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Nr. 448 Ministerrat, Wien, 29. Jänner 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 30. 1.), P. Krauß 31. 1., Bach 31. 1., Bruck, K. Krauß, Thinnfeld, Thun, Kulmer 31. 1.; abw. Csorich, Stadion.

MRZ. – KZ. 254 –

Protokoll der am 29. Jänner 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Erläuterung des § 408 der Strafprozeßordnung bezüglich der Entschädigungsausmittlung

Der Justizminister Ritter v. Krauß brachte eine Gesetzeserläuterung zur Strafprozeßordnung zum Vortrage. Der Richter hat die Pflicht, die Entschädigung auszumitteln, wenn das Urteil gefällt wird. Kann die gestohlene, geraubte oder wie immer dem Eigentümer entzogene Sache demselben wieder zurückgestellt werden, so hat dieses zu geschehen. Kann die Zurückstellung nicht mehr eintreten, so verordnet der § 408 der unterm 17. Jänner 1850 kundgemachten provisorischen Strafprozeßordnung1 folgendes: „Wenn das dem Beschädigten entzogene Gut nicht mehr zurückgestellt werden kann, sowie in allen Fällen, wo es sich nicht um die Rückstellung eines entzogenen Gegenstandes, sondern um eine Schadloshaltung oder Genugtuung handelt, hat der Gerichtshof das Maß der Entschädigung nur dann im Urteile festzusetzen, wenn sowohl die Person, welcher die Entschädigung gebührt, als auch der Betrag des Schadens aus der Verhandlung mit Zuverlässigkeit entnommen oder letzterer erforderlichen Falles nach vorhergegangener Mäßigung durch den Schätzungseid erhoben werden kann. Außerdem ist die Verweisung auf den Zivilrechtsweg auszusprechen.“

Es haben sich, bemerkte der Justizminister, mehrere Zweifel ergeben, wie der Schätzungseid abzunehmen und wie diesfalls vorzugehen sei. Kann der Schaden, den ein Privatbeteiligter erleidet, durch die Zeugenaussage (Zeugeneid) des Beschädigten selbst oder in anderer Art erhoben werden, so ist nach dem § 408 der provisorischen Strafprozeßordnung vorzugehen; liegen keine solche Mittel vor, so hat das Gericht auf den Schätzungseid nach § 216 der allgemeinen Gerichtsordnung zu erkennen aund nach der eingetretenen Rechtskraft der Urteile die Abnahme des Schätzungseides einzuleitena . Auf diese Art, meint Ritter v. Krauß, würde jeder Zweifel behoben. Derselbe wird die von ihm vorgelesene|| S. 227 PDF || diesfällige Gesetzeserläuterung zur Ah. Entscheidung Sr. Majestät bringen, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte2.

II. Strafrestnachsicht für Karl Hoffmann

Der Schriftsteller Hoffmann in Pest wurde wegen einer im November 1848 verfaßten bund durch den „Spiegel“ veröffentlichtenb anstößigen Dichtung „Das Lied des Wehrmannes“, worin von Tyrannei, Zwingherrschaft u. dgl. gesprochen wird, von dem Kriegsgerichte zu einem zweijährigen schweren Kerker verurteilt, welches Urteil der Feldmarschall Fürst Windischgrätz bestätiget hat3. Hoffmann hat die Strafe am 26. März 1849 angetreten, und sie läuft am 25. März d. J. zu Ende. Die Mutter des Hoffmann bittet nun um die Nachsicht des Strafrestes für ihren Sohn und entschuldiget sein Vergehen durch seine Jugend und Unerfahrenheit. Das Kriegsgericht glaubt, da die Ruhe wieder hergestellt ist und Hofmann sein Lied in einer Zeit schrieb, wo die Wogen der Revolution noch hoch gingen, ihn der Ah. Gnade empfehlen zu können.

Der Justizminister gedenket unter den angeführten Verhältnissen die Nachsicht des Strafrestes für Hoffmann bei Sr. Majestät au. in Vortrag zu bringen, wogegen sich keine Erinnerung ergab4.

III. Lokalitäten für die Geologische Reichsanstalt

Der Minister für Landeskultur und Bergwesen Edler v. Thinnfeld erwirkte die Ermächtigung des Ministerrates für die Geologische Reichsanstalt5, welche gegenwärtig in mehreren Lokalitäten der Stadt eingemietet ist und keinen genügenden Raum hat, eine ganz passende Ubikation in der Vorstadt, nämlich das ehemalsc Rasumofskysche Palais vom Fürsten Liechtenstein auf die Dauer von zehn Jahren um den jährlichen Mietzins von 5000 f. in Bestand zu nehmen6.

Dieses Palais, welches bei 39 Zimmer und zwei große Säle dund sehr große unterirdische Räumlichkeitend hat, würde für die Anstalt vollkommen und auf lange Zeit genügen; die schweren Gegenstände würden in den ebenerdigen Lokalitäten, die Bibliothek und andere minder schwere Gegenstände im oberen Stock untergebracht werden können.

Nur der Finanzminister äußerte Bedenken gegen diese eMiete und insbesondere gegen diee lange Dauer des Kontraktes. Er bemerkte, daß eines von den Zeughäusern nach Herstellung des großen Artilleriegebäudes vor der St. Marxer Linie in nicht gar ferner Zeit wird geräumt werden müssen, dasselbe werde auch der Fall mit der Stückbohrerei sein, wo dann die Geologische Anstalt in einem dieser Gebäude untergebracht werden könnte; bis dahin sollte man sich nach seiner Ansicht mit den gegenwärtigen Lokalitäten|| S. 228 PDF || fund mit der Miete kleinerer Lokalitäten auf einen beschränkten Zeitraumf noch behelfen.

In Absicht auf den Betrieb der Geologischen Anstalt sprach der Finanzminister den Wunsch aus, daß nicht so große Massen Steine (350 Zentner) hergebracht werden mögen, von denen vielleicht 150–200 Zentner als unbrauchbar ausgeschieden werden, und die darauf verwendeten Kosten als unnütz erscheinen.

Übrigens wurde noch bemerkt, daß in dem mit dem Fürsten Liechtenstein abzuschließenden Mietkontrakte ausdrücklich zu erwähnen wäre, daß in dem gemieteten Gebäude große Lasten aufbewahrt werden sollen7.

IV. Vermögen des aufgehobenen Jesuitenkollegiums bei Linz

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Thun brachte hierauf nochmals die Angelegenheit wegen des Vermögens des aufgehobenen Jesuitenkollegiums bei Linz zur Sprache8.

Er bemerkte, der Erzherzog Maximilian von Este habe vor mehreren Jahren eine Stiftung zugunsten der gedachten Jesuiten gemacht und im ersten Absatze der Stiftungsurkunde angeordnet, daß der Konvent die ihm gewidmeten Realitäten nebst dem Zugehör so lange behalten möge, als er sie benützen kann. Im zweiten Absatze habe der Erzherzog die Summe von 50.000 f. Konventionsmünze in das volle Eigentum des Ordens mit der Anordnung überlassen, daß, wenn gaus was immer für einen Grunde das Ordenshaus auf dem Freinberge nicht länger bestehen könnte,g die Verfügung über diese 50.000 f. dem Ordensgeneral zustehen solle.

Dieser Orden wurde, wie bekannt, im Jahre 1848 aufgehoben und dessen Vermögen für den Staat inventiert. Es entstehe nun die Frage, ob diese 50.000 f. eingezogen werden sollen oder nicht. Die hierüber vernommenen Autoritäten waren verschiedener Ansicht. Die einen meinten, daß, da der Orden in Österreich aufgehoben wurde, nach den daselbst geltenden Grundsätzen dessen Vermögen inkameriert werden könne, während die anderen dafür hielten, daß, nachdem die Stiftungsurkunde Sr. Majestät vorgelegt und Ah. genehmiget wurde, kein Grund vorhanden sei, jene 50.000 f. einzuziehen, über welche die Disposition dem Ordensgeneral überlassen bleiben müsse.

Der Minister Graf Thun glaubt gleichfalls, daß, da die in Frage stehende Stiftung durch eine Ah. Entschließung genehmiget wurde, dem Staate nicht das Recht zustehen könne, jene 50.000 f. einzuziehen. Es bleibe eine Sache des Ordens, die Angelegenheit mit dem Erzherzoge Maximilian auszumachen.

Der Minister Dr. Bach bemerkte, es müsse, was die staatsrechtliche Frage anbelangt, erörtert werden, in welches Verhältnis der Staat zu dem Orden getreten ist und ob der Staat das Gut der aufgehobenen Klöster erwirbt. Nach der in Österreich angenommenen|| S. 229 PDF || Theorie müßte das letztere bejaht werden, da das Eigentum der aufgehobenen Klöster als herrnlos dem Staate zufällt.

Eine zweite Frage sei, ob der Erzherzog Maximilian das Kapital (nicht bloß das Geld, sondern auch die Realitäten) zurückfordern kann, und dieses Verhältnis zwischen dem Staate und dem Erzherzoge ist privatrechtlicher Natur. Hierüber haben die Autoritäten sehr verschiedene Ansichten ausgesprochen. Das Reservat des Erzherzogs, daß für den Fall des Aufhebens des Ordens das Kapital dem Ordensgeneral zur Disposition überlassen werden solle, machte die Sache zweifelhaft.

Nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach muß, wenn der Jesuitenorden in Österreich aufhört, die Disposition über jene 50.000 f. als Eigentum des Ordens dem Ordensgeneral überlassen werden.

Würde aber der Orden ganz aufgehoben, so entstünde die Frage, ob die Bestimmung des Erzherzogs noch feststehe, da die 50.000 f. dem Orden als solchen und zu Ordenszwecken gewidmet wurden. Die die Stiftung genehmigende Ah. Entschließung habe das Heimfallsrecht nicht aufheben wollen, und durch die Genehmigung der Bestimmung des Erzherzogs ist höchstens das Heimfallsrecht nur beschränkt worden.

Unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, glaubt der Minister Dr. Bach, daß der Staat dermal kein Recht habe, diese 50.000 f. zu behalten. Derselbe würde es aber vor diesem Ausspruche für angemessen halten, diesen Gegenstand der Begutachtung des Reichsrates vorzubehalten.

Der Justizminister Ritter v. Krauß erklärte sich in der Hauptsache mit den Ansichten des Ministers des Inneren einverstanden. Das Heimfallsrecht des Staates auf herrnlose Sachen stehe fest. Der hier besprochene Gegenstand sei aber nicht herrnlos, weil über dieses Eigentum der Erzherzog gleichsam durch eine fideikommissarische Substitution disponiert hat, indem er das Kapital dem Kollegium bei Linz, und wenn es aufgehoben werden sollte, die Disposition darüber dem Ordensgeneral übertragen hat. Ob der Erzherzog berechtiget war, darüber in dieser Art zu verfügen, über diese Frage sei der Ministerrat nicht ermächtiget abzusprechen, hindem diese Verfügung die Ah. Sanktion erhalten hath .

Nach der Ansicht des Justizministers habe der Staat (staats- und privatrechtlich) nicht das Recht, das gedachte Kapital einzuziehen. Nach seiner Meinung wäre darüber der Reichsrat nicht zu vernehmen, weil der Reichsrat über die dem Ministerrate zustehende Frage, ob jenes Kapital dem Staate zuzusprechen sei oder nicht, nicht entscheiden, isondern nur ein Gutachten erstatten könnte, welches doch der Entscheidung oder Erledigung des Ministerrates unterlegt werden müßte.i Überdies werde der Reichsrat nur Gesetze und nicht Fiskalitäten zu beraten haben. Gegen die Vernehmung des Reichsrates spreche auch der Umstand, daß dadurch eine Ah. Entscheidung in Frage gestellt würde.

Mit diesen Ansichten des Justizministers erklärte sich der Ministerrat und, was die Nichtvernehmung des Reichsrates anbelangt, auch der Minister Dr. Bach einverstanden9.

V. Wahl des Troppauer Bürgermeisters

Zum Bürgermeister von Troppau wurde der dortige bisherige Bürgermeister Rossy, ein rühriger, sehr ordentlicher Mann, ein Mann, der allgemeines Vertrauen in der Gemeinde genießt, gewählt.

Dem Antrage des Ministers Dr. Bach, die Ah. Bestätigung dieser ordnungsmäßig vorgenommenen Wahl von Sr. Majestät zu erbitten, wurde beigestimmt10.

VI. Chargenvermehrung bei der Wiener Polizeiwachmannschaft

Derselbe Minister bemerkte nachträglich zur Organisierung der Polizeiwachmannschaft in Wien, es habe sich bei der Durchführung dieser Organisierung gezeigt, daß die Chargen für diese Wachmannschaft in zu geringer Zahl bemessen seien11. Es werden nun 20 Korporäle und 20 Feldwebel mehr angetragen, wogegen aber wieder 46 Individuen bei den Gemeinen in Ersparung kommen. Die Kostendifferenz beträgt 2000 bis 3000 f. Der Minister Dr. Bach fände keinen Anstand, diese Änderung zur nachträglichen Genehmigung Sr. Majestät vorzulegen, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte12.

VII. Entschädigung für die Aufhebung der Freigelder von Auszüglern in Oberösterreich

Vor einiger Zeit hat der Minister des Inneren über die Behandlung der Entschädigungen für die Aufhebung der sogenannten „Freigelder“ von den Auszüglern in Oberösterreich in der Absicht vorgetragen, um darüber die Ah. Entschließung Sr. Majestät einzuholen13. Es wurde aber nach einer Bemerkung des Finanzministeriums beschlossen, mit der Vorlage dieser Sache an Se. Majestät so lange zuzuwarten, bis über die schwebende Frage, nach welchen Grundsätzen das Laudemium zu behandeln sei, ein Beschluß gefaßt sein werde.

Der Minister Dr. Bach hält es wegen des Fortschreitens der Operation für wünschenswert, über die oberwähnte, mit den Laudemien in keinem notwendigen Zusammenhange stehende Angelegenheit den au. Vortrag Sr. Majestät schon jetzt zu erstatten, wogegen sich keine Erinnerung ergab14.

VIII. Wahlrecht des Staates als Besitzer steuerbarer Liegenschaften

Der Minister Dr. Bach brachte weiter die Frage in Anregung, ob der Staat als Besitzer steuerbarer Liegenschaften in einer Gemeinde auch das Wahlrecht in der Gemeinde zu üben habe. Nach seiner und des ihm beistimmenden Ministerrates Ansicht ist diese Frage zu bejahen, weil der Staat von seinen in der Gemeinde liegenden Gründen und Häusern die Lasten zu tragen hat, womit der Pflicht auch das entsprechende Recht verbunden sein muß, und politische Gründe dafür sprechen, daß der Staat in der gedachten Beziehung wie jeder andere Privatbesitzer behandelt werde. Das gedachte Wahlrecht kann der Staat durch seine Beamten ausüben15.

IX. Auszeichnung einiger Mitglieder des Wiener Gemeinderates

Der Vorstand des Wiener Gemeinderates machte auf mehrere Mitglieder dieses Rates behufs ihrer Auszeichnung aufmerksam. Diese sind: der Handelsmann Miller, Professor Kaiser, Primararzt Folwarczny, der Gemeinderat Koch, v. Schiffner, Handelsmann Lechner und Professor Stubenrauch. Von diesen glaubt der Minister Dr. Bach nur die ersten drei (Müller, Kaiser und Folwarczny), welche sich alle in dem Jahre 1848 mutvoll und unerschütterlich treu und anhänglich der Regierung bewiesen haben, für das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens in Antrag bringen, die übrigen aber gegenwärtig noch übergehen zu sollen.

Der Ministerrat stimmte diesem Antrage bei16.

X. Einberufung der sämtlichen Grundentlastungskommissäre nach Wien

Schließlich brachte der Minister des Inneren zur Kenntnis des Ministerrates, daß er die sämtlichen Vorstände der Grundentlastungskommissionen nach Wien auf den 8. Februar d. J. beschieden habe, um über die Durchführung der Kapitalsentschädigung einen endlichen Beschluß zu fassen. Auch haben sie das Präliminare des wahrscheinlichen Bedarfes der jährlichen Rente beizubringen, damit dann hiernach bei der Beratung der Zuschlag zu der Steuer bestimmt werden kann17.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 2. Februar 1851.