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Nr. 361 Ministerrat, Wien, 4. Juli 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Schwarzenberg 5. 7.), Krauß 10. 7., Bach 7. 7., Gyulai 15. 7., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 5. 7., Thun, Kulmer 5. 7.; abw. Stadion.

MRZ. 2720 – KZ. 2281 –

Protokoll des am 4. Juli 1850 zu Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerrates. Gegenstand der heutigen von Sr. Majestät Ah. angeordneten Beratung waren:

I. Gerichtsorganisation in Siebenbürgen

die Anträge des Ministerrates bezüglich der Gerichtsorganisation im Großfürstentum Siebenbürgen1.

Se. Majestät geruhten Allerhöchstsich über die Motive und die Tragweite einzelner Anträge Aufklärungen erstatten zu lassen und infolge derselben die gestellten Anträge Ag. zu genehmigen2.

II. Aufhebung des Bergzehentbezuges in Böhmen etc.

Ein weiterer Gegenstand der Erörterung waren die von dem Minister für Landeskultur im Vernehmen mit dem Ministerrate erstatteten au. Anträge wegen Aufhebung des den Ständen von Böhmen, Mähren und Schlesien eingeräumten Bergzehentbezuges und wegen Entschädigung dafür aus dem Staatsschatze3.

Es wurde einstimmig anerkannt, daß, nachdem dieser Zehentbezug nur den Mitgliedern der Stände als solchen ursprünglich zugestanden wurde, dermal – wo keine ständische Verfassung in jenen Kronländern mehr besteht und somit niemand mehr die Eigenschaft eines Landstandes besitzt – ein strenger Rechtsanspruch auf Fortbezug des Zehents oder auf Erfolgung einer Entschädigung für den Entgang desselben nicht wohl zuerkannt werden könne, daß es jedoch durch die höchste Billigkeit geraten erscheine, den durch die politischen Ereignisse ihrer ständischen Eigenschaft verlustig gewordenen Zehentberechtigten einen Ersatz für den Entgang ihres vom Staate eingezogenen Genusses zuzuwenden, zumal das Ärar bei Anwendung des vorgeschlagenen Entschädigungs­maßstabes entschieden im Vorteile ist.

Die weitere Frage, ob der Entschädigungsanspruch auch auf die Erben von gewesenen Ständen übergehe, wurde in verschiedenem Sinne beantwortet; die Minister des Bergwesens und der Finanzen stimmten für die Negation, während die Minister des Inneren und des Kultus einen solchen Anspruch anzuerkennen geneigt wären.

Man vereinigte sich daher, diesen diskutablen Punkt dermalen noch unentschieden zu lassen.|| S. 124 PDF ||

Über Anregung Sr. Majestät des Kaisers wurde beschlossen, einige Stellen des Vortrages über diesen Gegenstand einer neuen Textierung zu unterziehen, weil 1. ihre dermalige Fassung zur Voraussetzung Anlaß geben könnte, daß sich die österreichische Regierung ohne Einvernahme mit dem Reichstage überhaupt nicht ermächtigt halte, staatsrechtliche Fragen dieser Art zu entscheiden, und weil 2. der Begriff „der gesetzgebenden Gewalt“ dort in einem zu engen Sinne aufgefaßt erscheint4.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 10. Juli 1850.