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Nr. 399 Ministerrat, Wien, 24. September 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Schwarzenberg 28. 9.), Krauß 30. 9., Bach 30. 9., Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Csorich 30. 9.; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 3976 – KZ. 3482 –

Protokoll des am 11. Juli 1850 zu Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerrates.

I. Organisierung des Reichsgerichtes

Den ersten Gegenstand der heutigen, von Sr. Majestät angeordneten Beratung bildeten die Anträge wegen Organisierung des Reichsgerichts1.

Se. Majestät geruhten Allerhöchstsich über mehrere der vorgeschlagenen Bestimmungen nähere Aufklärungen und Motive erstatten zu lassen.

Modifikationen der au. Organisierungsanträge wurden bei folgenden Punkten über Allerhöchstenorts ergangene Andeutungen beschlossen:

Zum § 17. Daß ein inkaminierter Prozeß nur über ausdrückliche Erklärung des Generalprokurators als aufgegeben zu betrachten sei, um möglichen Präjudizierungen durch ein Fristversäumnis von Seite des Generalprokurators vorzubeugen.

Zum § [24]. Daß dem Reichsgerichte auch die Befugnis einzuräumen sei, „aus wichtigen öffentlichen Rücksichten“ – namentlich der Sittlichkeit und der äußeren Politik – sich in geheimer Sitzung zu versammeln.

Zum § 26. Daß dem Reichsgerichte die Ermächtigung, im Urteile bis unter das Minimum der gesetzlichen Strafe des Hochverrats herabzugehen, nicht zu erteilen sei, weil dadurch einerseits die auf diesem Verbrechen stehende Strafsanktion geschwächt und andererseits dem Begnadigungsrechte des Souveräns gewissermaßen vorgegriffen wird. Dieser Paragraph hat daher wegzubleiben.

Ebenso hat der Satz des au. Vortrages, welcher von der Mitwirkung des Reichstags bei der Bestellung der Richter des Reichsgerichtes [spricht], wegzubleiben, um diese Frage nicht zu präjudizieren2.

II. Neuauflage des Strafgesetzes

Hierauf wurde zur Beratung der Anträge des Ministerrates wegen der kundzumachenden neuen Auflage des Strafgesetzes geschritten3.

Über von Seite Sr. Majestät ausgegangene Anregung wurden folgende Beschlüsse gefaßt:

a) den § 149, wodurch die Bestattung der Selbstmörder und der im Duell Gebliebenen auf dem Kirchhofe verfügt wird, wegzulassen, um Konflikten auszuweichen. Andererseits ist bereits durch eine eigene Ah. Entschließung die Bestattung der Selbstmörder auf dem Kirchhofe angeordnet4.|| S. 293 PDF ||

b) im § 23 ausdrücklich zu erklären, daß mit jeder Verurteilung wegen eines Verbrechens der Verlust des Wahlrechts und der Wählbarkeit zu dem Reichstage, den Landtagen und Gemeindeausschüssen sowie die Ausschließung von diesen Körperschaften und von dem Amte eines Geschwornen verbunden sei.

c) Aus dem au. Vortrage der Passus, der von dem Mangel an Einklang zwischen dem Strafgesetze vom Jahre 1803 und zwischen dem Preßgesetze handelt, ganz wegzulassen sei5.

III. Reduktion des Militär- und sonstigen Staatsaufwandes

Der Finanzminister brachte mit Beziehung auf seinen in Ah. Handen befindlichen Vortrag die dringende Notwendigkeit einer weiteren Reduktion des Militäraufwandes zur Sprache6. Dieser Aufwand betrage statt 85 die Summe von 110 Millionen bei einem Stande von mehr als 600.000 Mann.

Der Minister des Äußern erklärte, daß, solange Preußen sich nicht entwaffnet hat, wir auch gerüstet bleiben müßten; dies hindere jedoch nicht, eine bedeutende Reduktion im Loco-Stande eintreten zu lassen.

Der Kriegsminister äußerte, daß teilweisea Beurlaubungen bei der gemeinen Mannschaft der Infanterieregimenter vom militärischen Standpunkte aus keinem Anstande unterliegen bund eine Verminderung der Dotation bereits erfolgt istb . Dagegen müsse er sich gegen eine Verminderung der Chargen und gegen jede Reduktion der Kavallerie cund Artilleriec aussprechen.

Se. Majestät erklärten die Ah. Absicht, den Finanzen durch eine Loco-Standesreduktion von etwa 30 Mann per Kompanie eine Erleichterung zuzuwenden, machte aber den sämtlichen Ministern zur Pflicht, daß jeder in seinem Administrationszweige darauf bedacht sei, möglichst zu sparen, weil nur durch eine allseitig befolgte ökonomische Gebarung eine Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Staatshaushalte möglich sei7.

IV. Beginn der Wirksamkeit des Stempelpatentes in Ungarn, Kroatien etc

Der Finanzminister erwirkte ferner die Ah. Genehmigung zu seinem au. Antrage, den Anfangspunkt der Wirksamkeit des Stempelpatents in Ungarn, Kroatien und Slawonien vom 1. Oktober auf den 1. November 1850 hinauszurücken, nachdem die Kundmachung dieses wichtigen neuen Gesetzes in diesen Ländern noch kaum beendigt ist, die Bevölkerung mit den Bestimmungen desselben erst bekannt werden und manche ämtliche Voreinleitung erst getroffen werden muß8.

V. Rehabilitierung Johann v. Balassas

Schließlich referierte der Unterrichtsminister über die [Auskünfte] bezüglich der politischen Haltung des Professors Dr. Balassa in Pest9. Die infolge mündlichen Ah. Auftrags eingeholten verläßlichen Auskünfte hierüber lauten günstig, und Balassa ist offenbar nur durch böswillige, aus Brotneid hervorgegangene Denunziationen in gerichtliche Untersuchung verwickelt worden. Es dürfte hiemit seine Rehabilitierung als Professor der Medizin an der Pester Universität Ag. bewilligt werden.

Dieser Antrag, mit dem sich die übrigen Minister vereinigten, wurde sofort Ag. genehmigt10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Innsbruck, den 7. Oktober 1850.