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Nr. 351 Ministerrat, Wien, 15. Juni 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 15. 6.), Krauß 24. 6., Bach 22. 6., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 19. 6., Thun, Kulmer 19. 6.; abw. Gyulai, Stadion.

MRZ. 2448 – KZ. 2056 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 15. Junius 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses etc. Fürsten von Schwarzenberg.

I. Konstituierung des Fürstenkollegiums und der Versammlung in Frankfurt

Der Ministerpräsident teilte den Inhalt eines vertraulichen Notenwechsels mit der königlich preußischen Regierung in betreff der deutschen Angelegenheiten mit dem Bemerken mit, daß, nachdem preußischerseits die Konstituierung des Fürstenkollegiums bewirkt worden ist1, nunmehr nichts erübrige, als unsererseits zur Konstituierung der nach Frankfurt berufenen Vertreter der deutschen Staaten zu schreiten2.

II. Entlassung der quittierten Offiziere, die wegen Beteiligung am ungarischen Aufstand abgeurteilt worden sind

Der Ministerpräsident teilte weiters die Antwort des FZM. Baron Haynau auf den ihm unterm 6. d.M. zugekommenen Erlaß des Ministerrats3 mit, wornach er nunmehr sämtliche wegen Teilnahme an der ungrischen Rebellion kompromittierten ehemaligen, ohne Charakter ausgetretenen k.k. Offiziere in Freiheit gesetzt hat4.

Der Minister des Inneren erwähnte, daß bei diesem Anlasse dem Baron Haynau der Auftrag wegen Ausweisung sämtlicher ungrischer politisch Abgeurteilter vom 16. April 1850 in Erinnerung gebracht werde5.

III. Provisorium in betreff der Kassaanweisungen

Der Finanzminister brachte zur Kenntnis des Ministerrats, daß, da mit Ende d.M. die Verzinsung der bisher ausgegebenen Kassaanweisungen mit dem 1. Juli d.J. abläuft, hierwegen eine andere Verfügung getroffen werden müsse6.

Am einfachsten wäre von der mit Ah. Entschließung vom 13. 9. 1849 sanktionierten Maßregel wegen Hinausgabe der Reichsschatzscheine Gebrauch zu machen7. Allein die Bank nimmt Anstand gegen deren Hinausgabe für die kleineren Beträge unter 100 fr., insofern nicht die Vorschläge der Bankkommission zugleich in Ausführung gebracht werden, welche jedoch wieder von der Feststellung des Maximums für den Armeeaufwand abhängt. Da aber die Zeit drängt, so gedenkt der Finanzminister als transitorische Maßregel die Hinausgabe von Reichsschatzscheinen à 1.000, 500 und 100 fr. zu veranlassen, für die kleineren Beträge aber (50, 25, 10 und 5 fr.) mittels Aufdruckung eines Stempels den Abschluß der bisherigen Verzinsung ersichtlich machen und mit 1. Juli eine neue Verzinsung dieser Kategorien eintreten zu lassen8.

IV. Differenzen bei den kroatischen Landes- und Finanzstellen

Derselbe referierte weiters über einige Konflikte und Mißhelligkeiten in der Koordinierung der politischen und Finanzbehörden in Kroatien und Slawonien, und zwar:

1. Über das Begehren des Banus, daß alle Berichte des Vorstehers der Finanzbehörde v. Kappel durch ihn, Ban, an das Ministerium und dessen Erledigungen in demselben Wege zurückgelangen mögen9. Hierwegen hat der Finanzminister mit dem Banus und dem Minister Baron Kulmer die Ausgleichung dahin getroffen, daß alle Systemal- und Organisierungs-, endlich alle Dienstbesetzungsange­legenheiten unter Vermittlung des Banus zwischen dem Ministerium und Kappel verhandelt werden.

2. Ein Konflikt zwischen Kappel und Tomić, dem Vorsteher der kroatisch-slawonischen Direktion für direkte Steuern, in betreff einer Konkursausschreibung für eine erledigte Stelle ohne mit Kappel das Einvernehmen gepflogen zu haben, wurde vom Finanzminister durch eine entsprechende Zurechtweisung behoben10.

3. Kappel hatte sich mit einer deutschen Zuschrift an das Agramer Komitat gewendet, welches dieselbe unbeantwortet zurückschickte11. Mit der Ah. Entschließung vom 7. April 1850 ist zwar angeordnet, daß die Landesbehörden in der Regel unter sich in ihrer Korrespondenz der kroatischen Sprache sich zu bedienen haben, daß jedoch Se. Majestät von denselben|| S. 81 PDF || erwarten, daß sie davon den den Bedürfnissen des Dienstes angemessenen Gebrauch machen werden12. Mit Rücksicht hierauf wäre nun zwar dem Kappel aufzutragen, daß er, der früher schon kroatisch geschrieben hat, künftig fortan dieser Sprache sich in den Zuschriften an die politischen Landesstellen zu bedienen habe. Wegen der erfolgten Zurückweisung der deutschen Zuschrift von Seite des Agramer Komitats aber wäre nach dem Erachten des Finanzministers der Ban anzugehen, daß er dem Komitat wegen dieses, der obengedachten Ah. Erwartung Sr. Majestät wenig entsprechenden Vorganges eine Ausstellung mache. Nachdem jedoch, wie Baron Kulmer versicherte, jene Ah. Entschließung im Lande noch nicht publiziert worden ist, so wäre auch von der angetragenen Ausstellung Umgang zu nehmen13.

V. Rückzahlung des Vorschusses zur Theißregulierung an Rothschild und Sina

Handelt es sich um eine zwischen dem Handelsminister und dem Finanzminister obwaltende Differenz wegen der von Rothschild und Sina verlangten Rückzahlung der zur Theißregulierung vorgestreckten 165.000 fr.

Gegen die Rückzahlung selbst in thesi besteht kein Anstand, nachdem das Verhältnis der Theißregulierungsangelegenheit durch die unterm 7. 6. 1850 der Ah. Sanktion unterlegten Anträge wesentlich geändert worden ist14. Nur in Ansehung der Modalitäten der Rückzahlung weichen die Anträge des Handelsministers , der die Rückzahlung auf einmal wünscht, um bezüglich der Stellung der Staatsverwaltung zur Theißregulierungsgesellschaft sogleich ins Reine zu kommen, von der Ansicht des Finanzministers ab, welcher mit Rücksicht auf die Stipulationen des mit Rothschild und Sina abgeschlossenen Kontraktes15, wornach diese 400.000 fr. vorzuschießen gehabt hätten und die Rückzahlung nur in acht Jahresraten à 20.000 fr. fordern können, zur Schonung der ohnehin von allen Seiten auch mit Vorschüssen in Anspruch genommenen Finanzen die sukzessive Abtragung der Schuld nach Maßgabe des Kontraktes vorgezogen haben würde. Indessen erklärte er sich bereit, die Hälfte mit 80.000 fr. (da beiläufig soviel fällig sein dürfte) jetzt anzuweisen und wegen der Modalitäten der Rückzahlung des Restes mit den genannten Häusern in Unterhandlung treten zu wollen16.

VI. Darlehen für Neusatz

Referierte eben dieser Minister über die bezüglich der Ziffer des Darleihens für die Stadt Neusatz17 zwischen seinem Antrage im Vortrage vom 7. Juni 1850 und jenem des Ministers des Inneren in dessen Note vom 2. nämlichen M[onats]18 obwaltende Differenz, welche sich durch die Bemerkung behob, daß, wenn von der Beteilung der Kommune als solcher und von jener des Bistums Umgang genommen wird, der Antrag des Finanzministers auf 1,500.000 fr. in runder Summe dem Antrage des Generals Mayerhofer zugunsten der beschädigten Einwohner nahe kommt19.

VII. Gnadengabe für Clotilde Schrimpf

Dagegen blieb der Finanzminister mit seinem mittelst besondrem Protokollshefte vom 5. d. [M.] (KZ. 1934, MRZ. 2272) unter Nr. 12970/1664 vorgelegten Antrage auf Beteilung der Verwalterswitwe Clotilde Schrimpf mit einer Gnadengabe von 200 fr. gegen jenen des Ministers des Inneren auf 300 fr. in der Minorität, indem alle übrigen Stimmen sich dem letzteren Antrage anschlossen20.

VIII. Entschädigung der zum Bezuge des Bergzehnten Berechtigten

Der Minister für Landeskultur entwickelte seine Anträge in betreff der Einziehung des Bergzehnten in Böhmen, Mähren und Schlesien für den Staatsschatz und Entschädigung der bisherigen Bezugsberechtigten mit einer nach dem zehnjährigen Durchschnittsreinertrage berechneten jährlichen Rente vom 1. Juli an via provisoria bis zur erfolgenden reichstäglichen Entscheidung21.a

Der Gegenstand ist in einer von dem Minister mit Zuziehung von Abgeordneten des Ministeriums des Inneren, der Justiz und der Finanzen bsowie den Abgeordneten von vier der größten Bezugsberechtigten aus Böhmen und Mähren und Schlesienb gepflogenen kommissionellen Beratung erörtert und in der Hauptsache einstimmig nach seinen Anträgen angenommen worden22. Nur in zwei Punkten glaubte der Abgeordnete des Finanzministeriums sich mit den Anträgen der Kommission nicht vereinigen zu können, nämlich 1., daß den ständischen Gutsbesitzern, welche von allen im Bezirke ihrer vormaligen Grundherrlichkeit gelegenen Werken den Bergzehnten bezogen und, soferne diese Werke ihnen selbst gehörten, auch sich selbst den Zehnten davon bezahlten, auch für diesen letzteren die Entschädigung zu gewähren sei. Bei diesem Punkte war der Repräsentant des Finanzministeriums der Meinung, daß für den Zehnten, den die Gutsbesitzer in ihrem grundherrlichen Bezirke von ihren eigenen Werken sich selbst abnehmen und entrichten, keine Entschädigung zu leisten sei. Allein nachdem diese Besitzer den fraglichen Zehnten nunmehr dem Staate zu entrichten haben werden, so|| S. 83 PDF || erkannte der Ministerrat es nur für konsequent, ihnen auch dafür die Entschädigung zu reichen, wenn es auch, wie der Finanzminister bemerkte, am einfachsten sein würde, sie für diese Werke vom Zehnten überhaupt frei zu lassen. Eine zweite abweichende Ansicht jenes Repräsentanten war, daß man den Gutsherren an der zu gewährenden Zehntenentschädigung dasjenige abrechnen möge, was sie früher an Beiträgen für die Berggerichts­substitutionen entrichten mußten und gegenwärtig nicht mehr zu zahlen haben23. Aber auch diese Meinung beruht auf einer unrichtigen Voraussetzung, indem der Bergzehnte mit den Auslagen für die Berggerichtssubstitutionen in keiner Verbindung stehe, vielmehr für die letzteren die Quartembergelder bestimmt waren, welche gegenwärtig auch pro aerario eingezogen werden.

Nach dieser Auseinandersetzung trat der Ministerrat den Anträgen des Ministers für Landeskultur bei, welcher letztere hiernach den Vortrag an Se. Majestät erstatten wird24.

IX. Entwurf einer evangelischen Kirchenverfassung

Der Kultusminister hat den Entwurf zu einer evangelischen Kirchenverfassung im Reiche im wesentlichen nach dem Muster der für Ungern bestehenden ausarbeiten lassen25.

Nachdem der Minister die Grundzüge des neuen Entwurfs auseinandergesetzt hatte, machte er in Erwägung der Schwierigkeiten, auf welche die Durchführung einer neuen oktroyierten Verfassung dieser Art bei den Evangelischen im Reiche, insbesondere in den deutschen Provinzen, stoßen dürfte, den Antrag, den Entwurf mittelst eines nicht offiziellen Zeitungsblattes in angemessener Weise veröffentlichen zu lassen, um so der öffentlichen Meinung Gelegenheit zu geben, sich darüber auszusprechen.

Der Ministerrat, im allgemeinen auf diese Idee eingehend, wünschte jedoch vorerst von dem Entwurfe selbst nähere Einsicht zu nehmen. Der Kultusminister sicherte sofort die Mitteilung desselben zu, wobei der Finanzminister noch bemerkte, daß dieselbe (womöglich) auch mit einer Darstellung derjenigen Einrichtungen verbunden werden möge, welche diesfalls in protestantischen Staaten (Preußen oder Sachsen) bestehen26.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 28. Juni 1850.