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Nr. 405 Ministerrat, Wien, 30. September 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 1. 10.), Krauß 14. 10., Bach 18. 10., Schmerling 14. 10., Bruck, Thinnfeld 14. 10., Thun, Csorich; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 4044 – KZ. 3486 –

Protokoll der am 30. September 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Umtriebe der schottischen Missionare in Ungarn

Der Ministerpräsident eröffnete die Sitzung mit der Mitteilung eines Berichtes des k.k. Kommissärs für die Zivilangelegenheiten in Ungarn Baron Geringer über die Umtreibe der schottischen Missionäre daselbst. Nach diesem Berichte sollen die schottischen Missionäre in Ungarn, deren Schulen zahlreich besucht werden, auch politische Tendenzen verfolgen und ihre Wirksamkeit in ein Geheimnis hüllen. In einer anderen österreichischen Provinz bestehen diese Missionäre nicht, und sie konnten nur in Ungarn Wurzel fassen, wo während des großen Brückenbaues in Pest sich viele englische Werkführer befanden und den Grund zur Eröffnung eines Bethauses daselbst gaben.

Der Ministerpräsident beabsichtiget den Baron Geringer anzuweisen, Fremde, bei denen eine Spur von politischen Umtrieben entdeckt wird, die wir alsoa hinausweisen können, ohne weiters aus dem Lande zu schaffen.

Der Ministerrat erklärte seine Zustimmung zu dieser beabsichtigten Verfügung1.

II. Ausschluß der Holstein-Lauenburgschen Abgeordneten von den Elbe-Schiffahrtskonferenzen

Der Ministerpräsident bemerkte weiter, eine vom Handelsminister erhaltene Note hinsichtlich der Elbe-Schiffahrtskonferenzen und der dabei zuzulassenden Abgeordneten dahin beantworten zu wollen, daß Abgeordnete von Holstein-Lauenburg zu diesen Konferenzen nicht zugelassen werden sollen, da dieselben nur von der dortigen Statthalterschaft einer Regierung, die wir nicht anerkennen, Vollmachten haben könnten und daher mit Abgeordneten von anerkannten Regierungen nicht wohl verhandeln können2.|| S. 312 PDF ||

Dagegen ergab sich keine Erinnerung3.

III. Julius Freiherr v. Haynausche Angelegenheit in London

Hierauf teilte der Ministerpräsident die eingelangte Antwort des Baron Koller in London über die Haynausche Angelegenheit mit dem Bemerkten mit4, daß er (Fürst Schwarzenberg) vor kurzem mit einem britischen Rechtsgelehrtenb, welcher unter dem vorigen dortigen Ministerium hohe Anstellungen bekleidete, darüber gesprochen und dessen Ansichten über diesen unangemessenen Vorfall entgegengenommen habe.

Derselbe bemerkte, daß, da nach der hierortigen Auffassung der Sache nur eine judizielle Satisfaktion verlangt wird, wir diese nicht wohl erlangen werden, zu dessen Beweise er das diesfällige Verfahren nach den englischen Gesetzen auseinandersetzte. Es müßte nämlich die Identität der Personen, welche den Baron Haynau mißhandelten, beschworen und sie müßten in Anklagestand versetzt werden, und wird bei ihnen die Absicht des Todschlages nicht sichergestellt, was beinahe unmöglich ist, so kämen sie nur mit einer geringen Strafe davon. Zur Erläuterung dessen führte er ein Beispiel aus dem Leben des Feldmarschalls Herzogs von Wellington an.

Der Ministerpräsident las hierauf die von Baron Koller diesfalls eingelangten Depeschen und die Note des englischen Unterstaatssekretärs vor, worin dieser sein Bedauern über den Vorfall ausdrückt. Mit dieser Note, bemerkte der Ministerpräsident, können wir uns nicht zufriedenstellen, und derselbe wird den Baron Koller weiter angemessen instruieren5.

IV. Forderung des Ärars an Clemens Wenzel Lothar Fürst v. Metternich-Winneburg

Schließlich brachte der Ministerpräsident die in einem früheren Ministerrate bereits besprochenen Ersatzforderungen des Ärars an den Fürsten Metternich nochmals zur Sprache6.

Er bemerkte, daß hinsichtlich dieser Ersatzforderungen von der zu ihrer Prüfung aufgestellten Kommission zwei Hauptgrundsätze erörtert wurden. Nach dem ersten wäre der Fürst Metternich für alles verantwortlich zu machen, was während seiner Amtsführung an Staatsgeldern verausgabt und nicht gehörig verrechnet wurde; nach dem zweiten hätte der Fürst Metternich jetzt nur noch dafür einzustehen, was er wirklich empfangen oder was mit seinem Vorwissen oder auf seinen Auftrag ungebührlich verausgabt worden ist. Die Ziffer des Gesamtbetrages ad 1. ist aus dem Protokolle nicht näher ersichtlich. Die Posten ad 2. werden mit dem Betrage von 21.434 f. 35¾ Kreuzer angegeben.|| S. 313 PDF ||

Nach der Ansicht des Ministerpräsidenten hätte sich der Ministerrat nun auszusprechen, ob die definitive Reglung dieser Angelegenheit nach dem Grundsatze 1 oder 2 zu geschehen habe.

Der Ministerpräsident bemerkte, daß für die Annahme des zweiten Grundsatzes so viele und so wichtige Gründe zu sprechen scheinen, daß an dem Vorzuge dieses Grundsatzes kaum gezweifelt werden dürfte. Für denselben haben sich wichtige Kommissionsglieder, dann der Präsident des Generalrechnungs­direktoriums Graf Wilczek, der Justizminister und der Minister des Inneren erklärt, und er (der Ministerpräsident) trete gleichfalls dieser Ansicht bei.

Abgesehen von der Pietät, die man dem abgetretenen Staatskanzler Fürsten Metternich und seinen großen Verdiensten um den Staat schuldig ist, wäre es im hohen Grade unbillig zu fordern, daß Fürst Metternich nun nach 37 Jahren das vertrete, was in den Jahren 1813 und 1814 geschehen ist. Woher soll er die Beweismittel dazu nehmen; ein eigentliches Verschulden des Fürsten in dieser Angelegenheit lasse sich nicht annehmen, und es könnte auch die Verjährung gegen die Ansprüche des Ärars geltend gemacht werden.

Nach der Ansicht des Ministerpräsidenten wäre auszusprechen: a) daß der Fürst Metternich nur für jene Beträge hafte, die er empfangen oder die mit seinem Vorwissen oder über seinen Auftrag ungebührlich verausgabt worden sind; b) daß nach dem oberwähnten Grundsatze 2 nur die dort angegebenen 21.434 f.35¾ Kreuzer zur Pränotation auf die Güter des Fürsten gebracht, die allgemeine Pränotation auf diesen Gütern aber aufgelassen werde, und c) daß der Fürst Metternich eingeladen werde, auch in Ansehung der übrigen Forderungsansprüche des Ärars an ihn Auskünfte zu erteilen, worauf dann diese veraltete Angelegenheit einer definitiven Erledigung zugeführt werden könnte.

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß beharrte bei seiner über diesen Gegenstand schon früher ausgesprochenen Meinung. Nach seiner Ansicht handelt es sich hier nicht so sehr um die nach den obigen zwei Grundsätzen ausgemittelten Beträge, als vielmehr um die Aufrechthaltung des wichtigen Prinzipes, daß jeder Beamte verpflichtet sei, die zu Reisen oder anderen Angelegenheiten im Dienste erhaltenen Vorschüsse oder Beträge zu verrechnen, und wenn er dies nicht kann, zu ersetzen. Hat Fürst Metternich auf seinen Reisen Geschenke oder Ausgaben im Namen des Staates gemacht, so mag er es aufklären, und die Sache ist gut. Die Absicht des Finanzministers gehe keinesfalls dahin, dem um den Staat so hochverdienten Fürsten Metternich nur im geringsten zu schaden oder gegen ihn hart zu sein; nach seinem Dafürhalten wäre nur noch nicht alles aufzugeben, weil es noch nicht ausgewiesen und aufgeklärt ist, und weil die Gründe noch nicht im Namen dessen geltend gemacht worden sind, für den die Rechnung gelegt wird. Daß der Fürst Metternich unbedingtc für alles hafte, damit wäre Baron v. Krauß nicht einverstanden, sondern nur für das, wofür jeder andere Beamte, der Gelder vom Staate empfangen und die auf seinen Auftrag verausgabt wurden, zu haften hat, und bis zur Ausmittlung dieser Beträge wäre die Pränotation auf den Gütern des Fürsten nicht aufzulassen.|| S. 314 PDF ||

Nach der Ansicht des Ministers des Inneren Dr. Bach wäre das Gutachten der Kommission als maßgebend für die Beurteilung der Ansprüche des Staates an Fürsten Metternich anzunehmen, auf diesem Grunde die Ziffer auszumitteln, für welche derselbe haftet, und bis zu dieser (von der Kommission mit 21.434 f. 353/4 Kreuzer angenommenen) Ziffer die Pränotierung auf den Gütern des Fürsten aufzulassen, der Fürst Metternich aber einzuladen, über die anderen Punkte Aufklärung zu verschaffen.

Nach dieser mit dem obigen Antrage des Fürsten Ministerpräsidenten übereinstimmenden Ansicht, womit sich die Majorität der Stimmführer des Ministerrates vereinigte, wurde der Beschluß gefaßt, demgemäß nun der au. Vortrag an Se. Majestät erstattet werden wird.

dDer Finanzminister konnte aber von seiner wohlüberdachten Meinung nicht abgehend .7

V. Agitation des Wilhelm Graf Wurmbrand-Stuppach gegen die Grundentlastung

Der Minister des Inneren Dr. Alexander Bach brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß, als auf der Herrschaft Liblin des Grafen Wurmbrand die Grundentlastungskommission im Monate August d.J. erschien, sie auf der Amtslokalität einen in böhmischer Sprache verfaßten Aufruf des Grafen an die Untertanen vorfand, welcher in einer aufreizenden, unrichtige Angaben und Tatsachen darstellenden Sprache einen Protest gegen die Maßregel der Grundentlastung enthält. Der Graf sucht die Grundentlastung und die Art der Ausführung derselben als eine Gewaltmaßregel des Ministers des Inneren darzustellen, während diese Maßregel von dem Gesamtministerium angetragen und von Sr. Majestät Ah. genehmiget wurde8.

Der Minister des Inneren meinte, daß dieser nur Ausfälle gegen ihn enthaltende Aufruf des Grafen Wurmbrand fallen zu lasen wäre; mehrere andere Stimmen glaubten aber, daß, da es sich hier nicht um eine persönliche Sache, sondern um einen öffentlichen, eine Art von Aufreizung der Untertanen enthaltenden Aufruf handelt, die Sache nicht zu übergehen, sondern in ämtlichen Wege durch die Grundentlastungskommission zu rügen wäre9.

VI. Nachrichten über Hinausgabe nachgemachten Papiergeldes, die Verhandlungen des Katholikenvereines in Linz und die Wahlen für den Wiener Gemeinderat

Schließlich brachte noch der Minister des Inneren zur Kenntnis des Ministerrates

a) einen ihm zugekommenen angeblichen Plan, um die Monarchie durch gleichzeitige und massenhafte Hinausgabe von im Auslande täuschend nachgemachten öffentlichen Papieren zu stürzen10;|| S. 315 PDF ||

b) die im Wege der Polizeidirektion zu seiner Kenntnis gelangten Verhandlungen der Generalver­sammlung des Katholikenvereins in Linz11, und

c) die vorläufigen Resultate der Wahl des dritten Wahlkörpers zum Gemeinderate in Wien mit dem Beifügen, daß die Wahl mit vollständigster Ruhe vor sich ging und daß gegründete Hoffnung vorhanden sei, alle Wahlen werden im guten Sinne ausfallen12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 20. Oktober 1850.