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Vorwort - Retrodigitalisat (PDF)

Die Minister gönnten sich kaum eine Ruhepause. In den fünf Monaten, die der vorliegende Band beinhaltet, gab es insgesamt 72 Sitzungen. Auch in den Sommermonaten traf sich der Ministerrat durchschnittlich jeden zweiten Tag zu einer Sitzung. Nur im Mai findet sich eine längere, über zwei Wochen dauernde Unterbrechung, und zwar während der Reise Franz Josephs nach Triest, deren Programm übrigens im Ministerrat besprochen wurde, was später nicht mehr der Fall war. Der reisefreudige Kaiser hatte noch nicht allzu viel Gelegenheit zu einem Bad in einer jubelnden Menge gehabt. Ein solches wurde ihm auf dieser Fahrt, einer der ersten Propagandareisen seiner jungen Regentschaft, durchaus zuteil. Der symbolische Höhepunkt war wohl die Grundsteinlegung des Triester Bahnhofs, also – wie die Wiener Zeitung schrieb – der Grundstein zu jenem Schienenweg, der den Hafen mit der kaiserlichen Residenz verbinden sollte. Daß die Stimmung der Triester Kaufmannschaft und Bevölkerung so glänzend war, hatte wohl auch seinen Grund darin, daß der Kaiser kurz zuvor, am 12. April 1850, die „Verfassung für die reichsunmittelbare Stadt“ sanktioniert hatte. Damit ist ein wesentliches Thema des vorausgehenden wie des vorliegenden Bandes genannt. Die geradezu hektische Reformtätigkeit des Ministeriums Schwarzenberg hatte vor allem auch bei der politischen Neuordnung angesetzt. Innenminister Alexander Bach hatte in zügiger Durchführung des großen Plans seines Vorgängers Graf Stadion sukzessive die zukünftigen Landesordnungen vorgelegt, und ebenso die Gemeindestatute für die bedeutenderen Städte gemäß dem Stadionschen Gemeindegesetzt. Der Bau schien zu gelingen, wie die Übersichten in der Einleitung deutlich zeigen. Die Verfassung für Triest war ein hoffnungsvolles Zeichen. Leider blieb es dabei. Nur die treue Stadt und die ebenso treue Militärgrenze erhielten definitive Regelungen. Die Landesordnungen der meisten Kronländer wurden zwar sanktioniert, traten sogar in Kraft, wurden aber dann nicht durchgeführt. Eine Verfassung für Lombardo-Venetien wurde noch ausgearbeitet, aber nicht mehr sanktioniert. Auf Ungarn lastete vollends die schwere Hand des Siegers. Mit Mühe gelang es der Regierung, den Kaiser zur Absetzung des überaus harten und eigenmächtigen Generals Haynau zu veranlassen. Mehr erreichte sie nicht. Noch war die politische Wende zum Neoabsolutismus nicht sichtbar, aber sie kam unaufhaltsam.

Auch der vorliegende Band ist in kollegialer Zusammenarbeit von Thomas Kletečka und Anatol Schmied-Kowarzik unter Mithilfe von Andreas Gottsmann erstellt worden. Seitens der ungarischen Kooperationspartner hat Vilmos Heiszler das Manuskript durchgesehen und begutachtet und dabei wieder auf die Bedeutung der Protokolle des Bandes für die Geschichte Ungarns hingewiesen. Ein Dank gilt wie stets den ArchivarInnen für die geduldige Unterstützung, wenn sich eine archivalische Frage oft hartnäckig der Beantwortung entziehen wollte.

Die Finanzierung der Arbeit sowie die Drucklegung selbst sind den Subventionen des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und den Projektförderungen des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zu verdanken. Ohne diese Unterstützungen könnte die Edition nicht zu Ende gebracht werden. Einen regelmäßigen Beitrag leistet die Hochschuljubiläums­stiftung des Stadt Wien.

Zum Schluß seien hier aus gegebenem Anlaß zwei formale Fragen angeschnitten. Die Bibliographie im Einleitungsteil hat vor allem den Zweck, die in der Einleitung und im wissenschaftlichen Kommentar zitierte Literatur vollständig auszuweisen. Sie kann und will nicht eine umfassende Bibliographie der Epoche bieten. Die neue deutsche Rechtschreibung wurde nicht übernommen, sondern es wurde durchgängig die „alte“ Rechtschreibung beibehalten. Ohne damit in die diesbezügliche Diskussion einzutreten: es erschien wenig sinnvoll, mitten in einem Gesamtwerk die Orthographie zu ändern.

Wien, im Juni 2006