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Nr. 404 Ministerrat, Wien, 29. September 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Schwarzenberg 30. 9.), Krauß 14. 10., Bach 30. 9., Schmerling 30. 9., Bruck, Thinnfeld, Thun, Csorich; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 4016 – KZ. 3489 –

Protokoll des am 29. September 1850 in Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerrates.

I. Notariatsordnung

Bei dieser von Sr. Majestät einberufenen Sitzung wurden vorerst die in Ah. Händen befindlichen Anträge des Justizministers wegen Einführung einer Notariatsordnung in Beratung gezogen1. Der vorgelegte Entwurf erhielt die Ah. Genehmigung, wobei Se. Majestät in Erinnerung zu bringen geruhten, daß die Oberlandesgerichte in der Instruktion angewiesen werden, sich über die Bewerber um Notarstellen mit den Statthaltern ins Einvernehmen zu setzen2.

II. Organisierung der Rechtsakademien in Ungarn

Hierauf wurden die Vorschläge des Unterrichtsministers bezüglich der Organisierung von Rechtsakademien in Ungarn erörtert3.

Es wurde hiebei beschlossen, den Schülern dieser Akademien nicht ausdrücklich die Pester Universität als diejenige zu bezeichnen, wo sie das letzte Jahr der Rechtsstudien zuzubringen haben, sondern ihnen diese Wahl unter den österreichischen Universitäten freizustellen.

Se. Majestät geruhten anzudeuten, daß es nicht rätlich scheine, sich jetzt schon durch die eine Zusicherung zu verpflichten, die Akademien zu Universitäten zu erheben, und der Unterrichtsminister erklärte hiernach, seinen Antrag in der Art zu modifizieren, daß sich die Regierung im allgemeinen die Abänderung der Akademieeinrichtungen vorbehalte.

Was die bevorstehende erste Besetzung der Professorsstellen an den kaiserlichen Rechtsakademien in Ungarn betrifft, zu deren Vornahme sich der Unterrichtsminister die Ah. Ermächtigung erbeten hatte, geruhten Se. Majestät diesen Minister aufzufordern, seine diesfälligen Besetzungsvorschläge fördersamst zu erstatten, wobei Se. Majestät die Ah. Geneigtheit ausdrückten, die Ernennungen sofort provisorisch auf drei Jahre zu treffen4.

III. Studienordnung für die Fakultätsstudien

Aus Anlaß des hierauf in Beratung gezogenen Entwurfs einer Studienordnung für die Fakultätsstudien5 geruhten Se. Majestät der Kaiser die Frage aufzuwerfen, ob es nicht besser wäre auszusprechen, daß alle von ausländischen Universitäten relegierten Studenten auch von österreichischen Universitäten ausgeschlossen seien, als diese Ausschließung bloß gegenüber jenen Studenten handzuhaben, welche von Universitäten relegiert wurden, wo das reziproke Verfahren gegen die aus Österreich relegierten beobachtet wird, indem es rätlich scheine, sich von relegierten Subjekten ohne Unterschied möglichst frei zu erhalten.

Diese Frage wurde einstimmig bejaht und nur zweckmäßig befunden, die Aufnahme relegierter Studenten von ausländischen Universitäten an inländischen Anstalten ausnahmsweise den höheren Behörden anheimzustellen, da es bei dem auf gewissen fremden Universitäten herrschenden Geiste nicht unmöglich sei, daß ein österreichischer Student von dort ohne eigentliches Verschulden, ja selbst wegen seiner loyalen Haltung relegiert werde.

Schließlich vereinigte man sich über Ah. Anregung, aus dem bezüglichen Vortrage die Hinweisung auf analoge Präzedentien und Gewohnheiten im Auslande wegzulassen6.

Diese Studienordnung wird auch an der Pester Universität mit den nötigen kleinen Änderungen eingeführt werden7.

IV. Organisierung der höheren protestantischen theologischen Lehranstalt

Bei der sonach stattgefundenen näheren Erörterung der Vorschläge zur Organisierung der höheren protestantischen theologischen Lehranstalt wurde in Folge einer von Seiner Majestät gemachten Andeutung beschlossen, daß nachdem diese Lehranstalt doch nicht mit einer Universität gleichgestellt sei, dem Lehrkörper derselben auch nicht das Recht der Entscheidung über die Aufnahme eines anderweitig relegierten Studenten eingeräumt werde, sondern diese Entscheidung vom Ministerium des Unterrichts über Antrag des Lehrkörpers erfolge8.

V. Einführung der Verzehrungssteuer in Ungarn

Der Finanzminister entwickelte hierauf seine bereits in früheren Sitzungen beratenen au. Anträge wegen Einführung der Verzehrungssteuer von Branntwein und Bier in Ungarn9. Seine Majestät geruhten diesen Anträgen die Ah. Genehmigung zu erteilen und dem diesfälligen Patente die Ah. Namensunterschrift beizufügen10.

VI. Sendung Ludwig v. Rosenfelds nach Siebenbürgen; Auszeichnung für Theodor Weiss v. Starkenfels

Ebenso erhielten die weiteren Anträge des Finanzministers wegen Absendung des Ministerialrats v. Rosenfeld nach Siebenbürgen zur Organisierung der Finanzbehörden, dann wegen Auszeichnung des von dort zurückzuberufenden Regierungsrates v. Weiss durch den Orden der Eisernen Krone III. Klasse die Ah. Genehmigung11.

VII. Landesverfassungen für Galizien und die Bukowina

Schließlich erteilten Se. Majestät den gemäß der Beschlüsse vom 27. l.M. modifizierten au. Anträgen wegen der Landesverfassung und politischen Organisierung in Galizien und der Bukowina die Ah. Genehmigung mit gleichzeitiger Ah. Unterzeichnung der diesfälligen Patente12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 23. Oktober 1850.