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Nr. 409 Ministerrat, Wien, 21. Oktober 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr (I–VIII), Ransonnet (IX) ; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 24. 10.), Krauß 30. 10., Bach 30. 10., Schmerling 29. 10., Bruck, Thinnfeld 30. 10., Thun, Csorich, Kulmer 30. 10.; abw. Stadion.

MRZ. 4229 – KZ. 3768 –

Protokoll des Ministerrates, gehalten zu Wien am 21. Oktober 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Behandlung der Gläubiger des Engländervereins

Der Minister des Inneren referierte über das Resultat der infolge Ministerratsbeschlusses vom 16. August 1850 angeordneten kommissionellen Verhandlung in betreff der Gläubiger des von L. Engländer im Jahre 1848 gegründeten Schuldentilgungs- und Versorgungsvereins1.

Der Vermögensstand des – seit Ende 1848 aufgelösten2 – Vereins ist den Erhebungen zufolge ein kridamäßiger; die Kommission hat daher angetragen, der diesfälligen gerichtlichen Verhandlung nach den allgemeinen Normen den Lauf zu lassen, wenn nicht etwa die Regierung aus politischen Rücksichten sich bestimmt fände, behufs der Erleichterung der Einbringung der zahlreichen noch ausständigen Aktivforderungen des Vereins zu intervenieren3.

Eine solche Intervention aber hielte der Minister des Inneren nicht für angemessen, weil sie einerseits bei der Menge der einzelnen Posten die Beendigung der ganzen Verhandlung sehr in die Länge ziehen, andererseits, da die Zwangsmaßregeln gerade gegen die ärmere Klasse gerichtet werden müßten, wenig reellen Erfolg haben und nur das Gehässige der Exekution auf die Regierung wälzen würde.

Er erachtete daher, die Austragung der Sache den Gerichten zu überlassen und als Massekurator einen Beamten der Kammerprokuratur aufzustellen, wodurch so wie durch die unentgeltliche Vertretung und durch die – vom Justizminister in Anspruch genommene Stempel- und Taxfreiheit für alle in diese Verhandlung vorkommenden Eingaben und Akten – den Beteiligten die möglichste Erleichterung verschafft werden würde.

Zugleich beabsichtigt der Minister des Inneren im Volksblatt einen das ganze Sachverhältnis aufklärenden Aufsatz zur Information des Publikums erscheinen zu lassen.|| S. 16 PDF ||

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden4.

II. Teilung der Lehrkanzel für Geburtshilfe in Prag

Der Unterrichtsminister brachte seinen im Vortrage vom 23. September 1850 gemachten und begründeten Antrag auf Trennung der Lehrkanzel der Geburtshilfe in Prag für Mediziner einer- und für Hebammen andrerseits und Besetzung der neuen Lehrkanzeln mit v. Kiwisch und Lange zur Sprache und erhielt bezüglich desselben die Zustimmung des Ministerrats5.

III. Auszeichnung für Engelbert Maximilian Selinger

Der Ministerpräsident Minister des Äußern beantragte die Erwirkung der Auszeichnung des Direktors der orientalischen Akademie Dr. Selinger mit dem Ritterkreuze des Franz-Joseph-Ordens in Antrag, welchem allseitig beigestimmt wurde6.

IV. Generalpardon für assentierte ehemalige Honvéds

Von den zu den k. k. Regimentern abgegebenen ehemaligen Honvéds sind bisher sehr viele auf dem Marsche zu ihren Regimentern desertiert7. Sie treiben sich in den ungrischen Wäldern herum und gefährden die öffentliche Sicherheit, oder, eingebracht, füllen sie die Stockhäuser und bereiten den Militärjustizbehörden viele, mitunter erfolglose Arbeit. Der Kriegsminister unterstützt daher den vom 3. Armeekommando einvernehmlich mit dem Zivilkommissär für Ungern ausgegangenen Antrag auf Erwirkung eines Generalpardons für diese Deserteurs unter folgenden Modalitäten: 1. Alle, welche sich von Tage der Kundmachung des Generalpardons bis Ende Dezember d. J. freiwillig stellen, wenn ihnen kein anderes Vergehen zur Last fällt, erhalten vollständige Amnestie; 2. desgleichen diejenigen, welche bisher zwangsweise gestellt worden oder noch in Untersuchung sind; 3. die Amnestie erstreckt sich nicht nur auf die eigentliche kriegsrechtliche Strafe, sondern auch auf die Nachlassung der doppelten Kapitulation oder des Verlusts der Kapitulation, 4. um der Meinung zu begegnen, als ob die gegebene Frist bis Ende Februar 1851 als Erlaubnis, die Entfernung von der Truppe bis dahin fortzusetzen, benützt werden könne, soll die volle Straflosigkeit nur jenen zuteil werden, welche innerhalb der gesetzten Frist sich freiwillig stellen, nicht aber jenen, welche zwangsweise eingebracht werden. 5. und 6. enthalten Weisungen für die Behörden und Androhung von Strafen für Vorschubleister.

Der Ministerrat gab seine Zustimmung zu dem hiernach bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage, mit der Modifikation jedoch, daß, nach dem Einraten des Ministers für Landeskultur,|| S. 17 PDF || § 4 auch die im Laufe des festgesetzten Termins eingebrachten Deserteurs nicht gänzlich von der Amnestie ausgeschlossen werden mögen, sondern, nach Andeutung des Finanzministers etwa nur jene, welche sich auch eines anderen Vergehens schuldig gemacht haben8.

V. Goldenes Verdienstkreuz für Consalvus Heinz

Gegen den vom Kriegsminister einstimmig mit dem Minister des Inneren gestellten Antrag auf Verleihung des Goldenen Verdienstkreuzes an den um die Behandlung kranker Soldaten verdienten Zivilarzt Dr. Heinz in Gratz9 sowie gegen den weiteren, auch vom Handelsminister unterstützten Antrag

VI. Silbernes Verdienstkreuz mit Krone für Joseph Carl Gödl

auf Verleihung des Silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone an den Spediteur der Eisenbahn in Gratz J. C. Gödl wegen der am 12. Oktober 1848 einem andringenden Volkshaufen standhaft und mit Erfolg verweigerten Auslieferung von 1200 ärarischen Gewehren ergab sich keine Erinnerung10.

VII. Gleiche Quartiergelder für die niederösterreichischen provisorischen Staatsbuchhaltungsbeamten und jene der Hofbuchhaltung

Der Finanzminister referierte über den Vortrag des Generalrechnungsdirektoriums vom 27. September 1850 wegen Gleichstellung der Quartiergelder der Beamten der niederösterreichischen provisorischen Staatsbuchhaltung mit jenen der Beamten der Hofbuchhaltungen.

Nachdem das vom Generalrechnungsdirektorium hervorgehobene Motiv richtig ist, daß nämlich der früher zwischen Hof- und Provinzialbeamten in Wien bezüglich der Quartiergelderausmaß bestandene Unterschied bei der erfolgten neuen Organisierung der Statthalterei, Baubehörde etc. in Wien aufgehoben wurde, so erklärte der Finanzminister, auch dem diesfalls zugunsten der Beamten der provisorischen Staatsbuchhaltung in Wien gestellten Antrage nicht mehr entgegentreten zu wollen, welcher Erklärung auch der Ministerrat beistimmte11.

VIII. Höhere Pension für Johann Fröster

Gegen den vom Obersthofmeister dem Einspruche des Finanzministeriums gegenüber bei Sr. Majestät gestellten Antrag vom 12. d. [M.] auf Verleihung der ganzen Lohnung per 216 f. jährlich als Pension für den nach 39jähriger Dienstleistung in den Ruhestand tretenden Arcierenleibgardebedienten Johann Fröster glaubte der Finanzminister den Grundsatz geltend machen zu sollen, daß bei Gewährung von Ausnahmen von der Strenge des Pensionsnormales die Begünstigung sich auf die nächsthöhere Stufe der Pension, also hier auf zwei Drittel der Aktivitätsbezüge zu beschränken habe und daß es|| S. 18 PDF || sich hier nicht um einen pensionsfähigen Beamten, sondern nur um einen Diener handle. Um indessen ohne Verletzung jenes Grundsatzes dem Antrage des Obersthofmeisters nahe zu kommen, erklärte der Finanzminister sich für die Beteilung Frösters mit einem Ruhegenusse von jährlich 200 f. (16 f. weniger als dessen Aktivitätslohnung), womit auch die übrigen Stimmen einverstanden waren12.

IX. Organisierung der Ministerratskanzlei

Im Nachhange zu der am 23. September l. J. stattgefundenen Beratung über die Reorganisierung des Kabinettsarchivs referierte der Finanzminister über die Anträge des Ministerratssekretärs Ransonnet bezüglich der Organisierung der Kanzlei des Ministerrates, deren Notwendigkeit nach einem bereits mehr als zweijährigen provisorischen und ganz anormalen Zustande allseitig anerkannt wurde13.

Die leitenden Gesichtspunkte bei den vorliegenden Anträgen waren: 1. daß alle in der Ministerratskanzlei arbeitenden Beamten dem Status derselben auch definitiv einzureihen wären; 2. daß den beiden Protokollführern wie auch dem übrigen Konzepts- und Registraturpersonal die der relativen Wichtigkeit ihrer Geschäftsführung angemessene Titulatur und äußere Stellung verliehen werden dürfte; 3. daß es angezeigt erscheine, den meisten dieser Beamten die durch ihre langjährige gute Dienstleistung verdiente Aufbesserung in ihren ohnehin sehr mäßigen Bezügen umso mehr zuzuwenden, als es im Interesse des Dienstes gelegen ist, sie für die Ministerratskanzlei bleibend zu gewinnen, damit jeder Wechsel im Personal dieses Büros möglichst vermieden bleibe; 4. den Staatsschatz von jeder vermehrten Auslage zu verwahren.

Der Ministerrat vereinigte sich bei Festhaltung dieser Grundsätze darauf, au. anzutragen, daß der Status der Ministerratskanzlei in der Art reguliert werde, wie es die beiliegende Tabelle ausweist. Hiemit stünde dann eine Änderung im Personalstande des Kabinettsarchivs in notwendiger Verbindung, dessen Status sich nach Ausscheidung der sechs Archivare und drei Registraturbeamten, dann über Reduktion der zweiten Kanzlistenstelle nach Ausweis der beiliegenden Tabelle neu gestalten würde, worin der verbleibende eine Kanzlist aber unter der angemesseneren Bezeichnung Registrant erscheint.

Das finanzielle Endresultat dieser Statusregulierung würde eine jährliche reine Ersparung von 430 fl. sein, indem die Mehrauslagen durch die eintretenden Ersparungen an den Gebühren der zu reduzierenden Stellen des dritten Protokollführers und des zweiten Archivskanzlisten, endlich durch Abstellung der den drei Registratursbeamten im Ministerratsbüro bewilligten jährlichen Remunerationen überwogen werden würden.

Ferner wurde einstimmig anerkannt, daß die den Beamten des aufgelassenen Staatsrats zugestandene Gehalt- und Charaktertaxbefreiung auf die Beamten des Kabinettsarchivs nicht auszudehnen wäre; dagegen aber den Witwen und Waisen von Beamten des ehemaligen Staatsrats die normalmäßige Begünstigung der Pensions- oder Erziehungsbeitragsbemessung nach dem letzten staatsrätlichen Gehaltsbezuge mit Zuschlag eines Dritteiles als ein bereits vor Aufhebung des Staatsrats erworbener Anspruch nicht entzogen werden dürfte.|| S. 19 PDF ||

Der Ministerpräsident übernahm es, diese sämtlichen au. Regulierungsanträge des Ministerrats mittels eines eigenen motivierten Vortrags ehrerbietigst der Ah. Genehmigung zu unterziehen14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 1. November 1850.