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Nr. 368 Ministerrat, Wien, 15. Julius 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 16. 7.), Krauß 17. 7. (bei IV abw.), Bach 17. 7., Schmerling 17. 7., Bruck, Thinnfeld 17. 7., Thun, Kulmer 17. 7., Degenfeld; abw. Gyulai, Stadion.

MRZ. 2868 – KZ. 2377 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 15. Julius 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Änderung des Staatsprüfungsgesetzes

Der Unterrichtsminister brachte zur Behebung der von Sr. Majestät im Ministerrate vom 11. d. [M.] sub II. zum § 3 des Gesetzentwurfes über die Staatsprüfungen erhobenen Bedenken mit Ah. Zustimmung folgende Maßregel in Vorschlag, daß adie Prüfungsstunden bei den von ihm angetragenen beiden Prüfungena auf drei vermehrt und die Zahl der Prüfungsgegenstände (§ 5) durch Weglassung der Philosophie und Weltgeschichte vermindert werde. Hiermit wäre der Ah. geäußerten Besorgnis begegnet, daß man sich binnen der kurzen Dauer der Prüfung die Gewißheit von der Befähigung des Kandidaten nicht verschaffen könne.

Was aber den im obgedachten Ministerrate bgefaßten Beschlußb betrifft, die Staatsprüfung auch in vier Abteilungen ablegen zu lassen, so erklärte der Unterrichtsminister, daß er cin der Weise, wie er von ihm aufgefaßt worden, so nämlich, daß die beiden Abteilungen doch als eine Prüfung aufgefaßt, in einem kurzen Zeitraume vor denselben Prüfungskommissären abgelegt und gemeinsam beurteilt werden, in der Ausführung auf unübersteigliche Schwierigkeiten stoßen würde, während, wenn vier selbständige Prüfungen gefordert würdenc, eine solche Einrichtung das ganze Prinzip des Gesetzentwurfs: Erprobung des Kandidaten, ob er die Berufsstudien in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenhange aufgefaßt und durchdrungen habe, umstoßen und in der Wesenheit dem System der Semestral- oder Annualprüfungen gleichkommen würde, welches seiner wesentlichen Fehler wegen und insbesondre darum verworfen worden ist, weil die Studierenden dabei wenige Wochen vor der Prüfung sich auf den Gegenstand derselben oberflächlich vorbereiten, um ihn dann bis zur nächsten wieder zu vergessen und mit dem neuen Gegenstande dasselbe Verfahren beginnen zu können.

Dem Antrage des Unterrichtsministers traten bei: der Handelsminister, der Stellvertreter des Kriegsministers und der Justizminister, letzterer in der Voraussetzung der vom Unterrichtsminister angegebenen Unausführbarkeit der Teilung der Staatsprüfung in vier Abteilungen oder Prüfungen.|| S. 152 PDF ||

Die Stimmenmehrheit jedoch (fünf gegen vier) war im Grundsatze gegen Beschränkung der Staatsprüfung auf bloß zwei Abteilungen, weil solche wegen der Masse und Wichtigkeit der Lehrgegenstände für die Mehrzahl der Studierenden unerschwinglich sein würde; weil es ferner mehr darauf ankommen dürfte, sich von der Gründlichkeit zu überzeugen, mit welcher die einzelnen Fächer studiert worden sind, als die von einem jungen Menschen kaum zu verlangende Auffassung des Gesamtstudiums in seinem Zusammenhange anzustreben, was, wenn darnach geprüft wird, gewiß nur zur Oberflächlichkeit führe; weil endlich die Besorgnis, daß das zu einer Prüfung Erlernte bis zur nächsten wieder werde vergessen sein, durch den Umstand entfällt, daß nicht wie früher acht Prüfungen aus ebenso vielen abgesonderten Materien in vier Jahren, sondern aus allen Fächern der Rechts- und politischen Wissenschaften vier, oder wenn man will, drei Prüfungen in zwei Jahren abgelegt werden müssen.

In dieser Beziehung wurde, um die Schwierigkeiten der Zusammensetzung der Prüfungs­kommissionen zu vermindern, über Vorschlag des Ministerpräsidenten durch Stimmenmehrheit beschlossen, die Zahl der Prüfungen mit dreien festzusetzen und die Einteilung der Materien in dieselben so wie die Ausführung des ganzen Gesetzes dem Minister des Unterrichts zu überlassen, welcher derklärte, daß er zwar diesem Beschlusse durchaus nicht beitreten könne, jedoch demselben Folge zu leisten sich genötigt sehe, was jedochd ohne wesentliche Umarbeitung des ganzen, auf einem anderen Prinzip beruhenden Entwurfs nicht werde bewerkstelligt werden können.

eHinsichtlich der im Ministerrate am 11. d. [M.] beschlossenene Bestimmung, daß, um die Staatsprüfung ablegen zu dürfen, drei Jahre an einer inländischen Universität müsse studiert worden sein, ferstattete der Unterrichtsminister die Aufklärung, daß in der von Sr. Majestät für das laufende Studienjahr Ah. genehmigten Studienordnung bereits ausgesprochen worden sei, daß es genüge, wenn von den vier Jahren des vorgeschriebenen Universitätsstudiums zwei Jahre an einer österreichischen Hochschule zugebracht wurden, aus welchem Grunde von dem oben erwähnten Beschlusse abgegangen wurdef .

Mit der Widmung der Prüfungstaxen zu einem Fonds für die Remunerierung der Prüfungskommissäre endlich war der Finanzminister gegen dem einverstanden, daß ein Anspruch auf Bestreitung der letzteren aus dem Ärar nicht erhoben und in den Vortrag nicht aufgenommen werde1.

Der Justizminister referierte

II. Todesurteile gegen Johann Molnár und Bonifaz Bartsch

über 2 Todesurteile

a. wider Johann Molnár wegen Raubmords und b. Bonifaz Bartsch wegen räuberischen Todschlags mit dem Antrage auf Nachsicht der Todesstrafe, wogegen nichts zu erinnern gefunden wurde2;

III. Gesetz über Justizpraxis und praktische Justizprüfungen

über den angeschlossenen Gesetzentwurf für die Kronländer, in denen die neue Justizorganisation in Wirksamkeit ist, wodurch für dieselben neue Bestimmungen über die verschiedenen Zweige der Justizpraxis und über die praktischen Justizprüfungen vorgeschrieben werdeng .

Hierbei gab nur die Bestimmung lit. C des § 5 zu einer Erörterung Anlaß. Während der Minister des Inneren und der Stellvertreter des Kriegsministers diese Bestimmung im allgemeinen für zweckmäßig erkannten, um insbesondere die Deutschen zur Erlernung einer der anderen im Reichsgesetzblatt angenommenen Sprachen zu nötigen, andererseits aber der Unterrichtsminister den Zwischensatz: „und darunter insbesondere auch der deutschen“ im Interesse der Gleichberechtigung beseitigt, dagegen aber den Beisatz eingeschaltet zu sehen wünschte, daß zwei slawische Sprachen nur für eine gelten sollen, erklärte sich die Stimmenmehrheit unter Beitritt des Justizministers selbst für die gänzliche Hinweglassung des ganzen Absatzes c auf den Antrag des Ministers für Landeskultur , weil diejenigen Kandidaten des Richterstandes, denen an ihrem Fortkommen gelegen ist, ohnehin selbst sich bemühen werden, durch Erlernung mehrerer Sprachen sich für mehrere Posten zu qualifizieren, ein Zwang aber, insbesondere bei Voranstellung der deutschen Sprache verletzend wirken und dadurch dem beabsichtigten Zwecke eher abträglich als förderlich sein würde3.

IV. Wahl des Kaisers zur Gemeindevertretung in Mannersdorf

Der Minister des Inneren referierte über die auf der k.k. Avitikalherrschaft Mannersdorf stattgefundene Wahl Sr. Majestät des Kaisers als dortigen Gutsherrn zum Gemeindeausschuß4. Da eine solche Stelle mit einer Verantwortlichkeit der Gemeinde gegenüber verbunden, also mit der Majestät unvereinbar ist, so wäre der Gemeinde Mannersdorf unter Anerkennung ihrer durch diese Wahl an den Tag gelegten loyalen Gesinnung durch den Güterdirektor Sr. Majestät in diesem Sinne die Erledigung hinauszugeben, zu welchem Ende der Minister des Inneren die geeignete Mitteilung an das Ministerium des k.k. Hauses machen wird.

Der Kultusminister erachtete hiebei, es sei im allgemeinen zu erklären, daß ähnliche Wahlen nicht stattfinden und daß, wenn sie dennoch vorkommen sollten, es Se. Majestät vorbehalten bleibe, einen Stellvertreter zu bestimmen5.

Der Finanzminister hatte dem Vortrag dieses Gegenstandes nicht beigewohnt.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 28. Juli 1850.