MRP-1-2-04-0-18501105-P-0414.xml

|

Nr. 414 Ministerrat, Wien, 5. November 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend: Bach
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 6. 11.), Krauß 9. 11., Schmerling 6. 11., Bruck, Thun, Csorich, Kulmer; anw. Bach; abw. Stadion, Thinnfeld.

MRZ. 4508 – KZ. 3942 –

Protokoll der am 5. November 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Stephan Graf Károlyi v. Nagy-Károly um Nachsicht des Restes seiner Geldstrafe

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich referierte über das Gesuch des Grafen Stephan Károlyi um Nachsicht des Restes von 75.000 f. der ihm auferlegten Geldstrafe von 150.000 f.1 Über dieses Gesuch wurden die nötigen Erhebungen bei dem Armeemilitärkommando in Ofen gepflogen. Aus denselben und den vom Grafen Károlyi eingestandenen Tatsachen ging hervor, daß derselbe am 3. Oktober 1848 den Sitzungen der Magnatentafel beigewohnt hat, daß er ein eifriger Unterstützer der magyarischen Bewegung war, bei dem Einzuge der Magyaren in Pest auf dem Balkon seines Hauses erschien und die dreifarbige Fahne wehen ließ usw. Graf Károlyi wurde daher des Verbrechens der Vorschubleistung zum bewaffneten Aufstande schuldig erkannt und zur vierwöchentlichen Profossenarreste und 150.000 f. Geldstrafe verurteilt. Die Hälfte dieser Geldstrafe hat derselbe bereits erlegt und soll die andere Hälfte von 75.000 f. in vierteljährigen Raten, wovon die eine im Monate Oktober d. J. bereits fällig war, mit je 25.000 f. berichtigen.

Der Kriegsminister vermag nicht auf die Nachsicht des Strafpönals für den Grafen Károlyi anzutragen, glaubt aber, daß demselben, wo es ihm schwer fallen dürfte, das Geld in so kurzen Zwischenräumen aufzutreiben, die Raten auf halbjährige Ratena erstreckt werden dürften.

Der Ministerrat teilte diese Ansicht bei dem bekannte Verschulden und den Vermögensverhältnissen des Grafen Károlyi nicht, sondern hat sich dahin ausgesprochen, daß derselbe die bereits verfallenen Rate bei dem nächsten Termine zu bezahlen und sofort dann alle Vierteljahre 25.000 f. bis zur vollständigen Berichtigung des ganzen Strafrestes von 75.000 f. zu entrichten hätte2.

II. Verwendung Johann Helblings v. Hirzenfeld in der Prager Bibliothek

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Thun brachte hierauf die Pensionierung des außerordentlichen Professors der historischen Hilfswissenschaften (Diplomatik, Heraldik, Numismatik und Altertumskunde) an der Prager Universität Johann v. Helbling zum Vortrage3. Dieser Professor wurde im Jahre 1817 als außerordentlicher Lehrer der gedachten Fächer mit einem Gehalte von 600 f. jährlich angestellt, dient sonach erst 33 Jahre. Da er wegen seines schlechten Vortrages zum Lehramte, besonders unter den gegenwärtigen Verhältnissen, nicht geeignet erscheint, so wurde er aufgefordert, um seine Pensionierung einzuschreiten, was er, obgleich ungern, tat. Graf Thun meinte, da Helbling in den Ruhestand mit dem vollen Gehalte von 600 f. versetzt und sich, da er nicht dienstunfähig ist, dessen Verwendung im Registraturs- oder einem anderen Fache, wozu er geeignet ist, vorbehalten werden dürfte.

Über die Bemerkung, daß dem v. Helbling bei 33 Dienstjahren höchstens nur zwei Drittel seines Gehaltes als Ruhegenuß bewilliget werden könnten, daß er, wenn auch nicht im Lehrfache, doch sonst noch wo mit Nutzen verwendet werden kann und seine Familie Berücksichtigung verdienen dürfte, nahm Graf Thun seinen Antrag auf Pensionierung des Helbling zurück und wird denselben mit Zustimmung des Ministerrates mit Belassung seines ohnehin geringen Gehaltes von 600 f. der Prager Bibliothek zur Verwendung zuweisen4.

III. Verzehrungssteuereinführung in Ungarn und in der Woiwodina

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß besprach einige nähere Bestimmungen zur Einführung der Verzehrungssteuer in Ungarn und in der Woiwodina5.

Er bemerkte, daß in den deutschen Ländern hinsichtlich der Verzehrungssteuer die geschlossenen Städte, dann alle anderen Orte außer denselben unterschieden werden. In den geschlossenen Städten werden verschiedene Gattungen der Konsumtibilien als Holz, Getreide, Mehl, Hülsenfrüchte, Branntwein, Bier, Fleisch, Wein etc. etc. der Verzehrungssteuer unterzogen, außer denselben nur Branntwein, Bier, Fleisch und Wein. Rücksichtlich des Branntweins und des Bieres ist für Ungarn schon früher das Nötige verfügt und ausgesprochen worden, daß die Verzehrungssteuer davon ganz nach den in den deutschen Provinzen geltenden Grundsätzen behandelt werden soll6.

Als geschlossene Städte in Ungarn sollen den diesfalls gepflogenen Erhebungen zufolge nur die Städte Pest und Ofen, dann Preßburg behandelt und in denselben vorläufig nur Fleisch und Wein der Verzehrungssteuer unterworfen werden. Als Grundsatz hätte zu gelten, daß sich rücksichtlich der Einhebung der Verzehrungssteuer in den geschlossenen Städten in Ungarn genau so benommen werde, wie in den deutschen Provinzen. Pest und Ofen sind von der Donau wie Wien von dem Donaukanale durchschnitten, es werden daher dort zur Sicherstellung der Verzehrungssteuer ähnliche Maßregeln getroffen|| S. 45 PDF || werden müssen wie hier in Wien, Preßburg dagegen liegt auf der einen Seite des Stromes, hier wird daher rücksichtlich der Donau nichts weiter zu verfügen sein7.

Was die anderen Orte außer den geschlossenen Städten anbelangt, so werden dieselben in Orte bis zu 2000 Seelen und in Orte über 2000 Seelen eingeteilt. In den ersteren wäre jetzt noch keine Verzehrungssteuer, in den letzteren aber die Verzehrungssteuer von Fleisch und Wein einzuführen. In Ansehung der Verzehrungssteuer von Fleisch wäre sich ganz so wie in den deutschen Provinzen zu benehmen. Was den Wein betrifft, so unterliegt in den deutschen Provinzen nur jener Wein der Verzehrungssteuer, welcher bei den Schenkern ausgeschenkt wird. Dieses hat die Unzukömmlichkeit, daß in den deutschen Provinzen nur ein Teil der Konsumenten von dieser Verzehrungssteuer getroffen wird, und gerade die Vermöglicheren davon frei bleiben. Um in Ungarn diese Unzukömmlichkeit zu vermeiden und in größeren Orten die Steuer von der ganzen Konsumtion zu erhalten, wäre sich daselbst nach der in Galizien seit 50 Jahren bestandenen und nur durch die neue Verzehrungssteuer auf einige Jahre unterbrochenen, dann aber wieder eingeführten Einrichtung zu benehmen, welche darin besteht, daß das Getränk, welches in dem Orte eingeführt wird, bei dem Steueramte angemeldet werden muß. Bleibt es im Orte, jedoch mit der Bestimmung weiterzugehen, so wird es unter Aufsicht gehalten, bleibt es zur Konsumtion im Orte, so muß die Steuer davon entrichtet werden.

Städte, welche gewöhnlich Zuschläge von dieser Steuer genießen, sind dabei interessiert, daß nichts dieser Besteuerung entgehe. In Ungarn wäre es dadurch möglich, bei einem voraussichtlichen gleichen Ertrage die Abgabe niederer zu halten als in den deutschen Provinzen. Auch würde man dadurch Erfahrungen sammeln, um allenfalls diese Verbesserung auch in den deutschen Provinzen einzuführen. Der Finanzminister teilte auch den Tarif mit, nach welchem die geschlossenen Städte (Pest, Ofen und Preßburg) bund jene über 20.000 Seelenb die erste Klasse, Städte über 10 bis 20.000 Seelen in die zweite und Städte über 2 bis 10.000 Seelen in die dritte Klassen des jedenfalls mäßigen Tarifes zu stehen kämen.

Für Ungarn und die Woiwodina wäre diese Steuer sogleich einzuführen, hinsichtlich Siebenbürgens wären aber noch Erhebungen zu pflegen, welche Städte dort als geschlossen angesehen werden sollen.

Was Kroatien und Slawonien betrifft, bemerkte der Finanzminister, daß noch nicht der Zeitpunkt gekommen ist, mit dieser Steuer dort vorzugehen, vorzüglich wegen der Militärgrenze, wo das Ärar den Weinschank hat, auch seien die Verhältnisse in diesen Kronländern behufs der Verzehrungssteuer nicht hinreichend aufgeklärt.

Der Ministerrat erklärte sich mit den obigen Anträgen des Finanzministers einverstanden8.

IV. Aufnahme Johann Daubachys in das Finanzministerium

Der Minister Freiherr v. Kulmer erinnerte, Se. Majestät hätten ihm mit Ah. Entschließung vom 22. Jänner 1849, Z. 193, ein Individuum in der Person des Ministerialsekretärs Daubachy mit dem Gehalte von 1600 f. zur Dienstleistung zuzuweisen geruhet9 und stellte vor, daß es für diesen Ministerialsekretär hart sei, daß er dem Status keines bestimmten Ministeriums eingereiht ist, daher auch nicht Aussicht hat, in eine höhere Besoldung einzurücken, während die Ministerialsekretäre bei den anderen Ministerien bei dem bedeutenden Konkretalstatus der dortigen Ministerialsekretäre die gewisse Aussicht haben, in die höheren Gehaltsklassen von 1800 f. und 2000 f. vorzurücken.

Freiherr v. Kulmer bemerkte, daß es unbillig wäre, wenn sein genannter Ministerialsekretär dieses zufälligen Umstandes wegen zurückgesetzt sein sollte. Er sei ein sehr braver Mann und besitze ausgebreitete Sprachkenntnisse (ungarisch, slawisch, italienisch, deutsch etc.)

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß erklärte sich mit Zustimmung des Ministerrates bereit, den genannten Ministerialsekretär auch mit Arbeiten seines Ressorts zu versehen und ihn sodann in den Status seines Ministeriums aufzunehmen, welcher dadurch um eine Sekretärsstelle erhöht würde. Daubachy verbliebe jedoch dessenungeachtet in der Dienstleistung bei dem Minister Baron Kulmer10.

V. Besetzung der fünf Distriktualobergespanstellen in Ungarn

Der Minister Dr. Bach brachte die bereits im Ministerrate vom 3. d. M. besprochene Besetzung der fünf Distriktualobergespansstellen in Ungarn11, und zwar des Grafen Attems für den Preßburger Distrikt, des Baron Hauer für den Oedenburger, des Grafen Forgách für den Kaschauer, des v. Augusz für den Pester und v. Döry für den Großwardeiner Distrikt bei der heutigen Anwesenheit des Ministers Freiherrn v. Kulmer, dessen Ansichten man hierüber gleichfalls vernehmen wollte, nochmals zur Sprache.

Baron Kulmer glaubte sich, was er auch schon bei früheren Anlässen getan, lediglich auf die Bemerkung beschränken zu sollen, daß er gewünscht hätte, wenn für diese Posten, die ersten im Lande, des guten Eindruckes wegen nur Nationale hätten in Antrag gebracht werden können, was hier nicht durchgehends (bei Attems und Hauer) der Fall sei.

Dagegen erinnerte der Minister Dr. Bach , daß beide Beamte (Attems und Hauer) in ihrer provisorischen Verwendung im Lande vollkommen entsprochen haben und daß es hart wäre, sie nun, wo es sich um die definitive Besetzung ihrer Stellen handelt, abzurufen. Er bemerkte weiter, daß er sich es zum Grundsatze gemacht, bei Besetzung von höheren Stellen in den Kronländern eine Mischung mit den Nationalen vorzunehmen, die hier umso notwendiger erschien, als mehrere Nationale (Szent Iványi, Babárczy, Mailáth etc.) die ihnen angetragene Verwendung geradezu ablehnten oder ihre Mitwirkung von der Durchführung ihrer speziellen Pläne abhängig machten.|| S. 47 PDF ||

In der Übergangsperiode sei es auch leichter, einige zu verwenden, die nicht den Nationaltypus tragen; später werde man Männer des Landes finden können, denen solche Ämter anzuvertrauen wären, gegenwärtig würden sie aber ihre Stellung nur dazu benützen, um die Maßregeln der Regierung scheitern zu machen. Übrigens sei Baron Hauer ein Indigena Ungarns und im Lande begütert.

Nach diesen Bemerkungen fand der Ministerrat an dem diesfälligen Beschlusse vom 3. d. M. nichts zu ändern12.

VI. Nobilitierungsgesuch Michael Neulingers

Schließlich brachte der Minister des Inneren Dr. Bach noch das Gesuch des Archivsdirektors der ehemaligen ungarischen Hofkanzlei Neulinger um Verleihung des österreichischen Adels zur Sprache13. Neulinger hat bereits im Jahre 1833 um Verleihung des ungarischen Adels angesucht, wurde aber, ungeachtet die ungarische Hofkanzlei darauf angetragen, Allerhöchstenorts zur Sammlung größerer Verdienste angewiesen. Im Jahre 1848 hat die bestandene ungarische Hofkanzlei für Neulinger auf eine Personalzulage von 300 f. (die er bekam) und auf die Verleihung eines Fiskalanteils im Eisenburger Komitate und mit demselben auf den Adel angetragen. Nach den Märzereignissen wurde diese Angelegenheit bei den damaligen Verhältnissen zur neuerlichen Verhandlung zurückgestellt. Gegenwärtig beschränkt Neulinger, der bereits 48 Jahre dient, sein Gesuch auf die Verleihung des österreichischen Adels.

Der Minister Dr. Bach findet keine Veranlassung, wegen der bloßen langen, wenn auch entsprechenden Dienstleistung auf die Verleihung des Adels auch des Präjudizes und der Konsequenzen wegen anzutragen und meint, daß dieses Gesuch bis zur allenfälligen Pensionierung des Bittstellers einstweilen bei den Akten aufzubehalten wäre, wogegen sich keine Erinnerung ergab.

Nur der Minister Freiherr v. Kulmer glaubte noch die Bemerkung beifügen zu sollen, daß Neulinger seine Anstellung als Chef des Archivs im Jahre 1848 von dem ungarischen Ministerium erhielt, nachdem dieses den früheren Vorsteher des Archivs Frenreiss wegen der in loyaler Absicht verfügten schleunigen Abführung der Präsidialakten der ungarischen Hofkanzlei in die k. k. Burg seiner Stelle enthoben hatte14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 10. November 1850.