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Nr. 434 Ministerrat, Wien, 16. Dezember 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. [Marherr]; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 17. 12.), Krauß 18. 12., Bach 20. 12., Schmerling 20. 12., Bruck, Thun, Kulmer 20. 12.; anw. Thinnfeld, Csorich; abw. Stadion.

MRZ. 5056 – KZ. 4455 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 16. Dezember 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Portobegünstigung der Gerichtszeitung und des Schulboten

Der Handelsminister eröffnete, daß er über erhaltene unterstützende Einbegleitung der Ministerien der Justiz und des Unterrichts den beiden Zeitschriften „Gerichtszeitung“ und „Schulbote“ die Begünstigung des freien Briefmarkenbezugs gewähren werde, wogegen nichts zu erinnern war1.

II. Verdienstkreuze für drei Beamte des südöstlichen Staatsbahnbaues

Nachdem die Eröffnung der südöstlichen Staatsbahn mit ungemeiner Teilnahme der Bevölkerung des Landes stattgefunden hat, erbat sich und erhielt sofort der Handelsminister die Zustimmung des Ministerrates zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Auszeichnung der bei dem Bau dieser Bahn vorzüglich tätig gewesenen Beamten, aals des Sektionsrates Dr. Ghega die Ah. Zufriedenheit, danna des Inspektors Löhr und der Oberingenieurs Salzmann und Rost mit dem goldenen Verdienstkreuze2.

III. Vorschrift über Portobefreiungen

In der beim Handelsministerium kommissionell mit Abgeordneten der einschlägigen Ministerien beratenen Vorschrift in betreff der Postportofreiheit ist der Grundsatz ausgesprochen, daß außer Sr. Majestät und den Gliedern der kaiserlichen Familie, dann außer den k. k. Behörden und deren Vorstehern in der Amtskorrespondenz von nun an niemand mehr eine Befreiung vom Postporto zu genießen haben soll3.|| S. 145 PDF ||

Dabei glaubte der Handelsminister folgende Punkte einer besonderen Erörterung im Ministerrate unterziehen zu sollen:

a) Nachdem zwar vorgeschrieben ist, daß nicht-portofreie Personen ihre Eingaben an die Behörden und deren Vorsteher zu frankieren haben, gleichwohl aber manche unfrankierte Eingaben einlaufen, die, weil sie ämtlich Wichtiges enthalten können, zugestellt werden müssen, ohne daß man dem Empfänger, wenn es eine Amtssache betrifft, die Zahlung des Porto und des Strafgroschens zuzumuten berechtigt wäre, so wurde von einigen Mitgliedern der Kommission der Antrag gemacht, den Ministern, Statthaltern, Gerichtspräsidenten etc. die Portofreiheit in der Art zuzugestehen, daß sie von derlei unfrankiert an sie gelangenden Eingaben die Kuverts mit der Bestätigung, ob der Inhalt ämtlich war oder nicht, an die Postbehörde zurücksenden, welche dann die ersteren franco zu behandeln, von den letzteren dagegen das Porto von dem Einsender einzubringen hätte.

Allein, sowohl der Handelsminister als auch die übrigen Stimmen erkannten, daß diese Manipulation viel zu kompliziert, bei anonymen Eingaben sogar unausführbar wäre. Es wurde daher beschlossen, bei voller Aufrechthaltung des Grundsatzes über die Verpflichtung zur Frankierung von derlei Parteisendungen in der zur Kundmachung bestimmten Vorschrift bfür den seltenen Fall, als nicht frankierte Zusendungen, welche sich bei erfolgter Eröffnung als in ratione publica darstellen und wofür von der aufgebenden Partei das Porto nicht eingebracht werden kann, bdie Vorsteher der Behörden zur Berichtigung des Porto aus den Verlagsgeldern für in Amtssachen einlangende unfrankierte Briefe etc. zu ermächtigen, hievon aber in der Vorschrift nichts zu erwähnen, um nicht die Parteien zur Unterlassung der Frankierung gewissermaßen aufzufordern.

b) Ministerialrat v. Kleyle hat für die Korrespondenz der Landwirtschafts- und Forstvereine mit ihren Filialen die Portofreiheit angesprochen4.

Der Handelsminister besorgte von einem solchen Zugeständnisse unendliche Unterschleife und nachteilige Konsequenzen, indem dann auch andere gemeinnützige Vereine ein Gleiches begehren würden.

Der Minister für Landeskultur erklärte sofort, auf dieser Forderung nicht bestehen zu wollen.

c) Die Fürsten Paar und Freiherrn v. Taxis haben lehenrezeßmäßig Anspruch auf die Portofreiheit in den k. k. Staaten; doch ist dieses Privilegium ablösbar. Der Handelsminister war demnach des Erachtens, mit Rücksicht auf den oben ausgesprochenen allgemeinen Grundsatz, diese Portofreiheit sogleich aufzuheben und die Berechtigten behufs der Ablösung zunächst auf den administrativen und sohin auf den Rechtsweg zu verweisen, wenn auf ersterem kein Übereinkommen zustande käme.

Der Ministerrat fand es jedoch der Billigkeit entsprechend, die Privilegierten einstweilen bis zu der längstens binnen einem Jahre zu bewirkenden Ablösung ihres Rechtes in dem Genusse desselben zu lassen, wornach der Handelsminister das Entsprechende in dem hierwegen Sr. Majestät zu erstattenden Vortrage in Vorschlag bringen wird5.

IV. Paßkarteneinführung für Passanten des Elbetals

Der Minister des Inneren befürwortete einstimmig mit dem Handelsminister die probeweise Einführung der von der sächsischen Regierung angenommenen Einrichtung von Paßkarten zur Erleichterung des Verkehrs in dem Elbetale zwischen Böhmen und Sachsen, mit der Beschränkung derselben sowohl auf diese Route allein, als auch rücksichtlich der Reisedauer auf 14 Tage, wogegen nichts eingewendet wurde6.

V. Expropriation des Grazer Schloßbergs

Nachdem die Unterhandlung wegen Überlassung des Gratzer Schloßberges zur Befestigung an der Erklärung des ständischen Ausschusses gescheitert ist, ohne Ermächtigung des Landtags dieses ständische Eigentum nicht veräußern zu können, so erübrigt nach der Ansicht des Ministers des Inneren nichts anderes als zur Expropriation zu schreiten, weil, wie auch der Kriegsminister bestätigte, die Verwendung dieser Realität zu fortifikatorischen Zwecken durch wichtige Staatsrücksichten geboten ist.

Der Minister erhielt sofort die Beistimmung des Ministerrats, hiernach das Geeignete an den Statthalter zu erlassen7,

VI. Zulage für den Adlatus des Gendarmerieinspektors

desgleichen, bei Sr. Majestät auf die Ah. Bewilligung einer Funktionszulage von jährlichen 1000 fr. für den zum Adlatus des Gendarmerieinspektors ernannten General von Ruckstuhl anzutragen8.

VII. Entwurf des Forstgesetzes (1. Beratung)

Der Minister für Landeskultur brachte den Entwurf des Forstgesetzes für die österreichischen Kronländer (Ungern, Kroatien und Siebenbürgen und das lombardischvenezianische Königreich ausgenommen) in Vortrag9.

Erste Abteilung:

§§ 1., 2. Aufsicht der Staatsverwaltung über die Forste je nach deren Kategorien als Staats-, geistliche Stiftungs- und Pfründen-, Gemeinde- und Privatwaldungen.

Staatswaldungen stehen ganz unter der unmittelbaren Oberaufsicht, also unter der Bewirtschaftung des Staats.|| S. 147 PDF ||

§§ 3. 4. In Ansehung Privatwaldungen beschränkt sich die Aufsicht des Staats darauf, daß die Erhaltung der Wälder gesichert werde; es ist dies die mittelbare Oberaufsicht. (§§ 1. 3.)

Stifts- und Gemeindewaldungen, welche mit Rücksicht auf die Natur ihres Besitzes das besondere Interesse der Staatsverwaltung in Anspruch nehmen, sollen auch der unmittelbaren Staatsoberaufsicht unterstehen (§ 3), so daß zwar die Bewirtschaftung derselben (Einteilung in Schläge, Betriebsplan) von den Reichsforstbehörden abhängt, die Verwendung, Verteilung und Veräußerung der gewonnenen Forstprodukte aber den Gemeinden und Nutznießern der Stiftungen überlassen bleibt.

Gegen die unmittelbare Unterordnung der Stiftswälder unter die Staatsoberaufsicht erklärte sich vor allem der Kultusminister ; er bemerkte, daß kein hinlänglicher Grund vorliege, die Besitzer solcher Waldungen anders als Private zu behandeln, in Ansehung welcher der Staat sich auf die mittelbare Aufsicht beschränkte.

Da auch die übrigen Stimmen dieser Meinung beitraten, so erklärte der Minister für Landeskultur , auf der diesfälligen Bestimmung nicht mehr beharren zu wollen.

In Ansehung der Gemeindewälder bemerkte der Kultusminister , daß auch bei diesen die mittelbare Aufsicht genügen dürfte, weil ein Eingreifen in die Gebarung mit den einen Teil des Gemeindevermögens ausmachenden Wäldern nicht sowohl vom Standpunkte der Landeskultur als vielmehr vom Standpunkte desjenigen Gesetzes sich rechtfertigen ließe, welches die Vermögensverwaltung der Gemeinden überhaupt gewissen Vorsichten und Beschränkungen unterwirft, mithin es sich hier wohl nur darum handeln kann, so wie bei Privatwaldungen, die ohnehin ohne Vergleich den größten Teil ausmachen, die Oberaufsicht des Staats auf die Erhaltung der Wälder zu beschränken. Überhaupt, bemerkte weiters auch der Finanzminister , hätte sich dieses Gesetz bloß auf die Maßregeln der allgemeinen, wenn auch strengeren Überwachung der Forstkultur, d. i. bloß auf diejenigen Vorschriften zu beschränken, welche für alle Waldungen ohne Unterschied aus forstpolizeilichen Rücksichten notwendig sind. Dagegen hätte dasjenige, was die Verwaltung betrifft, aus dieser Vorschrift wegzubleiben und den Gegenstand einer abgesonderten Verfügung zu bilden, zumal da die verschiedenen provinziellen Verhältnisse eine verschiedene Behandlung dieses Gegenstands zu erheischen scheinen.

Der Minister für Landeskultur entgegnete, der Gegenstand sei für das Staatswohl zu wichtig, die Gemeinden – zeuge der Erfahrung – so wenig zur regelmäßigen Bewirtschaftung ihrer Waldungen geeignet oder geneigt, und die bisherigen in bezug auf Forstpolizei bestandenen Gesetze so unzureichend, daß ein direkter Einfluß der Staatsverwaltung auf den Betrieb der Wälder sich als ein dringendes Bedürfnis darstelle. Zudem stehe eine bedeutende Vergrößerung des Waldbesitzes der Landgemeinden durch die Ablösung der Servituten in Aussicht; in diesem Maße wachse demnach auch das Interesse, welches der Staat an der Erhaltung des Waldstands der Gemeinden zu nehmen habe. Der Minister wies auch auf das Beispiel auswärtiger Staaten, namentlich Deutschlands, hin, wo ähnliche Einrichtungen, wie die hier angetragene, mit dem besten Erfolge für die Waldkultur bestehen.

Der Justizminister unterstützte die Meinung des Ministers der Landeskultur mit einigen Bemerkungen über die durch die Erfahrung bestätigte schlechte Wirtschaft des Landvolks in ihren Waldungen, und der Minister Baron Kulmer erklärte es für ein|| S. 148 PDF || Bedürfnis wenigstens in Kroatien, daß der Staat sich der Waldkultur für die Gemeinden annehme. Auch der Handelsminister trat der Meinung des Ministers v. Thinnfeld bei; b ebenso der Minister des Kriegs, dann der Ministerpräsident. Für die Ansichten des Ministers Grafen Thun und rücksichtlich Freiherrn v. Krauß erklärte sich der Minister des Inneren.

Fortsetzung in der nächsten Sitzung10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 24. Dezember 1850.