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Nr. 343 Ministerrat, Wien, 28. Mai 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS [ohne Angabe]; BdE (Schwarzenberg 28. 5.);BdE. und anw., Krauß 3. 6., Bach 3. 6., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 3. 6., Thun, Kulmer 3. 6., Degenfeld; abw. Schwarzenberg, Gyulai, Stadion.

MRZ. 2173 – KZ. 1890 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 28. Mai 1850.

I. Gemeindeordnung von Innsbruck

Der Minister des Inneren brachte die Gemeindeordnung für die Stadt Innsbruck in Vortrag.

Im wesentlichen übereinstimmend mit den Gemeindeordnungen für die anderen Provinz­hauptstädte1 weicht selbe nur in der Ordnung der Paragraphe und in folgenden meritorischen Punkten von den Bestimmungen der andern ab, nämlich es wird nebst dem auch einigen anderen Städten eingeräumten Rechte der Gemeinde, über die Aufnahme in den Gemeindeverband unbedingt zu entscheiden, die Verwaltung der geistlichen und milden Stiftungen bis auf weitere legislative Entscheidung den bisherigen hierzu kompetenten Autoritäten vorbehalten, der Zensus für die Wahlberechtigung mit 3 f. festgesetzt und die Zahl der Gemeindevertreter mit 36 bestimmt, ferner bei der Wahl der Gemeindeausschüsse die Zulassung der relativen Stimmenmehrheit in der Art beansprucht, daß, wenn einer ¼ der Gesamtstimmen erhielte, er als gewählt angenommen werden darf, weil es vielen Schwierigkeiten unterliegen würde, auf dem Grundsatze der absoluten Majorität zu bestehen. Endlich soll es bei der Eigentümlichkeit der ökonomischen Verhältnisse der Stadt gestattet sein, daß zur Deckung der Gemeindeauslagen die Steuerzuschläge mit Abweichung von dem im § 79 des Gemeindegesetzes2 festgesetzten Maximum von 10% bei der indirekten und 15% bei der direkten Besteuerung ein höheres Perzent, nämlich 50 bei der ersten, 100% bei der letzteren von der Gemeinde selbst ohne höhere Ermächtigung ausgeschrieben und umgelegt werde.

Der Ministerrat fand hiergegen nichts zu erinnern3.

II. Steuerzuschläge für Tiroler Städte

Das gleiche Verhältnis wie in Innsbruck tritt in bezug auf die zur Deckung der Gemeindeauslagen erforderlichen Steuerzuschläge auch bei den anderen Städten Tirols, in Südtirol in besonders hohem Maße, ein.|| S. 40 PDF ||

Der Minister des Inneren stellte daher den sofort auch angenommenen Antrag, mit einstweiliger Umgehung der Vorschrift des § 79 des Gemeindegesetzes4 den tirolischen Städten die Selbstbe­steuerung innerhalb des bisher als Maximum bestandenen Zuschlags zur direkten Steuer zu gestatten5.

III. Festungsrayon von Peterwardein gegen Neusatz

Referierte der Minister des Inneren über das Resultat der durch Ministerratsbeschluß vom 21. Februar 1850, VI, angeordneten kommissionellen Beratung wegen Festsetzung des Fortifikationsrayons für die Festung Peterwardein und der hieraus sich ergebenden Abgrenzung und weiteren Behandlung der Stadt Neusatz. Das hierüber aufgenommene Protokoll liegt hier beia .

Der Ministerrat entschied sich nach längerer Beratung auf den Antrag des Ministers des Inneren für die auf der vorgelegenen Karte mit A-C bezeichneten Linie, und wird der Minister des Inneren hierwegen den Vortrag an Se. Majestät erstatten. Nach erfolgter Ah. Genehmigung werden die andern hierbei zur Sprache gekommenen Fragen über die Entschädigung der Eigentümer der zerstörten Häuser in Neusatz und Behandlung der neu aufzuführenden ihre Erledigung finden; jene aber wegen Unterbringung des Salz- und Dreißigstmagazins, Errichtung eines Stadtgrabens und Walles, sowie wegen etwaiger Einbeziehung der ganzen Stadt in das Festungsgebiet einer besonderen Verhandlung vorbehalten6.

IV. Paß für Caroline Gräfin Károlyi

Die dermal zu Marienbad sich aufhaltende Gemahlin des Grafen Georg Károlyi wünscht ins Ausland zu reisen. Baron Haynau hat dem Statthalter in Böhmen die Weisung zukommen lassen, dieser Person keinen Paß zu erteilen7.

Über eine nun an den Minister des Inneren gelangte Verwendung zugunsten dieser Paßerteilung gedenkt derselbe unter Zustimmung des Ministerrates, die Reisebewilligung zu geben. Nur der Finanzminister glaubte, daß wenigstens vorerst Baron Haynau über die Ursache zu vernehmen wäre, warum er gegen die Paßerteilung ist8.

V. Bestellung zweiter und dritter Instanzen in Galizien und Dalmatien für schwere Polizeiübertretungen

Der Justizminister teilte mit, daß für die Judikatur in schweren Polizeiübertretungen zweiter und dritter Instanz in Galizien und Dalmatien wie in den übrigen Kronländern nunmehr die Appellationsgerichte und der oberste Gerichtshof bzu bestellen und hiezu die Ah. Genehmigung zu erbitten sein dürftebb .9

VI. Stipendien für rumänische und magyarische Juristen

Weiters machte er den Anwurf, zur Gewinnung tüchtiger, deutsch gebildeter Justizbeamter für magyarische und romanische Bezirke, wo sich dermal ein großer Mangel daran fühlbar macht, Stipendien für die Rechte studierende Jünglinge der gesamten Nationen am Theresianum oder an der hiesigen Hochschule zu kreieren.

Der Unterrichtsminister erklärte, daß bezüglich der Romanen in Siebenbürgen diesfalls schon eine Fürsorge getroffen10 und laut Anzeige des Ministerialkommissärs in Ungarn cviele Stipendien gestiftet sind, an welchen die Studierenden aller Nationalitäten Anteil nehmen. Über den Antrag, durch die Stipendien auf den Besuch der Wiener oder einer anderen deutschen Universität hinzuwirken, müsse er sichc die nähere Erhebung und Erwägung vorbehalten11.

VII. Strafgesetzentwurf für Ungarn, Kroatien etc

Der infolge Ministerratsbeschlusses vom 9. Feber 1850, IV, zustandegekommene Entwurf des Strafgesetzes für Ungern, Kroatien und Slawonien, respective der mit allen Novellen und Deklaratorien bereicherte Text des Strafgesetzes von 1803, bedarf für einige wenige Punkte einer provisorischen legislatorischen Ergänzung, nämlich

zu § 17, da die früher bestandene Strafverschärfung durch Ausstellung auf der Schandbühne und körperliche Züchtigung aufgehoben worden ist, so wird als Surrogat dafür in Antrag gebracht: 1. hartes Lager (Pritsche), 2. Einzelhaft mit gewissen Beschränkungen, 3. Einzelhaft in einem finstern Kerker ebenfalls mit einigen Beschränkungen bezüglich der Dauer und Aufeinanderfolge.

Der Ministerrat war hiermit einverstanden, nur glaubte der Minister Graf Thun die Verschärfung ad 3. nicht billigen, sondern bloß die Disziplinarfälle im Straforte selbst vorbehalten zu sollen.

Zu § 94 wird die Aufhebung der Todesstrafe auf das Verbrechen der Nachmachung von als Münze geltenden Kreditspapieren formell auszusprechen beantragt, nachdem dieselbe|| S. 42 PDF || seit Jahren faktisch außer Anwendung gekommen ist. Es wird dafür eine in der Dauer nach dem Grade der Gefährlichkeit wachsende zeitliche und selbst lebenslängliche Kerkerstrafe beantragt.

Der Ministerrat erklärte sich auch hiermit einverstanden, nur der Minister des Inneren war gegen die lebenslängliche Kerkerstrafe, weil auf selbe überhaupt nicht mehr, nicht einmal in den Fällen, wo die Todesstrafe einzutreten hätte, erkannt wird12.

VIII. Krain-Kärntnersche Taubstummenstiftung

Zu der von Franz Holtheim errichteten Taubstummenstiftung für Kärnten und Krain hatte stiftsbriefmäßig das illyrische Gubernium das Präsentationsrecht13. Da dieses Gubernium nicht mehr besteht, die Provinz selbst in die zwei Kronländer Kärnten und Krain unter eigenen Statthaltern geteilt wurde, so beantragten dieselben eine Teilung der Stiftung14.

Der Unterrichtsminister trüge zwar seines Orts gegen eine solche Teilung Bedenken, weil sie ihm gegen den Willen des Stifters zu sein scheint. Indessen erklärte er sich bereit, diese Angelegenheit an den Minister des Inneren zu leiten, welcher mit Rücksicht auf die hier obwaltenden Verhältnisse, insonderheit auf den Umstand, daß die Trennung des Stiftungsvermögens Anlaß zu dessen Vermehrung in jedem der beiden Kronländer geben, sonach in der Folge zur Gründung ordentlicher Taubstummeninstitute daselbst führen wird, in diesem Sinne das Erforderliche einleiten wird15.

IX. Unterstützung der deutschen Presse

Ein vom Handelsminister bevorwortetes Einschreiten um eine Subvention des bisher von Junghanns redigierten, nun von Otto Spamer zu übernehmenden Handelsblattes in Leipzig, sowie den Antrag des Kriegsministersstellvertreters auf Unterstützung des in gutem Sinne wirkenden Mainzer Journals wird der Minister des Inneren mit|| S. 43 PDF || Rücksicht auf die eben bei ihm im Zuge befindliche Verhandlung gleicher Art im Interesse der österreichischen Regierung würdigen und erledigen16.

X. Verdienstkreuz für Kapitän Luigi Vittorello

Der Handelsminister erbat sich die sofort auch gegebene Zustimmung des Ministerrates zur einstweiligen Zurückhaltung des Ah. Handbillets, womit über Antrag des Kriegsministeriums dem Dampfschiffskapitän Vittorello das Verdienstkreuz verliehen wurde, bis über den wider denselben erhobenen Verdacht seines ununterbrochenen Einverständnisses mit den im Auslande weilenden Rebellen rechtfertigende Aufklärung gegeben ist17.

Diese Mitteilung gab zur wiederholten Erklärung des Wunsches Anlaß, daß bei Anträgen auf derlei Auszeichnungen im Einvernehmen mit allen beteiligten Ministerien vorgegangen werden möge18.

XI. Einspruch Julius Freiherr v. Haynaus gegen Begnadigung belasteter Offiziere

Der Stellvertreter des Kriegsministers brachte die bereits im Ministerrate vom 3. Mai 1850 sub VI. vorgekommene Vorstellung des FZM. Baron Haynau gegen die mit Ah. Entschließung vom 26. März 1850 19 ausgesprochene Begnadigung der in den Reihen der ungrischen Rebellen gestandenen ehemaligen, ohne Charakter quittierten Offiziere und dessen Protest gegen einseitige Anordnungen des Ministeriums an den Zivilkommissär in Ungern zum Vortrage20.

Es wurde beschlossen, die Vorstellung gegen den Vollzug der gedachten Ah. Entschließung als unstatthaft abzulehnen, die Verwahrung in Ansehung der Ministerialerlässe an Baron Geringer aber unberührt zu lassen21.

XII. Entschädigung der k.k. Offiziere für Verluste in Ofen

Der Finanzminister erklärte, in bezug auf die von Baron Haynau bevorworteten Entschädigungsansprüche der durch die Besetzung Ofens von den Insurgenten an ihrem Eigentume beschädigten k.k. Offiziere in derselben Weise vorgehen zu wollen,|| S. 44 PDF || wie diesbezüglich der in ähnlicher Lage gewesenen Offiziere bei den 1848er Wiener Oktoberereignissen stattgefunden hat22. Hiernach würde er dem einen Schaden von 2144 f. ausweisenden Major Gyurić vom 1. Banalgrenzregimente ein Aversum von 1.000 f. anweisen, und auf diese Weise von Fall zu Fall analog entscheiden, wogegen nichts zu erinnern gefunden wurde23.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 7. Juni 1850.