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Nr. 323 Ministerrat, Wien, 18. April 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 19. 4.), Krauß (bei VII abw.) 20. 4., Bach 20. 4., Schmerling (BdE. fehlt), Bruck, Thinnfeld 20. 4., Thun, Kulmer 22. 4., Degenfeld; abw. Stadion, Gyulai.

MRZ. 1565 – KZ. 1285 –

Protokoll der am 18. April 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Salzburgische und oberösterreichische Beutellehen

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte eine Meinungsdifferenz, die zwischen ihm und dem Finanzminister hinsichtlich der Entrichtung des Lehenreichnisses von Seite der Besitzer salzburgischer und obderennsischer Beutellehen aus Anlaß des durch die Thronbesteigung Sr. gegenwärtig regierenden Majestät eingetretenen Lehenhauptfalles besteht, zur Sprache1.

Er bemerkte, daß der Landeschef der beiden Kronländer Österreich ob der Enns und Salzburg angetragen habe, daß den Beutellehenbesitzern der gedachten Kronländer die Entrichtung des Lehensreichnisses aus Anlaß der gegenwärtig eingetretenen Veränderung in manu dominanti nachgesehen werden möchte, und daß das Ministerium des Inneren diesen Antrag unterstützend mit dem Beifügen an das Finanzministerium geleitet habe, daß bereits bei der früheren Thronveränderung, nämlich dem Regierungsantritte Sr. Majestät des Kaisers Ferdinand I., den Besitzern der genannten Lehen die Nachsicht des Hauptfallreichnisses erteilt worden sei, daß diese Lehen als gewöhnliche untertänige Bauerngründe zu betrachten sind, daher auch auf sie die Entlastungspatente von Jahre 1848 und 1849 ihre Anwendung zu finden hätten, daß es hart und Unzufriedenheit erzeugend wäre, wenn jetzt noch, wo die Registertaxe eingeführt ist, diese Gebühr ex titulo feudi gefordert und gezahlt werden sollte, daß eine Allodialisierung der Lehen in Aussicht steht und daß dieser Lehenfall nicht durch das Ableben des Ah. Lehenherrn, sondern durch Abtretung der Lehenherrlichkeit eingetreten ist2. Das Finanzministerium beschränkte in seinem darüber erstatteten Vortrage seinen Antrag dahin, daß Se. Majestät den Besitzern von salzburgischen Beutellehen in Salzburg und in dem ehemals salzburgischen Teile Tirols, so wie es schon früher geschehen, auch aus Anlaß des gegenwärtigen Lehenhauptfalles die Nachsicht des Lehenreichnisses Ag. zu erteilen geruhen mögen. Aber die Ausdehnung einer solchen Nachsicht auf die Beutellehenvasallen|| S. 312 PDF || von Österreich ob der Enns könne das Finanzministerium nicht bevorworten, weil bei dem letzteren Kronlande die für die Salzburger Beutellehen speziell sprechenden Rücksichten sowenig als bei anderen Kronländern vorhanden sind und aus einem solchen Zugeständnisse nachteilige Exemplifikationen für die Finanzen hergeleitet werden könnten3.

Der Minister des Inneren schließt sich wohl der Ansicht des Finanzministeriums und dem von ihm angetragenen Resolutionsentwurfe an, daß gegenwärtig nämlich nur für Salzburg die Nachsicht erteilt werde, ohne die Frage für Oberösterreich zu entscheiden, behält sich aber vor, sowohl in Ansehung Oberösterreichs als der übrigen Kronländer, sobald diese Sache wieder zur Sprache kommt, seine oberwähnten Ansichten zur Geltung zu bringen4.

II. Pensionshöhe für Matthias v. Stettner

Derselbe Minister erbat sich hierauf die Äußerung des Ministerrates, ob für den gewesenen Hofrat der ungarischen Hofkanzlei Stettner auf eine günstigere als die normalmäßige Behandlung angetragen werden solle. Derselbe hat 34 anrechenbare Dienstjahre nachgewiesen und wurde vom Minister des Inneren mit 2.500 fr. (der Hälfte seines letzten Gehaltes) normalmäßig pensioniert, wobei zum Teil auch berücksichtigt worden ist, daß er keine Kinder und ein bedeutendes Vermögen habe. Das Gesuch des Stettner um Belassung seines ganzen Gehaltes als Pension haben Se. Majestät der Ah. Bezeichnung zu würdigen geruhet5.

Der Ministerrat einigte sich in der Ansicht, daß für den Hofrat Stettner, welcher stets brav gedient hat, im vorgerückten Alter steht, mit dem Stephansorden ausgezeichnet wurde und sich während der ungarischen Revolution sehr loyal benommen hat, auf eine Pension mit ⅔ seines Gehaltes, d.i. auf 3.333 fr. 20 Kreuzer, bei Sr. Majestät angetragen werden dürfte6.

III. Kossuthsche Familienumtriebe

Der Minister des Inneren teilte dem Ministerrate die ihm aus Konstantinopel, Pest und anderen Orten zugekommenen Nachrichten, Kossuth und sein Treiben betreffend, mit7.

Aus den ersteren geht hervor, daß sich in Pest, wo Kossuths Mutter, Schwester und Kinder wohnen, ein Komitee befinde, bei dem sich die Fäden zwischen Kossuth und seinen Anhängern kreuzen, welches durch seine Sendlinge die Briefe an Kossuth nach Konstantinopel übersendet und in demselben Wege die Briefe von ihm empfängt. Aus Pest wurde dem Minister gemeldet, daß die Art und Weise, wie Kossuths Verwandte daselbst behandelt werden, anstößig erscheine. Der Minister Dr. Bach verkennt es nicht, daß die Gegenwart der Mutter, Schwester und Kinder Kossuths in Pest einen schlechten Eindruck|| S. 313 PDF || machen müsse, wo sie gleichsam als Kronprätendenten behandelt werden, bei vielen ein Gegenstand der Teilnahme und stillen Verehrung sind, und stellte der Erwägung des Ministerrates anheim, ob es nicht zweckmäßiger wäre, die Kinder Kossuths ins Ausland zum Vater und der Mutter oder in einen anderen Ort im Inlande mit Ausnahme Ungarns anzuweisen.

Der Minister Dr. Bach erklärte sich für das letztere und deutete auf Salzburg hin (welchen Ort jedoch Minister Freiherr v. Bruck wegen seiner Nähe an der Grenze nicht angemessen fand) oder auf das Ziller- oder Pustertal. Die Minister Freiherr v. Krauß und Ritter v. Schmerling meinten, daß die Kinder Kossuths den Eltern nachzusenden wären und man sie nicht wie Kronprätendenten behandeln sollte, während die andern Stimmführer der Ansicht waren, daß sie doch eine Art Geiseln sind und gegenüber von dem Vater einen moralischen Zwang ausüben. Ein bestimmter Beschluß über die Konfinierung der Kossuthschen Kinder wurde jedoch nicht gefaßt. Was aber die Haltung der Mutter und Schwester Kossuths in Pest anbelangt, so wäre dem FZM. Baron Haynau die Weisung zu erteilen, sie und ihr Treiben, ihre angeblichen Zusammenkünfte und ihr organisiertes Botenwesen polizeilich überwachen zu machen, ihre Korrespondenz wo möglich zu entdecken und hiernach dann das Weitere zu verfügen8.a

IV. Beendigung der Beamtenentlassungen durch Säuberungen

Ferner eröffnete der Minister Dr. Bach dem FZM. Baron Haynau, infolge eines früheren Ministerratsbeschlusses geschrieben zu haben, daß über Beamte im Purifikationswege die Entlassung nicht mehr auszusprechen, sondern dieser Ausspruch dem Amtsvorstande des betroffenen Beamten zu überlassen sei, und daß auch dort, wo infolge eines kriegsrechtlichen Urteiles die Entlassung sich als notwendig darstellen sollte, diese ebenfalls dem Amtsvorstande unter Mitteilung der Akten anheimgestellt werde9.b

Der Ministerrat erklärte sich damit zufriedengestellt10.

V. Ärarischer Vorschuß für die griechisch-orthodoxe Kirche im Temescher Banat und der serbischen Woiwodschaft

Hierauf kam der im gestrigen Protokolle bereits erwähnte Vorschuß zur Unterstützung der griechischen Kirche in der serbischen Wojwodschaft und im Temescher Banat zur Sprache11.

Der Minister Dr. Bach hat das Präliminare des Bukowiner griechisch-nichtunierten Religionsfonds eingesehen und gefunden, daß das Gesamtvermögen dieses Fonds von 1,200.000 fr. sich in dem Besitze des Landesstiftungsfonds befindet, von welchem schon seit lange keine Interessen an den Religionsfonds gezahlt werden. Daraus ergebe sich,|| S. 314 PDF || daß der Bukowiner Religionsfonds kein disponibles Geld habe, daß daher aus diesem Fonds, da eine Geldaufnahme auf denselben oder ein Verkauf seiner Obligationen etc. nicht wohl geschehen kann, eine Unterstützung anderer Anstalten nicht tunlich sei. Nachdem jedoch überwiegende politische Rücksichten die Unterstützung der griechischen Kirche zur Notwendigkeit machen, um dem Planen des Patriarchen entgegenzutreten, Rußlands Hilfe für seine Kirche in Anspruch zu nehmen12, so erachtet der Minister Dr. Bach, daß 500.000 fr. aus dem Staatsschatze als Vorschuß oder unverzinsliches Darlehen vorbehaltlich des Ersatzes bei der künftigen Regulierung zu bewilligen wären, weshalb er sich an das Finanzministerium wenden werde. Dieser Vorschuß wäre für die in der letzteren Zeit und als Opfer für die [in der] Monarchie zerstörten Kirchen und Pfarrgebäude zu verwenden, und von dem Patriarchen [wäre] ein Verzeichnis abzufordern, was er für die Anschaffung der zugrunde gegangenen Paramente und Bücher benötige.

Hierüber ergab sich keine Erinnerung13.

VI. Ernennung des Franz-Joseph-Ordenskanzlers

Schließlich teilte der Minister Dr. Bach dem Ministerrate den Inhalt eines soeben an ihn gelangten Ah. Kabinettschreibens mit, laut dessen Se. Majestät den Ministerpräsidenten FML. Fürsten Felix v. Schwarzenberg in Anerkennung seiner vielen Verdienste um den Staat und um das Ah. Kaiserhaus zum Kanzler des neu kreierten Franz-Joseph-Ordens zu ernennen und ihm das Großkreuz dieses Ordens huldreichst zu verleihen geruhet haben14.

VII. Gesetz über den Privatunterricht

c Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Leo Thun brachte endlich das bereits im Ministerrate vom 10. April d.J.15 besprochene provisorische Gesetz über den Privatunterricht, insbesondere den zweiten Paragraphen desselben, welcher das Hauptprinzip des Gesetzes enthält, neuerdings zum Vortrage, da unterm 10. April über die sich ergebende Kontroverse, ob nach der Ansicht des Ministers Grafen Thun von dem Errichter einer Privatlehranstalt nur gefordert werden solle, daß er nicht offenbar unfähig sei, auf die Anstalt einen ihre Einrichtung und ihre Wirksamkeit bestimmenden Einfluß zu üben, oder ob nach der Ansicht anderer Stimmen auf dem § 3 der Grundrechte (Patent vom 4. März 1849)16, welcher festsetzt, „Unterrichtsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu erteilen ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hierzu im gesetzlichen Wege nachgewiesen hat“, festzuhalten und von dem Errichter von Privatlehranstalten dieselbe Bestätigung wie von den Lehrern der gleichen öffentlichen Anstalten zu fordern sei, kein definitiver Beschluß gefaßt wurde. Der Minister Graf Thun glaubte nach Auseinandersetzung der|| S. 315 PDF || Idee, welche ihn bei Entwerfung dieses provisorischen Gesetzes über den Privatunterricht leitete, auch heute dabei beharren zu sollen, daß die Regierung auf die szientifische Beschaffenheit der höheren Privatlehranstalten (Gymnasial- und Realschulen, denn der Unterricht in den Volksschulen bleibt durch dieses Gesetz unberührt) keinen direkten Einfluß üben und dadurch gleichsam eine Garantie für diese Schulen übernehmen sollte. Dagegen erachtete die Mehrzahl der Stimmen des Ministerrates, daß mit Rücksicht auf den § 3 der Grundrechte von dem Leiter einer solchen Privatlehranstalt zu fordern wäre, dieselbe Befähigung im gesetzlichen Wege nachzuweisen, welche die Lehrer bei den betreffenden öffentlichen Lehranstalten nachzuweisen haben, und der Minister Dr. Bach, dann der Ministerpräsident erachteten sogar, daß nach ihrer Auffassung des § 3 der Grundrechte nicht der Leiter einer Privatlehranstalt allein, sondern auch die an einer solchen Anstalt verwendeten Lehrer jene allgemeinen Erfordernisse und Eigenschaften, d.i. dieselbe Qualifikation, nachzuweisen hätten, wie sie von den Lehrern für die entsprechenden öffentlichen Anstalten gefordert wird. Sie besorgen, daß durch eine zu große Erleichterung solcher Privatlehranstalten ihrer zu viele entstünden, sie ein Gegenstand der Spekulation mit Nachteil für den Unterricht werden könnten und daß auch die Erfahrung in anderen Ländern nicht zugunsten solcher Privatlehranstalten sprechen dürfte.

Hiernach hätte dem obigen Beschlusse zufolge der § 2 des erwähnten provisorischen Gesetzes etwa so zu lauten: „Solche Anstalten zu errichten ist jeder österreichische Staatsbürger berechtigt, der in moralischer oder politischer Beziehung unbescholten ist. Die Leiter solcher Anstalten sind verpflichtet, dieselbe Befähigung im gesetzlichen Wege nachzuweisen, welche von den Lehrern bei den betreffenden öffentlichen Lehranstalten gefordert wird.“d

Da die anderen Paragraphe des Gesetzes keine Anstände boten, so erklärte sich der Ministerrat einverstanden, daß dasselbe nach Änderung des § 2 in Gemäßheit des vorstehenden Beschlusses, welche dem Minister Grafen Thun überlassen wurde, Sr. Majestät unterbreitet werde17.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 24. April 1850.