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Nr. 350 Ministerrat, Wien, 14. Juni 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 16. 6.), Krauß 19. 6., Bach 20. 6., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 17. 6., Thun, Kulmer, Degenfeld; abw. Stadion, Gyulai.

MRZ. 2423 – KZ. 1896 –

Protokoll der am 14. Juni 1850 zu Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Bauten der Prag-Dresdner Eisenbahn nächst der Grenze

Der Handelsminister referierte, daß die sächsische Regierung auf die ihr infolge Ministerratsbeschlusses vom 1. Mai l.J. gemachten Vorschläge aganz eingegangen sei, sich jedoch nicht herbeilassen wolle, mehr als ein Dritteil statt der Hälfte der Kosten ohne Grundeinlösung für die Gebäude zum gemeinschaftlichen Gebrauche auf dem Bahnhofe zu Bodenbach mit 2% zu verzinsena .1

Nachdem die Differenz nicht bedeutend ist, so wurde beschlossen nachzugeben, um endlich zu einem definitiven Abkommen in dieser Angelegenheit zu gelangen2.

II. Aufhebung der Rindfleischsatzung in Wien

Der Handelsminister setzte den Ministerrat summarisch in Kenntnis von den Einleitungen, bwelche mit dem Ministerium der Justiz, des Inneren und der Finanzen gepflogen worden sindb zur Aufhebung der Rindfleischsatzung in Wien und zur Bildung der sogenannten Fleischkasse, woraus die Fleischer mit Vorschüssen zum Ankaufe von|| S. 75 PDF || Rindvieh beteilt werden, cdie mit Genehmigung des Ministerrates der Ah. Genehmigung unterzogen werdec .3

III. Verzicht Anton Ritter v. Martignonis auf den Konsulsposten in Ferrara

Nachdem der frühere Generalkonsulatsverweser zu Genua, Legationssekretär v. Martignoni, die ihm zugedachte Ernennung zum Konsul in Ferrara, welche er als Zurücksetzung betrachtet, nicht anzunehmen geneigt ist, sondern vor allem auf Vergütung seiner angeblich sehr bedeutenden Verluste bei der Flucht aus Genua dringt4, so wurde über Antrag des Ministers Freiherrn v. Bruck beschlossen, demselben eine Pauschalentschädigung von 1.000 f. anzuweisen und ihn, wofern er dann den Posten in Ferrara förmlich ablehnt, normalmäßig zu quieszieren, da seine Leistungen in Genua nicht so hervorragend waren, um besondere Ansprüche zu rechtfertigen5.

IV. Pensionierung Moriz Geörchs

Der Ministerrat vereinigte sich mit dem au. Antrage des Handelsministers auf Ag. Bewilligung des vollen Aktivitätsgehalts zu 500 f. als Pension für den Postoffizial Moriz Geörch, zumal er 344 f. an Emolumenten verliert und seinen Kollegen die gleiche Begünstigung zuteil wurde6.

V. Befestigungsbauten in Wien. Wirkungskreis der Reichsbefestigungskommission; Kompetenzbestimmungen zwischen Armeeoberbefehl und Kriegsminister

Der Handelsminister referierte, er habe infolge des von dem Ministerrate erhaltenen Auftrages mit dem FZM. Freiherrn v. Hess über den Stand der Angelegenheiten wegen Befestigung der Stadt Wien persönlich Rücksprache gepflogen und dabei in Erfahrung gebracht, daß die Reichsbefestigungs­kommission wegen schleuniger Herstellung von Türmen etc. auf drei Bastions und auf dem äußeren Burgtore bereits die Einleitungen getroffen habe, da diese Herstellungen über Antrag der Kommission mit Ah. Entschließung vom 12. April 1850 genehmigt worden sind7.

Der Minister erinnerte, daß die Frage über die Herstellung von Befestigungen auf den Basteien und über den Toren Wiens aus Anlaß der dahin gerichteten Anträge des Gouverneurs Baron Welden von dem Ministerrate wiederholt in Beratung gezogen wurden und jedesmal beschlossen worden sei, daß derlei Fortifikationen nicht herzustellen, sondern|| S. 76 PDF || Defensionskasernen im Inneren der Stadt zu erbauen wären. Da auch diese au. Anträge von Sr. Majestät genehmigend zur Nachricht genommen worden seien, scheine sich hier eine Art Kollision zu ergeben8. Andererseits zeige sich, daß die Reichsbefestigungskommission, deren Stellung bloß eine beratende sein könne, nachdem Se. Majestät die vollziehende Gewalt nur durch die verantwortlichen Minister ausüben, administrative Dispositionen treffe und ihren Wirkungskreis über die Sphäre der Ministerien der öffentlichen Arbeiten und des Krieges auszudehnen beabsichtige. Minister Baron Bruck halte sich daher zur Vermeidung wiederholter Kollisionen und Kompromittier­ungen, wie auch zur Erhaltung eines, den Grundbestimmungen der Reichsverfassung entsprechenden Geschäftsganges verpflichtet darauf anzutragen, der Ministerrat wolle sich an Se. Majestät den Kaiser mit der ehrfurchtsvollen Bitte um die Ah. Verfügung wenden, daß die Anträge der Reichsbe­festigungskommission künftig Sr. Majestät im Wege des Kriegsministers zu unterziehen seien, welcher letztere dieselben vorläufig im Ministerrate zur Beratung zu bringen hat, wenn dabei politische oder sonstige öffentliche Interessen beteiligt erscheinen, oder wenn überhaupt der Gegenstand den Wirkungskreis mehrerer Ministerien berührt.

Die Minister Dr. Bach, Ritter v. Schmerling, Ritter v. Thinnfeld, Baron Kulmer, Graf Thun und Baron Krauß vereinigten sich vollkommen mit dem Antrage des Freiherrn v. Bruck und glaubten ferner, daß Sr. Majestät dem Kaiser zugleich ehrerbietigst gegenwärtig zu halten wäre, wie wichtig es für die Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit der Krone sei, daß die Grenzen zwischen den Geschäften, welche in den Bereich des Oberbefehls über die gesamte bewaffnete Macht gehören, und jenen, welche in die Amtssphäre des verantwortlichen Kriegsministers fallen, genau gezogen werden. Der Ministerpräsident übernahm es, Sr. Majestät diese Bitten des tg. Ministerrats au. vorzutragen9.

VI. Armeereduktion

Der Finanzminister entwickelte die dringende Notwendigkeit einer eingreifenden Verminderung des Militäraufwandes durch Reduktion sowohl im Stande der Truppen als in den das Friedensausmaß übersteigenden Gebühren10.

Es sei Allerhöchstenorts zwar ausgesprochen worden, daß der jährliche Militäraufwand auf 84 Millionen zu vermindern sei, aber das Kriegsministerium fährt dennoch fort, von den Finanzen allmonatlich Dotationen anzufordern, welche zu einem Jahresaufwand von 120 Millionen führen11. Wenn einerseits die Reihen der Armee durch Abschied etc.|| S. 77 PDF || etwas gelichtet wurden, seien derselben wieder 60.000 Honvéd eingereiht, und auf dem Budget lastet jetzt auch im Frieden, so wie zur Zeit, wo man zwei Kriege zugleich zu führen hatte, der kolossale Armeestand von 600.000 Mann! Alle Finanzmaßregeln zur Hebung des Staatskredits und Verbesserung der Kurse des Papiergeldes sind entweder gänzlich paralysiert oder sinken zu einem bloßen Palliativmittel herab, solang der Aufwand für die Armee nicht in das richtige Verhältnis zu den Einnahmen gebracht wird, und trotz der Einführung mehrerer neuer Steuern und der bedeutenden Erhöhung mehrerer der älteren Abgaben würde weder der Staatsschatz noch der Staatskredit noch länger die Mittel gewähren können, den Bedürfnissen des laufenden Dienstes zu genügen, zumal die Einführung der neuen Justizorganisation, die Urbarialentschädigung etc. eben jetzt neue große Ausgabsrubriken bilden werden. Baron Krauß bescheide sich wohl, daß bei dem Beschlusse über die Größe des Armeestandes nicht bloß finanzielle Rücksichten entscheiden können, allein er glaube, daß eine schlagfertige, wohlgerüstete österreichische Armee von 400.000 Mann gegenüber den auf dem europäischen Kontinente beinah allwärts reduzierten Armeen eine genug imposante Stellung einnehmen dürfte, so wie andererseits die fortgesetzted Organisierung der Gendarmerie im Inneren, welche hauptsächlich durch Reduktion der Armee gefördert werden würde, die Kraft der Regierung im Inlande dergestalt erhöhen wird, daß der Truppenstand in den einzelnen Kronländern unbedenklich dürfte reduziert werden können. Endlich verdiene der Umstand wesentliche Berücksichtigung, daß man in dem Augenblicke, wo Ackerbau und Gewerbe mit erhöhten Steuern belegt sind, den produzierenden Familien soviel möglich die arbeitsamen Hände zurückgeben muß, welche ihnen helfen sollen, die Abgaben aufzubringen.

Nachdem der Ministerpräsident geäußert hatte, daß er auch mit Rücksicht auf die gegenwärtige politische Lage von Europa eine namhafte Verminderung des Armeestandes für zulässig halte, so vereinigte sich der Ministerrat zu dem einstimmigen Antrage, Se. Majestät der Kaiser wollen geruhen, eine solche Reduktion baldmöglichst eintreten zu lassen, welche gewiß allgemein den günstigsten Eindruck hervorbringen, das Selbstvertrauen der Regierung durch die Tat bewähren und den inneren und äußeren Feinden Österreichs, welche auf seine künftigen finanziellen Verlegenheiten ihre Hoffnungen bauen, zeigen würde, daß Österreich seine Kräfte für den Fall des Bedarfs zu schonen weiß12.

VII. Beiträge zum Wiener Allgemeinen Krankenhause

Der Minister des Inneren erwirkte die Zustimmung seiner Kollegen zur Repartition der bisher vom Kreise Viertel unter dem Wiener Wald allein geleisteten Beiträge zum Wiener Allgemeinen Krankenhause auf das ganze Kronland Niederösterreich, nachdem die Kreiseseinteilung nunmehr aufgehört hat, auch Angehörige der übrigen Landesvierteln im Krankenhause verpflegt werden und die Last durch ihre allgemeine Verteilung weniger empfindlich wird. Im laufenden Jahre wird der Zuschlag von 9/10 Kreuzer vom Steuergulden genügen, alle Beitragsrückstände mit einem Überschusse zu decken13.

VIII. Todesurteil gegen Katharina Więclawowa

Gegen den Antrag des Justizministers auf Nachsicht der Todesstrafe für die Mörderin Katharina Więclawowa ergab sich keine Erinnerung14.

IX. Franz-Joseph-Orden für Wenzel Kulhanek

Ebenso wurde dem Antrage des Justizministers auf Ag. Verleihung des Franz-Josephs-Orden-Kleinkreuzes an den Präsidenten der böhmischen Gerichtseinführungskommission Hofrat Kulhanek allseitig beigestimmt15.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 26. Juni 1850.