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Nr. 400 Ministerrat, Wien, 25. September 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 26. 9.), Krauß 30. 9., Bach 30. 9., Schmerling 30. 9., Bruck, Thinnfeld 30. 9., Thun, Csorich 30. 9.; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 3990 – KZ. 3483 –

Protokoll der am 25. September 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Errichtung eines Reichsgerichtes

Der Justizminister Ritter v. Schmerling fand sich bestimmt, mit Beziehung auf die gestern bei Sr. Majestät abgehaltene Ministerratssitzung, wobei unter anderen auch die Errichtung eines Reichsgerichtes zur Untersuchung und Aburteilung des Hochverrates besprochen wurde, auf einige dort in Erwägung gebrachten Bestimmungen zurückzukommen1. Da nach längerer Besprechung über diesen Gegenstand der Ministerrat auch in dieser Sitzung zu keinem definitiven Beschlusse beziehungsweise Antrage an Se. Majestät hierüber gelangt ist, so behielt sich der Justizminister vor, diese Angelegenheit in einer späteren Sitzung nochmals zur Sprache und Erwägung des Ministerrates zu bringen2.

II. Drei Todesurteile

Derselbe Minister trug hierauf drei Todesurteile vor: a) gegen Anna Popovics wegen Kindesmordes, b) gegen Johann Gabcsok wegen wiederholter Brandlegung, und c) gegen Cserna Juon wegen Raubmordes, mit Unterstützung des Antrages des Obersten Gerichtshofes auf Ag. Nachsicht der Todesstrafe für alle drei und Überlassung der obersten Gerichtsstelle, dafür eine angemessene zeitliche Strafe zu bestimmen, wogegen sich keine Erinnerung ergab3.

III. Einführung der Verzehrungssteuer in Ungarn

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte nun die Einführung der Verzehrungssteuer in Ungarn in Anregung. Das dringendste, was diesfalls behufs der baldigen und vollständigen Aufhebung der Zwischenzollinie zu geschehen hätte, sei die Einführung dieser Steuer dort auf Branntwein und Bier4.

Er bemerkte vor allem, daß nach den Anträgen der diesfalls aufgestellten Kommission, mit denen sich die ungarische Kameralverwaltung einverstanden erklärte, hinsichtlich der Verzehrungssteuer für Ungarn die Vorschriften so, wie sie in Ansehung dieser Steuer in den deutschen Provinzen bestehen, auch in Ungarn Geltung erlangen sollen5.|| S. 296 PDF ||

Was insbesondere den Branntwein betrifft, so wären für denselben auch die in den deutschen Provinzen geltenden Steuersätze in Anwendung zu bringen. Was dagegen das Bier anbelangt, fand die Kommission den in den deutschen Provinzen geltenden Satz von 45 Kreuzer für einen Eimer für Ungarn zu hoch und meinte, daß der für Galizien angenommene Satz von 30 Kreuzer per Eimer auch für Ungarn Geltung erhalten sollte.

Der Finanzminister erkennt zwar gleichfalls den in den deutschen Provinzen geltenden Satz von 45 Kreuzer per Eimer für Ungarn zu hoch, glaubt aber nicht, für dieses Land wegen der von Galizien verschiedenen Verhältnisse auf den für Galizien festgesetzten Satz von 30 Kreuzer per Eimer herabzugehen, sondern diesen für Ungarn mit 36 Kreuzer per Eimer in Antrag zu bringen, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte6.

IV. Gehaltsregulierung für die Professoren am Agramer Gymnasium

Gegen die von dem Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Grafen Thun angetragene Regulierung beziehungsweise Erhöhung der Gehaltea für die Professoren an dem Gymnasium zu Agram bzu dem an den Gymnasien zweiter Klasse in den übrigen Kronländern bestehenden Ausmaßeb ergab sich weder von Seite des Finanzministers noch der übrigen Stimmführer des Ministerrates eine Erinnerung. In welcher Sprache an diesem Gymnasium gelehrt werden soll, will der Minister ganz unberührt lassen und nur dafür sogen, daß tüchtige Professoren daselbst angestellt werden.

In diesem Sinne wird der Minister den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten7.

V. Regulierung des Neusohler katholischen Gymnasiums

Ebenso wurde diesem Minister beigestimmt, in Neusohl ein katholisches Gymnasium den Bedürfnissen und Interessen der Slowakei angemessen zu regulieren. Das dort bestehende Gymnasium ist das einzige in Ungarn, welches nicht von geistlichen cOrden versehen wirdc .

Der Bischof erklärte sich bereit, gegen einen angemessenen Beitrag aus dem Studienfonds das Gymnasium mit geistlichen Professoren zu versehen. Vier Professoren mit den jetzigen Gehalten bleiben, zwei weitere werden entfernt und ein neuer Direktor und ein Professor angestellt werden.

Heuer wird dieses Gymnasium noch als Untergymnasium bestehen, dann aber wird jährlich eine neue Klasse hinzukommen, bis ein vollständiges Gymnasium daselbst hergestellt ist8.

VI. Munizipalkongregation von Venedig um Nachsicht eines Ersatzes von 63.000 Lire

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte eine ihm unterm 4. d.M. zugekommene Eingabe der Munizipalkongregation der Stadt Venedig zur Sprache, worin sich beschwert wird, daß der Stadt der auf 63.000 Lire erhobene Wert der an die Rebellen übergegangenen österreichischen Vorräte des Militär­verpflegsmagazins und einer Sendung von Getreide, welche von der feindlichen Flotte aufgegriffen und weggenommen wurde, zum Ersatze auferlegt werden will9.

Der hierüber zur Abgabe seiner Äußerung aufgeforderte Statthalter v. Toggenburg bemerkt, daß der erwähnte, der Stadt Venedig zum Ersatze auferlegte Betrag zu den mehrere Millionen betragenden Unglücksforderungen des Staates für Verpflegsgegenstände, Einrichtungen der Kasernen, Spitäler u. dgl. gehöre, welche die letzten Kriegsereignisse daselbst verursacht haben, daß aber die Behauptung der Stadt nicht ganz ungegründet sei, daß diese Schäden durch die sardinische Kriegsentschädigung, durch die Tresorscheine und die doppelten Grundsteuer als getilgt betrachtet werden können, da das erwähnte Onus nicht die Stadt allein, sondern das ganze Land betreffe.

Der Minister des Inneren findet diesen Gegenstand zu einer definitiven Erledigung derzeit noch nicht reif und glaubt, sich heute lediglich die Zustimmung des Ministerrates erbitten zu sollen, einen umständlichen Bericht über solche Ersatzposten, und zwar nicht bloß in den venezianischen sondern auch in den lombardischen Provinzen abfordern und diesen dann zum Gegenstande einer Verhandlung mit dem Kriegsminister und dem Finanzminister machen zu dürfen, in der Absicht, um sich über die Grundsätze zu einigen, wie dieser Gegenstand einer definitiven Erledigung zugeführt werden könnte.

Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden10, wie auch

VII. Kompetenz der Gemeinden zur Bewilligung von Konkurrenzbeiträgen

mit dem weiteren Antrage desselben Ministers hinsichtlich der Kompetenz der verschiedenen Gemeinden, Konkurrenzbeiträge zu Bauten (Straßen-, Kirchen-, Schulbauten etc.) zu bewilligen, den beschränkenden Beisatz aufzunehmen, daß den Gemeinden diese Kompetenz mit Vorbehalt der Bestimmungen des nächstens zu erlassenden Konkurrenzgesetzes gewahrt werden solle.

Das Konkurrenzgesetz, wozu die Vorschläge der Landeschefs nach und nach einlangen, werde, wie der Minister Dr. Bach bemerkte, in nicht gar langer Zeit zum Vortrage gebracht werden11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Innsbruck, den 7. Oktober 1850.