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Nr. 362 Ministerrat, Wien, 5. Juli 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 6. 7.), Krauß 10. 7., Bach 8. 7., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 8. 7., Thun, Kulmer 8. 7., Degenfeld; abw. Stadion, Gyulai.

MRZ. 2740 – KZ. 2283 –

Protokoll der am 5. Juli 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses, Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Deutsche Frage

Der Ministerpräsident teilte dem Ministerrate mit, daß der preußische Gesandte am hiesigen Ah. Hofe Graf v. Bernstorff heute früh von Berlin zurückgekommen ist und ihm vor kurzem einen Besuch abgestattet hat. Er habe die Nachricht gebracht, daß man in Berlin von der im Schwunge befindlichen Bundesstaatspolitik nicht ablassen wolle.

Eines sei jedoch nach seiner mündlichen Mitteilung in Aussicht, nämlich daß man es in Berlin von der Verfassung vom 25. Mai 1849 abkommen lassen dürfte1.

II. Klassifikation der ungarischen Kompromittierten

Bemerkte der Ministerpräsident, daß ihm die von dem FZM. Baron Haynau eingesendeten Akten in der ungarischen Angelegenheit zugekommen seien2. Hierüber wird dem FZM. Baron Haynau vorläufig erwidert, daß man sein Schreiben und auch die Akten erhalten habe, daß eine Kommission zur Durchsicht derselben in kürzester Zeit zusammentreten werde, worauf dann die Ah. Schlußfassung Sr. Majestät hierüber dem Feldzeugmeister werde mitgeteilt werden3.

III. Amnestierung ungarischer Zivilisten

Der Minister des Inneren Dr. Alexander Bach referierte, daß er einen Gnadenakt zur Bevorwortung bei Sr. Majestät in Antrag zu bringen habe, nämlich daß Personen aus dem Zivilstande in Ungarn ebenso behandelt werden wie die Offiziere von dem Monate August4. Er habe eine Kommission zu diesem Ende zusammentreten lassen, um die der Ah. Gnade zu empfehlenden Individuen zu sichten. Die Kommission hat mehrere Personen bezeichnet, welche wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit zur Ah. Begnadigung nicht geeignet erscheinen, wogegen andere Personen der|| S. 126 PDF || Ah. Gnade Sr. Majestät zu empfehlen wären (wie es auch mit den Offizieren geschehen ist). Diese Ah. Gnade wäre auch auf die zahlreichen, in den Festungen sitzenden Verurteilten auszudehnen, welche mehr als die Hälfte der Strafzeit bereits überstanden haben.

Der Minister Dr. Bach teilt die Ansicht der Kommission, und der Ministerrat stimmte ihm bei, die Ah. Begnadigung Sr. Majestät für diese Fälle sich zu erbitten5.

IV. Wasserleitung in Zara

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte hierauf einen veralteten, ihm von dem Ministerium des Inneren zugekommenen Streitgegenstand zwischen dem Steinlieferanten zu der Wasserleitung in Zara und dem Ärar zum Vortrage6.

Der Unternehmer der Steinlieferung zu der gedachten Wasserleitung hat Maschinen aus Anlaß dieses Geschäftes anfertigen lassen und viele Steine zu dem Baue verführt. Die Behörden in Zara meinten, daß derselbe noch mehr zu leisten habe, und haben bei seiner Weigerung sowohl die Maschinen als die Lieferung mit Beschlag belegt. Der Unternehmer, welcher hierdurch sehr beschädiget wurde, hat bedeutende Forderungen in Anspruch genommen, welche er im ganzen auf 43.150 f. bezifferte. Die Behörden beziehungsweise das Ärar hat Gegenforderungen gestellt, welche jedoch in der Folge aufgegeben wurden. Der Beschädigte erklärte nach langen Verhandlungen, sich zufrieden zu stellen, wenn ihm in allem 7000 f. bewilliget werden7. Der Finanzminister findet diesen Anspruch nicht unbillig und meint, daß dem Lieferanten diese Entschädigung zu bewilligen wäre, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte8.

V. Auszeichnung für Karl v. Appeltauer

Dem Antrage des Ministers des Kultus und Unterrichtes Grafen Leo Thun auf die Auszeichnung des alten pensionierten Professors Appeltauer, welcher sich durch seine langjährigen ersprießlichen Dienste im Lehrfache und durch andere geleistete Arbeiten wesentliche Verdienste erworben hat, mit dem Ritterkreuze des Franz-Joseph-Ordens stimmte der Ministerrat ebenso bei9 wie

VI. Auszeichnung für Anton Slawikowski

dem weiteren Antrage desselben Ministers, dem außerordentlichen Professor der Augenheilkunde in Lemberg Dr. Anton Slawikowski für seine beinahe 30-jährige unentgeltliche und belobte Versehung der außerordentlichen Lehrkanzel der Okulistik in Lemberg und für seine ebenfalls unentgeltliche Dienstleistung in diesem Fache in verschiedenen|| S. 127 PDF || Anstalten in Lemberg das goldene Verdienstkreuz mit der Krone von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 12. Juli 1850.