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Nr. 447 Ministerrat, Wien, 27. Jänner 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 28. 1.), P. Krauß 29. 1., Bach 29. 1., Bruck, Thun (außer V und VI), K. Krauß, Kulmer 29. 1.; abw. Thinnfeld, Csorich, Stadion.

MRZ. – KZ. 252 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 27. Jänner 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Neues Ministerium in Paris

Der Ministerpräsident machte die Mitteilung über die soeben eingelangte Nachricht von der Bildung eines neuen Ministeriums in Frankreich1 und übergab

II. Begnadigungsgesuch Anton Holls Ritter v. Stahlberg

ein Begnadigungsgesuch für Ritter v. Stahlberg dem Justizminister, wobei der Minister des Inneren bemerkte, daß er seines Orts dieses Gesuch nicht befürworten könnte, weil Stahlberg sich als ein sehr bedenkliches Individuum dargestellt und dessen Freilassung infolge eines speziellen Gnadenakts sicher einen ungünstigen Eindruck hervorbringen würde2.

III. Werbung des Schah von Persien um österreichische Lehrer

Der Schah von Persien hat seinen Hofdolmetsch Johann David, einen geborenen Österreicher, bevollmächtigt, in Österreich oder Preußen taugliche Lehrer für die montanistische Wissenschaft, für Medizin und Chirurgie, dann für den Infanterie-, Artillerie-, Genie- und Kavalleriedienst auf mehrere Jahre nach Persien zu engagieren3.

Der Ministerpräsident wird denselben, da gegen die Ausführung dieses Vorhabens nach dem Erkenntnisse des Ministerrats sich kein Bedenken ergibt, an die Minister für Unterricht, Berg- und Kriegswesen weisen, um dem Bevollmächtigten bei der Auswahl der sich etwa meldenden Personen behilflich zu sein. Dabei würde aber die Vorsicht nicht|| S. 222 PDF || außer Acht zu lassen sein, den Bewerbern zu erklären, daß die österreichische Regierung keine wie immer geartete Garantie für die Zuhaltung der vom persischen Hof gemachten Verheißungen leiste4.

IV. Wiener Bürgermeisterstelle

Der Minister des Inneren referierte über die gestern stattgehabte Wahl des Dr. v. Seiller zum Wiener Bürgermeister, und erhielt die Zustimmung des Ministerrats zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Ah. Bestätigung dieser vollkommen gesetzmäßig vorgenommenen und bezüglich der Persönlichkeit des Gewählten erfreulichen Wahl5.

V. Modifikation der Vorschrift über die von Urbarialentschädigungsvorschüssen Ausgeschlossenen in Ungarn

handelt es sich um die Entscheidung der zwischen den Ministerien des Inneren und der Finanzen gepflogenen Verhandlung über die Zulassung der politisch kompromittierten, nachmals aber amnestierten Individuen in Ungern zur Beteilung mit Urbarialentschädigungsvorschüssen6.

Nach der Vorschrift vom 8. August 1850 § 4 sind von der Beteilung mit derlei Vorschüssen alle diejenigen ausgeschlossen, welche wegen eines politischen Vergehens untersucht und nicht für schuldlos erklärt worden oder flüchtig sind7.

Nach dem strengen Wortlaute dieser Bestimmung wären also ausgeschlossen: alle, welche wegen des politischen Verbrechens in Untersuchung waren, wo aber der anhängige Prozeß aufgelassen wurde; die ab instantia Abgeurteilten, endlich alle Verurteilten, wenn sie auch später begnadigt worden sind.

In Ansehung der ersteren, deren anhängige Prozesse niedergeschlagen wurden, fand es der Minister des Inneren offenbar zu hart, selbe von der Teilnahme an den Vorschüssen auszuschließen; ein Urteil ist wider sie nicht ergangen, und es ist wohl anzunehmen, daß viele, hätte die Untersuchung ihren Lauf gehabt, wären für schuldlos erkannt worden, wo ihnen dann der Anspruch auf den Vorschuß zustand.

Für die Zulassung der ab instantia Abgeurteilten schienen dem Justizminister Billigkeitsrücksichten zu sprechen; und selbst für die Verurteilten, später jedoch durch die Gnade Sr. Majestät Begnadigten glaubte der Minister des Inneren die Ah. Gnade Sr. Majestät in Anspruch nehmen zu dürfen.

Der Finanzminister bemerkte zwar, daß bei Gewährung dieser Begünstigung der Unterschied zwischen Reinen und Bemakelten festgehalten werden sollte, nachdem aber dieser Unterschied sich mit der Zeit verwischt und es sich vornehmlich um die Beruhigung des Landes handelt, so wäre auch er, Finanzminister, nicht entgegen, daß bei Sr.|| S. 223 PDF || Majestät zugunsten der ab instantia Abgeurteilten sowie der Verurteilten, aber von Sr. Majestät Amnestierten bezüglich der Teilnahme an den Urbarialent­schädigungsvorschüssen eingeschritten werde.

Der Minister des Inneren wird in diesem Sinne den Vortrag an Se. Majestät erstatten8.

VI. Todesurteile

Der Justizminister referierte über die Todesurteile a) wider Gavrila Szemenye und Traila Flori wegen Mordes mit dem Antrage, die Todesstrafe gegen erstern vollziehen zu lassen, dem letzteren dagegen nachzusehen; b) wider Leon Głodkiewicz wegen Nachmachung öffentlicher, als Münze geltender Kreditpapiere mit dem Antrage auf Nachsicht der Todesstrafe, wogegen nichts zu erinnern war9.

Der Unterrichtsminister hat an der Besprechung der Punkte V und VI nicht teilgenommen.

VII. Ergebnis der Sitzung des Bankausschusses vom 13. d. [M.]

Der Finanzminister referierte über die am 13. d. [M.] gefaßten Beschlüsse des Bankausschusses10.

Dieselben betreffen a) die Festsetzung der Dividende pro 1850; b) Die Verzichtung auf die 3%igen Zinsen der gegen Banknoten verwechselten Kassaanweisungen per 900.000 fr.; c) die Wiedererwählung der resignierten zehn Bankdirektoren und die Neuwahl zweier Direktoren an die Stelle des nach Ablauf seines Trienniums ausgetretenen Baron Puthon und des verstorbenen Barons Schloissnigg.

Die Beschlüsse ad a) und b) hätten bloß zur Kenntnis zu dienen; ad c) unterläge es keinem Anstande, die auf Baron Puthon und Biedermann gefallene Wahl für die erledigten zwei Stellen der Ah. Bestätigung zu unterziehen. Was die Wiedererwählung der zehn resignierten Direktoren anbelangt, so ist nach dem Ministerratsbeschlusse vom 11. d. [M.] sub VIII. die Annahme der Resignation von Sr. Majestät noch vorbehalten worden. Da nun diese Resignation nach der eigenen Erklärung der Direktoren nur in der Absicht gegeben wurde, um zu erproben, ob der Bankausschuß den Direktoren fortan sein Vertrauen schenke, dieser aber durch die Wiedererwählung derselben sich unzweideutig geäußert hat, so wäre nach dem Erachten des Finanzministers in dem diesfälligen Wahlakt gar nicht einzugehen, sondern einfach zu erklären, Se. Majestät sähen hierdurch die eingereichte Resignation der zehn Direktoren für behoben an.

Der Minister des Inneren wünschte, daß den Direktoren die Unschicklichkeit des ganzen Vorgangs, insonderheit die Überreichung der Resignation auf ein von Sr. Majestät übertragenes Amt ohne haltbaren inneren Grund eindringlicher, etwa durch die Erklärung zu erkennen gegeben werden sollte, sie hätten ihr Amt bis zur erfolgenden Reform des Bankinstituts zu behalten.|| S. 224 PDF ||

Er vereinigte sich aber nochmals mit der vom Handelsminister und vom Ministerpräsident vorgeschlagenen, sofort auch vom Finanzminister angenommenen Modifikation, daß unter Vorlage der Wahl für die zwei erledigten Direktorenstellen an Se. Majestät erklärt werde, der Ministerrat habe die von den zehn Bankdirektoren eingereichte Demission nicht für geeignet erkannt, Sr. Majestät vorgelegt zu werden, und sehe dieselbe nunmehr für behoben an, awas auch der Bankdirektion bekannt zu geben wärea .11

VIII. Auszeichnung für Andreas Fladt

Der Finanzminister erhielt die Zustimmung des Ministerrats zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Verleihung des silbernen Verdienstkreuzes mit Krone an den Körmender Kameralinspektorsakzessisten Flatt für die 1848 und 1849 sich erworbenen patriotischen Verdienste12.

IX. Auszeichnung für Georg Plenker

Dagegen zog er den Antrag auf Verleihung des Franz Joseph-Ordens an den Tabakfabrikendirektor Plenker auf den Wunsch des Ministerpräsidenten für dieses Mal noch zurück, indem nach dem Erachten des letzteren etwa die Beendigung der dem Plenker bei Errichtung der ungrischen Tabakfabriken vorliegenden Aufgabe abgewartet werden könnte13.

X. Auszeichnung für Franz Knobling

Gegen den Antrag auf Verleihung einer Zulage und des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone an den jubilierten Kanzleidiener des Finanzministeriums Knobling ergab sich keine Erinnerung14.

XI. Unterordnung der lombardisch-venezianischen Finanzwache unter Militärzucht

Der Finanzminister referierte über die vom Feldmarschall Grafen Radetzky behufs der Ausführung der Maßregeln gegen den Schleichhandel im lombardisch-venezianischen Königreiche verlangte Unterordnung der Finanzwache unter die militärische Zucht15.

Bei dem wesentlichen Unterschiede zwischen den Disziplinarstrafen beim Militär (Krummschließen, Prügel und Spießrutenlaufen) und bei der Finanzwache (Arrest, verschärfter Arrest, Abzüge, Entlassung) könnte der Finanzminister in eine unbedingte bAnwendung der Militärstrafen auf der Finanzwacheb für Dienstvergehen (von Verbrechen etc. ist ohnehin nicht die Rede) nicht willigen, weil die Mehrzahl der militärischen Züchtigungen für das Finanzwachkorps nicht passen.|| S. 225 PDF ||

Um indessen die fortan gegen die Ausrottung des Schleichhandels sich ergebenden Schwierigkeiten nach Möglichkeit zu heben, cglaubt der Finanzminister, daß der Antrag bei Sr. Majestät zu stellen wärec, daß die Finanzwachmannschaft unter die militärische Disziplin gestellt, unter die wider sie zu verhängenden Strafen auch das Krummschließen aufgenommen, Stockstreiche und Spießrutenlaufen aber jedenfalls ausgeschieden werden.

Der Ministerrat fand hiergegen nichts zu erinnern16.

XII. Interkalarien und Vorschuß für Giovanni Antonio Farina

Der Antrag des Kultus- und Unterrichtsministers auf Bewilligung eines Vorschusses von 14.000 Lire gegen Rückzahlung in zehn Jahresraten an den Bischof Farina von Treviso sowie auf Überlassung der Interkalarien an ihn17, dann

XIII. Auszeichnung für Mathias Forster

auf Erwirkung des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone für den Schullehrer Mathias Forster18, endlich

XIV. Auszeichnung für Joseph Milota

auf Abweisung des Ah. signierten Gesuchs der Gemeinde Znaim um eine Auszeichnung für den pensionierten Gymnasialkatecheten Pater Josef Milota, da derselbe bereits mit einer Zulage belohnt worden (ohne übrigens der Ah. Gnade Sr. Majestät vorzugreifen) gaben zu keiner Erinnerung Anlaß19.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 30. Jänner 1851.