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Nr. 445 Ministerrat, Wien, 22. Jänner 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 23. 1.), Krauß 27. 1., Bach 26. 1., Bruck, Thun, Csorich, Kulmer 22. 1.; abw. Schmerling, Thinnfeld, Stadion.

MRZ. – KZ. 254 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 22. Jänner 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Aufhebung des Pferdeausfuhrverbots in die Türkei

Der Ministerpräsident brachte die Anfrage in Vortrag, ob das von dem bestandenen ungrischen Ministerium im Jahre 1848 erlassene Verbot der Ausfuhr von Pferden aus der Woiwodina nach der Türkei nicht aufzuheben sei1.

Da der Ministerrat seinem Antrage auf die Aufhebung dieses unter den gegenwärtigen Umständen bedeutungslosen Ausfuhrverbotes beistimmte, so wird hiernach die Anfrage des FML. Mayerhofer erledigt werden2.

II. Verminderung des Armeeaufwandes

Der Kriegsminister zeigte mit Beziehung auf die Budgetberatung vom 20. d. M., II., an, was seines Orts zur möglichen Herabminderung des Armeeaufwandes bei Sr. Majestät wird in Antrag gebracht werden.

Da hierbei nicht unbedeutende Reduktionen eintreten sollen, so hofft er, eine wesentliche Erleichterung der Finanzen bewirken zu können; die nähere Berechnung der diesfälligen Ersparnisse wird nachgetragen werden3. Sofort teilte er

III. Bericht über die preußische Landwehr in Westfalen

den Bericht des FML. Mertens über den Stand der preußischen Landwehr in Westfalen pro statu notitiae des Ministerrates mit4.

IV. Pension des Franz v. Péchy

Der Minister des Inneren referierte über die wiederholte Bitte des Franz v. Péchy um Wiederanweisung der ihm von Sr. Majestät dem Kaiser Ferdinand angewiesenen Zulage von 600 fr. zu den ihm bewilligten jährlichen 1200 fr5. Letztere sind ihm freilich|| S. 208 PDF || unter der Bedingung angewiesen worden, daß er sich aller weitern Reklamationen und Behelligungen zu enthalten habe. Allein, da er seine diesfällige Bitte damit entschuldigt, daß er nur das begehre, was ihm bisher zugestanden war, übrigens wirklich gute Dienste geleistet hat, so war der Minister des Erachtens, daß ihm etwa für ein Jahr die 600 fr. wieder anzuweisen wären.

Der Finanzminister meinte, es dürften 300 fr. genügen, wornach Péchys Gesamtbezug [auf ] 1500 fr. käme; der Ministerrat überließ es aber dem Minister des Inneren , die Sache angemessen abzutun6.

V. Bürgermeisterwahl in Bozen

Eben derselbe trug auf die Bestätigung der auf Anton Kapeller gefallenen Wahl zum Bürgermeister von Bozen an, wornach – da nichts dagegen zu erinnern war – der Vortrag an Se. Majestät erstattet werden wird7.

VI. Ausweisung August Zangs aus Wien

Betrifft die Ausweisungsangelegenheit Zangs, ehemaligem Redakteur der Presse, aus Wien8. Da Zang als Bürger von Wien und Hauseigentümer hieher zuständig ist, so kann er gesetzlich von hier nicht abgeschafft werden. Selbst im Ausnahmszustande wäre eine solche Maßregel gegen ihn nur dann zu rechtfertigen, wenn sein Aufenthalt hier mit wirklicher Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbunden wäre. Der Minister des Inneren hat diese Rücksichten dem Gouverneur Baron Welden eröffnet, um ihn dadurch zur Zurücknahme der verfügten Ausweisung Zangs selbst zu bestimmen. Der Gouverneur beharrt jedoch auf seinem Beschlusse, indem er bemerkte, daß er, für die öffentliche Sicherheit in Wien verantwortlich, den Redakteur einer die Ruhe und Ordnung so sehr gefährdenden Zeitung hier nicht dulden könne9. Es muß hiernach von Seite des Ministeriums selbst über Zangs Reklamation entschieden werden, und diese Entscheidung kann, nach dem Vorausgelassenen und nach der Ansicht des hierüber neuerdings vernommenen Stadthauptmanns nur dahin ausfallen, daß dem Zang, als hieher zuständig, der hiesige Aufenthalt nicht zu verweigern sei, denn seine Zeitung ist eingegangen, und seine Person selbst ist nicht staatsgefährlich; endlich erscheint seine Verweisung nach Baden wenig geeignet, Beruhigung über ihn, wenn er zu fürchten ist, zu gewähren, da er täglich unbemerkt nach Wien kommen kann.

Der Ministerrat erkannte daher, daß die Ausweisung Zangs aus Wien nicht aufrechterhalten werden könne. Um indessen mit möglichster Schonung des Ansehens des Gouverneurs vorzugehen wird der Ministerpräsident demselben die Ansicht und den Beschluß des Ministerrats in einem eigenen Schreiben auseinandersetzten um ihn so vielleicht doch noch zur Zurücknahme der ofterwähnten Ausweisung zu bestimmen10.

VII. Wiedener Bezirkskrankenhaus

Der Minister des Inneren referierte über die Bestimmung wegen des Bezirkskrankenhauses auf der Wieden11.

Dasselbe ist aus den Mitteln des allgemeinen Krankenhaus- und des Hofspitalfonds erbaut worden. Nach den über dasselbe gepflogenen kommissionellen Erhebungen stellt sich der Fortbestand nicht nur dieses Krankenhauses, sondern auch die Errichtung mehrerer Krankenhäuser in Wien als ein Bedürfnis für die Bevölkerung, der Hofspitalfonds aber sowohl nach seiner Bestimmung als auch vermöge seiner einen jährlichen Überschuß von 21.000 fr. abwerfenden Einkünfte und seines bedeutenden Vermögens (außer zwei Herrschaften über eine Million Gulden in 4%igen Staatspapieren) zur Mitleidenschaft hierbei ganz geeignet dar. Es wird demnach der Antrag gestellt: 1. das Krankenhaus auf der Wieden als eine Filiale des Allgemeinen Krankenhauses zu erklären und unter dessen Verwaltung zu stellen, dann 2. Se. Majestät zu bitten, daß die zur Vollendung des Baus und der Einrichtung des erstern noch fehlenden Summen aus dem Vermögen des Hofspitalfonds vorgeschossen und die Rückzahlung aus den eigenen Einkünften des Krankenhauses mit einer mäßigen Verzinsung von 3 % mit jährlich 1 % an Kapital geleistet werde.

Über Einraten des Finanzministers modifizierte sofort der Minister des Inneren den Antrag ad 2. dahin, daß das Wiedener (und etwaige anderwärts in Wien zu errichtende) Krankenhaus vom Hofspitalfonds angekauft werde, dessen Eigentum verbleiben und der Krankenanstalt gegen einen mäßigen Zins überlassen werden soll.

Da der Ministerrat hiermit einverstanden war, so wird der Minister des Inneren hiernach den Vortrag an Se. Majestät erstatten und dabei zugleich die Punkte ausmitteln lassen, wo etwa noch neue Spitäler nötig sein dürften12.

VIII. Verfahren bei Ehekonsens­erteilung

Zur Erzielung eines gleichmäßigen Vorgangs bei Erteilung der Ehekonsense erbat sich der Minister des Inneren die Zustimmung des Ministerrats zu dem Antrage, daß hierbei in der Regel nach dem Einraten der Gemeinde vorzugehen und kein Ehekonsens gegen den bestimmt ausgesprochenen Willen der Gemeinde zu erteilen sei13.

Der Finanzminister bemerkte hierüber, daß diesem Antrage wohl die Rücksicht auf die der Gemeinde zur Last fallende Versorgung der Famillie des Ehewerbers zum Grunde liege; daß aber hiebei noch andere höhere, namentlich Rücksichten für die öffentliche Sittlichkeit zu beachten und auch nicht zu vergessen sein dürfte, wie wenig die Gemeinde durch Verweigerung des Ehekonsenses vor der Versorgung von Kindern etc. gesichert ist, wenn sich die abgewiesenen Ehewerber über die Rücksichten der Moral hinwegsetzen.|| S. 210 PDF ||

Auch provinzielle Verhältnisse und Gewohnheiten, Dichtigkeit der Population etc. dürften, wie nebst dem Finanzminister auch der Ministerpräsident bemerkte, bei der Beurteilung der einzelnen Fälle so wie bei etwaiger, jedenfalls wünschenswerter Normierung dieser Angelegenheit in Betrachtung gezogen werden müssen.

Der Minister Freiherr v. Kulmer machte hierbei auf ein in einem Teile des Agramer und Kreuzer Komitats beobachtetes Verhältnis aufmerksam, welches der Folgen wegen die ernsteste Beachtung verdient. Es ist die dort herrschende Sitte, daß Knaben von 13–14 Jahren und Mädchen mit 11–12 Jahren heiraten. Die Folge davon ist die auffallende Abnahme der Bevölkerung in diesen Gegenden, während im gebürgigen Teile des Agramer und Warasdiner Komitats, wo die Ehen in reifem Alter geschlossen werden, ein zahlreicher kräftiger Menschenschlag sich entwickelt, sterben in den zuerst gedachten Landesteilen ganze Familien, ja Dorfschaften aus, ja der Minister kennt eine Herrschaft, auf der bereits 250 Sessionen nach Aussterben der Familien ihrer einstigen Besitzer verödet stehen. Er glaubte daher, daß es sehr notwendig sein dürfte, diesem zuletzt zur völligen Verödung des Landes führenden Missbrauche durch irgendeine Verfügung der Regierung zu steuern.

Der Minister des Inneren sagte in dieser sowie in Beziehung auf die Anträge zur Normierung des ersterwähnten Gegenstandes seine Mitwirkung zu14.

IX. Vorschrift über die Staatsprüfungen

Der Unterrichtsminister referierte über die im Einvernehmen mit den einschlägigen Ministerien beratene Verordnung wegen der Staatsprüfungen15.

Selbe ist einstimmig zustande gebracht worden und nur in einem Punkte hat sich eine Meinungsdifferenz ergeben. Es ist nämlich allseitig beantragt, den Kandidaten für heuer eine Erleichterung dadurch zuzugestehen, daß sie neben der aallgemeinen nur eine der speziellen theoretischen Prüfungena abzulegen haben sollen. Hiebei war die Majorität der Kommission der Meinung, daß der Kandidat diejenige theoretische Prüfung zu machen habe, welche die Fächer umfaßt, deren Gegenstand die praktische Prüfung nicht ist.

Nachdem aber das Justizministerium einen besondern Wert darauf legte, daß die Kandidaten des Justizdienstes nebst der praktischen Justizprüfung auch die ihrem Fache entsprechende theoretische Prüfung machen, so wurde, um diesem Verlangen sowie dem für Kandidaten des administrativen Dienstes angenommenen Grundsatze zu entsprechen,|| S. 211 PDF || festgesetzt, daß jeder Kandidat nebst der allgemeinenb auch die theoretische Justizprüfung zu machen habe16.

X. Ankauf von zwölf Exemplaren des Grunerschen Ornamentenwerks

erhielt der Unterrichtsminister die Zustimmung des Ministerrates zum Ankaufe von zwölf Exemplaren à 80 Taler des von Gruner herausgegebenen Ornamentenwerkes (Specimens of ornamental art, London 1850) (größtenteils aus Kirchen des lombardischvenezianischen Königreichs entnommen) behufs der Beteilung der Kunstschulen damit – nachdem die hiesige Akademie ein Exemplar aus ihrem Fonds angeschafft hat17.

XI. Auszeichnung für Theodor Bauer

Der Handelsminister unterstützte den vom Statthalter in Mähren gemachten Antrag auf Verleihung des Eisernen Krone-Ordens III. Klasse an den Brünner Großhändler Bauer für die Verdienste, welche sich derselbe durch seine Reise nach Transkaukasien behufs der Anknüpfung von Handelsverbindungen erworben hat18.

Der Ministerrat, einverstanden mit dem Antrage auf eine Auszeichnung, war jedoch der Meinung, daß dieselbe durch Erteilung des für Verdienste dieser Art ganz besonders bestimmten Franz-Joseph-Ordens gewährt werden dürfte19.

XII. Ausscheiden einiger Abgeordneter zum Wiener Zollkongress

Ebendieser Minister machte die Mitteilung, daß bei der zweiten Sitzung des Zollkongresses hier mehrere Abgeordnete der hiesigen und Prager Industriellen die Versammlung verlassen haben, nachdem ihnen nicht gestattet worden, in die Prinzipienfrage selbst einzugehen, welche bereits vom Ministerium selbst zugunsten eines angemessenen Schutzsystems entschieden worden ist20.

Die Verhandlungen nehmen demungeachtet ihren Fortgang, und hofft der Minister, daß auch die gedachten Abgeordneten bei reiflicher Überlegung der Sache wieder eintreten werden21.

XIII. Auszeichnung für Peter Stofella etc

Zur Belohnung der Verdienste, welche sich verschiedene Personen um die Pflege kranker und verwundeter Offiziere und Soldaten in dem hier im Palais Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Albert und in Hietzing etabliert gewesenen Spitälern erworben haben, sind dem Kriegsminister zahlreiche Verdienstkreuz- und selbst eine Ordensverleihung bei Sr. Majestät zu beantragen vorgeschlagen worden22.

Der Kriegsminister glaubte sich darauf beschränken zu sollen, für den Arzt Dr. Stofella auf das goldene Verdienstkreuz mit und für den Operateur [Kajetan Fünkh] auf dasselbe ohne Krone, für die übrigen Personen aber auf die Bezeigung der Ah. Zufriedenheit anzutragen.|| S. 212 PDF ||

Der Minister des Inneren hielte dieses letztere schon für eine hinreichende Auszeichnung, und der Ministerpräsident fände überhaupt jetzt solche verspätete nachträgliche Belohnungen nicht mehr am Platze23.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 28. Jänner 1851.