit welchem der Vertrag abzuschließen kommt; für die im Lande selbst befindlichen Aktionäre wird die nachträglich Beibringung ihrer Erklärung gefordert. Die Monzaer Bahn ist gegen eine Rente an die Comoer Bahninhabung übergegangen. Als Ablösungspreis sind 16 Millionen Lire bedungen; von denselben würden eine Forderung des Ärars vom Jahre 1847 per 700.000 f. sowie eine zum Bau der Bahn vorgestreckte Summe von einer Millionen Gulden abzurechnen sein.

In bezug der letzteren war der Handelsminister anfangs der Meinung, daß selbe nur in dem Maße hier einzurechnen sei, als ausgewiesen wird, daß sie wirklich zum Bahnbau verwendet worden ist. Er ging jedoch von dieser Meinung wieder ab, nachdem der Finanzminister bemerkt hatte, daß der Wert der Bahn nicht nach dem verwendeten Baukapitale, sondern nach dem gegenwärtigen Zustande der Bahn angeschlagen worden ist.

Was die Zahlungsmodalitäten betrifft, so würde Eskeles den Kaufschilling in 4%igen, in neun Jahren rückzahlbaren Obligationen erhalten, deren Verzinsung, da sie im lombardisch-venezianischen Königreiche ohnehin in Silber geleistet werden müßte, von Eskeles im Auslande bedungen wurde. Auch wünscht er, daß die Obligationen nicht auf den Monte Lombardo-Veneto ausgestellt, sondern in Wien deutsch ausgefertigt werden, um sich hierdurch den Umsatz derselben im Auslandee zu erleichtern.

Gegen keine dieser Stipulationen ergab sich eine Erinnerung18.

An der Beratung des vorstehenden Gegenstandes hat der Kriegsminister, an jener der folgenden nebstdem auch der Minister Baron Kulmer nicht mehr teilgenommen.

X. Auszeichnungen

Der Minister für Landeskultur und Bergwesen erhielt die Beistimmung des Ministerrates zu nachstehenden, bei Sr. Majestät zu stellenden Auszeichnungsanträgen: a) für den Gmundener Salzoberamtskassier Tittelberg, welcher 52 Jahre treu und erfolgreich gedient hat, das goldene Verdienstkreuz; b) für den Haller Sudmeister Reisacher für dessen 50jährige Dienstleistung das silberne Verdienstkreuz mit der Krone; c) für den ebenfalls durch 50jährige Dienste ausgezeichneten Ärarförster Straub das goldene Verdienstkreuz; d) für den um die Landeskultur in Dalmatien sehr verdienten Gutsbesitzer || S. 276 PDF || Cassina Zanettovich das goldene Verdienstkreuz; e) für den vom obderennsischen Statthalter wegen seiner Wirksamkeit für die Forstkultur als verdient bezeichneten Privatförster Vogel das goldene Verdienstkreuz19.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 2. März 1851.