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Nr. 384 Ministerrat, Wien, 18. August 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 19. 8.), Krauß 21. 8., Bach 23. 8., Schmerling, Bruck, Csorich, Kulmer 21. 8.; abw. Stadion, Thinnfeld, Thun.

MRZ. 3390 – KZ. 2963 –

Protokoll der am 18. August 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Lombardisch-venezianische Anleihe

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß besprach zunächst die ihm gestern zugekommene ausführliche Eingabe der Kommission im lombardisch-venezianischen Königreiche zur Zustande­bringung eines Anlehens behufs der Einziehung der dortigen Tresorscheine1. Er rekapitulierte die früheren diesfälligen Anträge und die der Deputation des lombardisch-venezianischen Königreiches hinsichtlich dieses Anlehens erteilten Weisungen mit dem Bemerken, daß die Regierung allen billigen Wünschen des Landes diesfalls bereits entsprochen habe.

Was die in der Eingabe von gestern vorgebrachten Gegenbemerkungen und Anträge der Kommission anbelangt, welche sich auf die Gewährung eines längeren als des bereits ausgesprochenen zweimonatlichen Termins, auf den Betrag des Anlehens, welcher, da ein Teil der Tresorscheine bereits eingezogen ist, um diesen eingezogenen Teil vermindert werden dürfte, auf den 50%igen Zuschlag zur Steuer (von welchem 25% für das Staatsanlehen und 25% für die Interessen von den Tresorscheinen und zur Tilgung der daraus entstandenen Schuld bestimmt sind), auf den Punkt wegen der Garantie des Anlehens und auf die Zuziehung der Kommission zur Bestimmung des Minimalanbotes und dgl. beziehen und die am Schlusse in der Bitte zusammengefaßt werden, das Ministerium möge die Konvention im ganzen so, wie sie von der Deputation vorgeschlagen wurde, genehmigen, glaubte der Finanzminister bemerken zu sollen, daß in eine unbedingte Gutheißung der Anträge der Kommission sich nicht eingelassen werden könne, weil sie einige Punkte enthalten, die die Regierung nicht genehmigen kann, und daß man bei dem Umstande, wo alles Wesentliche ohnedies schon früher zugestanden wurde, bei den ergangenen Beschlüssen beharren sollte. Was dagegen das bloß formelle der Angelegenheit anbelangt, so wäre diesfalls den billigen Wünschen der Kommission und ihrem Selbstgefühl und Eigenliebe angemessene Rechnung zu tragen und hiernach ohne Anstand zu bewilligen, daß die Kundmachung des Anlehens von der Regierung gemeinschaftlich mit der Kommission ausgehen werde, daß in der Kundmachung davon gesprochen werde, die Garantie werde in der von den Provinzen angebotenen Art angenommen, daß die Verhandlungen unter der Leitung des Ministerialrates Schwind mit Zuziehung der Glieder der Kommission stattzufinden haben und daß|| S. 219 PDF || auch sie bei der Bestimmung des Minimums des Anbotes vernommen werden sollen, jedoch, wie der Finanzminister meint, nicht schon tags vorher, sondern nur etwa zwei Stunden vor dem Ausbote des Anlehens. Unter welches Minimum Hofrat Schwind nicht zu gehen habe, werde ihm von hier aus bestimmt und bekanntgemacht werden.

Nach dem aübereinstimmend mit diesen Anträgena gefaßten Beschlusse des Ministerrates sollen die bereits früher hinsichtlich des in der Rede stehenden Anlehens festgesetzten Bedingungen beibehalten, hinsichtlich der Form aber alle tunlichen und das Selbstgefühl der Italiener schonenden Konzessionen gewährt werden.

Gleichzeitig mit dieser Entscheidung wäre weiter dem Ministerialrat Schwind zu bedeuten, daß, wenn das Anlehen unter den festgesetzten Bedingungen dennoch nicht zustande käme, er, ohne weitere Befehle von Wien abzuwarten, die Verteilung der ausgesprochenen Summe auf die Provinzen vorzunehmen, und daß dies geschehen werde, mit den bestimmtesten Worten auszusprechen habe2.

Gegen die Gestattung des von dem Finanzminister angetragenen weiteren Termins von vier Wochen, um für die ausgedehntere Bekanntmachung des Anlehens und Einrückung in die auswärtigen Zeitungen Zeit zu gewinnen, ergab sich keine Erinnerung3.

II. Gemeinderatswahl in Linz

Der Minister des Inneren Dr. Bach teilte mit, daß in der Stadtgemeinde Linz die Wahl des Gemeinderates und des Bürgermeisters ordnungsmäßig vor sich gegangen und daß zum Bürgermeister daselbst der dortige Kaufmann Körner, ein achtungswerter Mann, fast einstimmig (unter 30 mit 29 Stimmen) gewählt worden sei4. Der Statthalter trage auf die Genehmigung dieser Wahl an, womit sich der Minister des Inneren und der Ministerrat einverstanden erklärten5.

III. Vergütung der von der österreichischen Armee gemachten Requisitionen in Siebenbürgen

Derselbe Minister erwähnte hierauf der zwischen dem Ministerium des Inneren und dem Finanzministerium im Zuge begriffenen Verhandlung wegen Bezahlung der von der österreichischen Armee in Siebenbürgen gemachten Requisitionen6.

Er bemerkte, daß diese Angelegenheit in Ungarn bereits durchgeführt sei7 und ihre Durchführung auch in Siebenbürgen seinem Erachten zufolge bis auf einen Punkt keinem Anstande unterliegen dürfte. Dieser eine Punkt betrifft den Umstand, daß das Finanzministerium in seiner Note sich dahin ausgesprochen habe, daß von der Vergütung der Requisitionen die durch die letzten Ereignisse Kompromittierten ausgeschlossen sein sollen, und zwar nicht bloß jene, welche kriegsrechtlich verurteilt sind, sondern auch jene, welche aus der Untersuchung nicht vollständig gerechtfertigt hervorgehen.|| S. 220 PDF || Diese letztere Bestimmung, welche für Ungarn nicht festgesetzt wurde, scheint dem Minister des Inneren auch für Siebenbürgen nicht wohl anwendbar zu sein, und zwar umso weniger, als sie das bei den Militärgerichten bereits aufgehobene Purifikationsverfahren gleichsam wieder einführen würde, und er würde es für vollkommen genügend halten, wenn von jener Wohltat nur solche Individuen ausgeschlossen würden, gegen welche das kriegsrechtliche Urteil auf Vermögens­konfiskation bereits erflossen ist.

Mit dieser Ansicht erklärte sich der Finanzminister und der Ministerrat mit der allgemeinen Bemerkung einverstanden, daß für Siebenbürgen alles das zu gelten habe, was diesfalls für Ungarn festgesetzt worden ist8.

IV. Darlehen für die Stadt Szászrégen

Der Minister des Inneren referierte weiter, daß die Stadt Szászrégen in Siebenbürgen (unter Oberst Dorsners Anführung der Székler) geplündert und verwüstet worden sei und daß sich der erhobene Schaden auf 1,800.000 f. belaufe. Die Stadt bitte nun um eine Unterstützung oder ein Geschenk von paarmal hundertausend Gulden9. Der FML. Baron Wohlgemuth bemerkt darüber, daß er das Ansuchen um ein Geschenk im Prinzipe nicht unterstützen könne, daß aber der hart heimgesuchten Stadt ein unverzinsliches Darlehen von etwa 200.000 f., rückzahlbar in zehn Jahren, bewilliget werden dürfte. Der Minister Dr. Bach beschränkte sich heute lediglich auf das Ansuchen, der Ministerrat wolle sich im Prinzipe für die Gewährung eines solchen Darlehens im allgemeinen aussprechen, wo dann im Einverständnisse mit dem Finanzministerium die der Stadt Szászrégen zu bewilligende Summe näher bestimmt werden würde, und daß bei weiteren Gesuchen ähnlicher Art in derselben Weise vorgegangen werden dürfe.

Der Ministerrat hat seine Zustimmung hierzu erteilt10.

V. Dank- und Vertrauensadresse der Gemeinden des Egerer Kreises

Der Ministerpräsident las schließlich eine demselben gestern zugekommene Adresse der Gemeinden des Egerer Kreises in Böhmen vor, worin sie dem Gesamtministerium ihren tief gefühlten Dank für alle von demselben für das Wohl der Krone und des Volkes bisher getroffenen Verfügungen und Anordnungen, ihr volles Vertrauen zu demselben und ihre unbedingte Ergebenheit etc. etc. aussprechen11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Ischl, den 26. August 1850.