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Nr. 440 Ministerrat, Wien, 8. Jänner 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; BdE. (Schwarzenberg 9. 1.), Csorich; Bde. und anw. Krauß 13. 1., Bach 15. 1., Schmerling 9. 1., Bruck, Thinnfeld 11. 1., Thun, Kulmer 11. 1.; abw. Schwarzenberg, Csorich, Stadion.

MRZ. – KZ. 27 –

Protokoll der am 8. Jänner 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung.

I. Todesurteil gegen Philipp Smutný

Der Justizminister Ritter v. Schmerling brachte infolge Ah. Befehls mit Beziehung auf das von dem Schwurgerichtshofe in Brünn gegen Philipp Smutný wegen des verübten Verbrechens des Meuchelmordes gefällte Todesurteil und den gleichzeitig gestellten Antrag, ihm die verwirkte Todesstrafe nachzusehen1 und dafür die angedeutete zeitliche Strafe zu substituieren (welchem letzteren Antrage Se. Majestät Folge zu geben geruhen wollen), die Frage zur Erörterung, was in Schwurgerichtsfällen bei Todesurteilen, welche nun im Wege des Obersten Gerichtshofes an Se. Majestät gelangen, zu geschehen habe, ob nämlich, da nach der dem Ministerrate geschehenen Mitteilung die bisherige Art des Vorganges in solchen Fällen Sr. Majestät mehr Beruhigung gewährt hat, vor der Vorlegung solcher Urteile an Allerhöchstdieselben noch das Gutachten des Obersten Gerichtshofes einzuholen sei oder nicht.

Der Justizminister bemerkte, daß er sich deshalb mit dem Generalprokurator und anderen Männern vom Fache beraten habe. Nach der Äußerung dieser Männer ist die Umgehung des Obersten Gerichtshofes dem Systeme der gegenwärtigen Justizgesetzgebung vollkommen angemessen und damit motiviert, daß es bei jedem anderen als dem Schwurgerichtshofe sehr schwierig wäre, wegen der stattgehabten mündlichen Verhandlung und wegen des Vorhandenseins von nur geringen Materialien in ein meritorisches Gutachten in solchen Fällen einzugehen. Diese Männer verkannten übrigens die daraus sich ergebende Inkonvenienz nicht, wenn Se. Majestät in so wichtigen Fällen nur den Antrag eines minder zahlreichen Gerichtshofes vorliegen habe, ferner, daß bei den Schwurgerichten keine allgemeine Übersicht, kein höherer Gesichtspunkt vorauszusetzen und deshalb zu besorgen sei, daß aus den verschiedenen Kronländern in gleichen Fällen ganz verschiedene, bald strengere, bald mildere Urteile und Gnadenanträge vorkommen werden.

Nach der Ansicht der vernommenen Fachmänner ist es weiter dem Rechte in keiner Beziehung entgegen, wenn Se. Majestät Sich in solchen Fällen, wen immer, zu Allerhöchst ihrem Ratgeber nehmen. Daß dieser Ratgeber am angemessensten der Oberste Gerichtshof, das höchste Justiztribunal, an welches bisher alle Todesurteile kamen, wäre, könne keinem Zweifel unterliegen.

|| S. 180 PDF || Der Justizminister meint, daß für die Zukunft alle Todesurteile von den Schwurgerichtshöfen an den Obersten Gerichtshof zu gelangen hätten, und daß es, um nicht den Umweg durch das Ministerium dahin nehmen zu müssen, am einfachsten und den Geschäftsgang beschleunigend wäre, wenn solche Urteile den Weg vom Schwurgerichtshofe unmittelbar an den Obersten Gerichtshof nehmen würden.

Nachdem der Schwurgerichtshof erwogen, ob ein Antrag auf Gnade zu stellen sei, und in diesem Falle, welche zeitliche Strafe statt der Todesstrafe zu substituieren wäre, hätte dann der ganze Akt an den Obersten Gerichtshof zu gelangen, welcher seinerseits keinen Ausspruch zu fällen, sondern als Ratgeber der Krone zu erwägen und den Antrag zu stellen hätte, ob nach dem Ausspruche des Schwurgerichtes vorzugehen sei, oder welche zeitliche Strafe im Gnadenwege allenfalls zu substituieren wäre.a

Es kam auch die Alternative zur Sprache, daß es vielleicht zweckmäßiger wäre, um den Obersten Gerichtshof hierbei unberührt zu lassen, eine solche Beratung im Justizministerium vornehmen zu lassen, was auch eine Abkürzung wäre; allein, dagegen wurde erinnert, daß bisher jedes Todesurteil vor den Obersten Gerichtshof, das höchste, sich der allgemeinen Achtung erfreuende Justiztribunal, kam, daß das Volk an diesen Gang gewohnt sei, und daß die Übertragung solcher Beratungen an das Justizministerium im Publikum keinen günstigen Eindruck verursachen dürfte; auch wurde die Angemessenheit hervorgehoben, daß der Justizminister in solchen Angelegenheiten für seine Person unbeteiligt zu bleiben hätte.

Der Justizminister bemerkte, daß er in dem besprochenen speziellen Falle des Smutný keinen genügenden Anhaltspunkt finden könnte, von seiner Seite auf eine Änderung der unlängst gegebenen Justiznormen anzutragen, sprach aber gleichzeitig den Wunsch aus, daß, da Se. Majestät Sich bei der Ausübung eines Gnadenaktes des Beirates wessen immer bedienen können, Allerhöchstdieselben allenfalls die Initiative mittelst eines Ah. Handschreibens zu nehmen und den Weg vorzuzeichnen geruhen dürften, auf welchem solche Anträge in der Zukunft in die Hände Sr. Majestät zu gelangen hätten.

Rücksichtlich der von dem Minister v. Thinnfeld gemachten Bemerkung, daß, da erfahrungsmäßig bei den verschiedenen Senaten des Obersten Gerichtshofes in gleichen Fällen so voneinander abweichende Anträge in der Strenge und Milde vorkommen, zur Erzielung einer Gleichförmigkeit bei den Begnadigungen in allen Kronländern es vielleicht zweckdienlich wäre, bei dem Obersten Gerichtshofe eine ständige Kommission aus den verschiedenen Senaten dieses Gerichtshofes zusammenzusetzen, welche immer dieselbe zu bleiben hätte, erinnerte der Justizminister , daß dieses das Internum des Obersten Gerichtshofes betreffe und dem Präsidenten desselben überlassen werden müßte.

Nach dem Beschlusse des Ministerrates ist die vorstehende Darstellung mittelst des vorliegenden Protokolles zur Ah. Kenntnis Sr. Majestät zu bringen, und Allerhöchstdenselben|| S. 181 PDF || anheimzustellen, ob aus dem besprochenen Falle ein Anlaß zu einer Verfügung und welcher genommen werden wolle2.

Die Ah. Entschließung auf den wegen Smutný erstatteten au. Vortrag des Justizministers hätte nach der Ansicht des Ministerrates in folgender Art zu lauten: Ich sehe dem Philipp Smutný die durch das Verbrechen des Meuchelmordes verwirkte Todesstrafe aus Gnade nach, und ist die für diesen Fall vom Schwurgerichte beantragte zeitliche Strafe in Vollzug zu setzen3.

b(Der Vollzug der zeitlichen Strafe in Provinzialstrafanstalten gehört nämlich zum Wirkungskreise der politischen Behörden.)b

II. Sekretärsstellen bei der ungarischen Statthalterei

Der Minister des Inneren Dr. Bach besprach hierauf einen Antrag des Baron Geringer, nachträglich zum politischen Status der Statthalterei in Ungarn czu dem systemisierten einen Sekretär nochc acht Sekretäre für die Statthaltereiräte und einen Präsidialsekretär, zusammen also neun Sekretäre zu systemisieren4. Für diesen Antrag wird außer dem Diensterfordernisse die nötige Rücksicht, für so viele nicht untergebrachte Beamte, welche nicht gleich als Statthaltereiräte angestellt werden könnten, aber als Sekretäre gute Dienste leisten können, dann der Umstand, daß bei den Kameralbehörden Sekretäre bestehen, geltend gemacht. Der Präsidialsekretär hätte einen Gehalt von 1800 f., von den übrigen Sekretären hätten vier 1400 f. und vier 1200 f. zu beziehen, was einen Gesamtmehraufwand von 12.200 f. darstellen würde.

Diesen Antrag, wogegen der Ministerrat nichts zu erinnern fand, wird der Minister Dr. Bach unterstützend Sr. Majestät zur Ah. Genehmigung vorlegen5.

III. Politische Organisation Siebenbürgens

Nachdem die Justizorganisierung in Siebenbürgen von Sr. Majestät bereits Ah. genehmiget worden ist6, so bringt der Minister des Inneren Dr. Bach nun auch die politische Organisierung dieses Landes in Antrag, wobei der in anderen Kronländern angenommene Typus und die Verhältnisse des Landes gehörig berücksichtiget worden seien7.

Siebenbürgen soll hiernach in fünf politische Verwaltungs- oder Regierungsbezirke mit den Amtssitzen in Hermannstadt, Karlsburg, Klausenburg, Maros-Vásárhely und Broos eingeteilt werden. Die Landesautoritäten und die Vertrauensmänner, welche darüber vernommen worden sind, erklärten sich mit dieser Einteilung vollkommen einverstanden.|| S. 182 PDF || Unter den fünf Kreisregierungen würden 36 politische Bezirke und das ganze unter der Statthalterei stehen.

Der Aufwand für die Kreisregierungen würde 98.000 f. und der Gesamtaufwand für die politische Verwaltung circa 435.000 f. betragen.

Der Minister Dr. Bach wird nun diesen Gegenstand mit Zustimmung des Ministerrates Sr. Majestät vorlegen8.

IV. Auszeichnung für zwei Gendarmen

Ferner erwirkte der Minister Dr. Bach die Zustimmung des Ministerrates zu dem bei Sr. Majestät zu unterstützenden Antrage, jedem der beiden Gendarmen, welche sich in Weichselburg besonders ausgezeichnet haben, das silberne Verdienstkreuz huldreichst verleihen zu wollen9.

V. Auszeichnung für Ernst Pauer

Ebenso hat der Ministerrat dem Antrage des Kultusministers Grafen Thun auf die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens an den gewesenen Direktor der protestantisch-theologischen Lehranstalt in Wien, Consistorialrat Pauer, einen sehr würdigen Mann, der sich stets gut benommen, Frieden unter den Konfessionen zu erhalten wußte und dessen Auszeichnung einen guten Eindruck machen würde, beigestimmt10.

VI. Unterstützung für die katholische Mission in Khartoum

Gegen den weiteren Antrag desselben Ministers, der katholischen Mission in Khartoum, welche ein Erziehungshaus daselbst errichtet hat und für die Verbreitung der christkatholischen Religion in jenen Gegenden arbeitet, von der Ah. Gnade Sr. Majestät eine Unterstützung jährlicher 1000 f. aus dem genügend dotierten Sklavenredemtionsfonds zu erwirken, wurde vom Ministerrate nichts zu erinnern gefunden11.

VII. Beistellung der Arbeitslokalitäten und der Einrichtungsstücke für die Brünner Handels- und Gewerbekammer

Der Gemeinderat der Stadt Brünn wendet sich an das Gesamtministerium mit der Bitte, die Stadtgemeinde von der von dem Handelsministerium ihr auferlegten Verpflichtung für die Beistellung der Arbeitslokalitäten und Einrichtungsstücke für die Handels- und Gewerbekammer zu sorgen, zu entheben12.

Über diesen dem Handelsminister Freiherrn v. Bruck abgetretenen Rekurs der erwähnten Stadtgemeinde fand derselbe zu bemerken, daß nach dem für die Handels- und Gewerbekammern erlassenen provisorischen Gesetze die Gemeinden zur Tragung solcher Auslagen verpflichtet seien13 und daß es sich bei dem vorliegenden Rekurse|| S. 183 PDF || eigentlich darum handle, ob die reichen Vorstädte Brünns, welche in die Stadtgemeinde aufgenommen werden sollen, sich aber die Verwaltung ihres Vermögens vorbehalten wollen, von einem Beitrage zu der gedachten Auslage gleichfalls getroffen werden sollen14.

Da aber die Gemeinde Brünn bereits da ist, und den Gemeinden die Tragung der gedachten Auslagen obliegt, so hätte es bei der Entscheidung des Handelsministeriums zu verbleiben und der Ministerrat hätte sich in keine weitere Entscheidung in dieser Angelegenheit einzulassen.

Da es jedoch hier eigentlich darauf ankommt, ob die neuen Teile der Gemeinde Brünn, wenn sich nämlich die weitere Gemeinde gebildet haben wird, zu der gedachten Auslage einen Beitrag zu leisten haben, so hat sich der Minister Freiherr v. Bruck diesfalls das weitere Einvernehmen mit dem Minister des Inneren vorbehalten15.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 9. Jänner 1851.