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Nr. 316 Ministerrat, Wien, 9. April 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 10. 4.), Krauß 10. 4., Bach 10. 4., Bruck, Thinnfeld 10. 4., Thun, Kulmer 10. 4., Degenfeld; abw. Schmerling, Stadion, Gyulai.

MRZ. 1412 – KZ. 1119 –

Protokoll der am 9. April 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen mit der türkischen Regierung; Rücktritt des Bartholomäus Graf v. Stürmer

Der Ministerpräsident las die aus Konstantinopel eingelangte Antwort auf seine Depesche an Graf Stürmer wegen der zu internierenden Refugiés vor1.

Der wesentliche Inhalt derselben ist, daß sich der k.k. Erste Dolmetsch sogleich mit der Depesche zum Ali Pascha begab, welcher die Zuschrift aufmerksam durchlas, sodann schnell aufstand und dem Dolmetsch die Hand mit dem Beifügen drückte, schon lange nichts so angenehmes gelesen zu haben als diese Note, indem hiernach die vertraulichen Relationen mit Österreich wiederhergestellt seien. Baron Testa, überrascht, bemerkte, daß die Anknüpfung der Relationen von der Übergabe einer freundlichen Note abhänge, worauf ihm entgegnet wurde, daß nichts weiteres benötiget werde, daß es nicht notwendig sei, das Conseil zu befragen. Er möge sich zum Großwesir begeben, um auch ihm die angenehme Mitteilung zu machen. Reschid Pascha ersuchte den Baron Testa, dem Ali Pascha zu sagen, daß die freundlichen Relationen mit Österreich wiederhergestellt seien2.

Da die Sache auf diese Art glücklich beendigt ist, bemerkte der Ministerpräsident weiter, so sei der Zeitpunkt gekommen, dem Grafen Stürmer die Weisunga zuzuschicken, seinen Posten zu verlassen, auf welchen der Ministerpräsident den Baron Rechberg zu stellen beabsichtiget3.

II. Absetzung des Joseph Greogor Woytarowicz

Rücksichtlich des Bischofes von Tarnow Woytarowicz, über welchen infolge der Revolution vom Jahre 1846 schon der Antrag vorkam, ihn von seinem Posten zu entfernen, diese Angelegenheit aber bis nun verzögert, gegenwärtig aber von dem Landeschef Grafen Gołuchowski mit Rekapitulation des ganzen neuerdings vorgelegt wurde4, ist nach dem Antrage des Ministers des Kultus und öffentlichen Unterrichtes Grafen Thun beschlossen worden, ein Verzeichnis solcher Tatsachen zusammenzustellen, welche dem genannten Bischofe vorzüglich zur Last fallen (er hat nämlich in mehreren Fällen bei der Revolution sehr kompromittierte Leute begünstiget und angestellt), den Bischof sodann nach Wien zu berufen und ihn mit Entschiedenheit aufzufordern, auf seinen Posten freiwillig zu resignieren, widrigens man sich nach Rom um seine Absetzung wenden würde. Mittlerweile wäre auch mit dem Nuntius darüber Rücksprache zu nehmen5.

III. Besetzung der Tarnower Dompropststelle

Für die am Tarnower Kapitel erledigte Dompropstenstelle hat der genannte Bischof Woytarowicz einen Vorschlag erstattet und für diesen Posten, wie der Minister Graf Thun bemerkt, einen zweideutigen Mann in Antrag gebracht. Der Tarnower Kreishauptmann und der Landeschef Graf Gołuchowski schlagen dagegen für diese Stelle den Direktor am Tarnower Gymnasium Gałecki vor, einen Mann von entschiedenem Charakter und ausgesprochener loyaler Gesinnung.

Mit diesem Antrage erklärte sich der Minister des Kultus und der Ministerrat einverstanden6.

IV. Zweideutige Haltung des Bischofs Franz Xaver Wierzchleyski

Aus Anlaß der vom Landeschef Grafen Gołuchowski gegebenen Aufklärung über die Verhältnisse des Przemyśler Bischofes v. Wierzchleyski und seine zweideutige Haltung im Jahre 1848 wäre nach der Ansicht des Ministers Grafen Thun und des ihm beistimmenden Ministerrates diesem Bischofe alles, was ihm zur Last fällt, vorzuhalten und derselbe für die Zukunft zu verwarnen7.

V. Kapitularvikarsstelle am Temesvárer Domkapitel

Hinsichtlich des vom General Mayerhofer erstatteten und vom Minister des Kultus Grafen Thun vorgetragenen Vorschlages für die Stelle des Kapitularvikars am Domkapitel zu Temesvár, wozu Fábry in Antrag gebracht wurde, ist kein definitiver Beschluß gefaßt worden, indem nach einigen Erörterungen über den gegenwärtigen Wirkungskreis der Ministerien des Inneren und des Kultus in geistlichen Angelegenheiten in den|| S. 287 PDF || ungarischen Ländern der Minister des Inneren Dr. Bach sich noch eine vorläufige Besprechung hierüber mit dem Minister Grafen Thun vorbehalten hat8.

VI. Speckersche Maschinenfabrik am Tabor

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Freiherr v. Bruck stellte hierauf die Anfrage, ob der Ministerrat geneigt wäre, das große Fabriksetablissement des Specker am Tabor, welches an 1.000 Arbeiter beschäftiget und das durch Brand wie auch durch die Zeitereignisse in eine sehr bedrängte Lage geraten ist, zu unterstützen und so vor seiner sonst wahrscheinlichen Auflösung zu bewahren9.

Dieses Etablissement ist, wie der Minister Freiherr v. Bruck bemerkte, durch die Revolution des Jahres 1848 und durch das in demselben ausgebrochene Feuer in einen bedeutenden Schaden gekommen, wofür es nur eine Entschädigung von 25.000 f. bekam und nichts weiter zu hoffen hat. Das Haus Süßkind in Augsburg hat 900.000 f. an diesem Etablissement. Die Erben (mitunter minderjährige) dieses Hauses wollen 300.000 f. ihrer Forderung opfern, wenn sie 600.000 f. hinausbezahlt erhalten. Specker glaubt Leute zu finden, die ihm 300.000 f. vorstrecken, wornach es sich nur noch um 300.000 f. handeln würde, in Ansehung welcher die Frage entsteht, ob sie nicht die Regierung zur Erhaltung des Etablissements gegen Hypothezierung auf dem ganzen Geschäfte vorstrecken wollte.

Nach der Ansicht des Ministerrates wären die Konsequenzen einer solchen Bewilligung sehr zu fürchten. Derselbe hat sich daher im Prinzipe dagegen erklärt, wornach die Sache abzulehnen wäre10.

VII. Kriegskontribution der Stadt Klausenburg

Se. Majestät haben heute dem Minister des Inneren hinsichtlich der Kriegskontribution der Stadt Klausenburg (deren diesfällige Schuldigkeit sich auf 200.000 f. beläuft, davon 120.000 f. bereits eingezahlt wurden und 80.000 f. noch im Rückstande sind) zu erkennen zu geben geruhet, daß Gründe vorhanden sein dürften, hier einen Akt der Gnade zu üben, nämlich es zwar bei dem Eingezahlten und dessen Verwendung zu dem festgesetzten Zwecke bewenden zu lassen, aber das noch Ausständige zur Erleichterung der Stadt nachzusehen11.

Der Minister Dr. Bach bemerkte, daß dem gegen diese Nachsicht gerichteten Beschlusse des Ministerrates und dem in diesem Sinne erstatteten au. Vortrage die|| S. 288 PDF || Ansicht zum Grunde lag, daß aus der Gewährung der Nachsicht in diesem Falle Exemplifikationen für andere Fälle abgeleitet werden könnten, daß durch diese Nachsicht zwischen jenen Gemeinden, welche die Kriegskontribution bereits eingezahlt haben, und jenen, denen nun eine Nachsicht zuteil würde, eine Ungleichheit entstünde, und diese Ungleichheit auch in Klausenburg selbst zwischen jenen, die die Einzahlung bereits geleistet und jenen, die sie noch nicht geleistet haben, eintreten würde. Alles dieses sei bei Erstattung des au. Vortrages erwogen worden. Nachdem jedoch Se. Majestät hier einen Akt der Ah. Gnade ausüben wollen, so wäre dem Gouverneur aufzutragen, behufs der Herstellung einer gleichen Belastung in Klausenburg das bereits Gezahlte auf alle Gemeindeglieder umzulegen, wornach jenen, welche die Einzahlungen bereits geleistet haben, ein entsprechender Teil zurückersetzt würde, dagegen der nachgesehene Rest allen Gemeindegliedern zu Guten käme.

In diesem Sinne, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte, wird nun der Minister Dr. Bach einen Nachtragsvortrag an Se. Majestät erstatten. Sollten andere Gemeinden, denen die Zahlung des Kontributionsrestes schwerfällt, eine gleiche Gnade ansprechen, so bliebe es Sr. Majestät unbenommen, in rücksichtswürdigen Fällen abermals Gnade zu üben12.

VIII. Unterstützung für Karoline Bory

Schließlich bemerkte der Minister des Inneren, daß eine sichere Frau v. Bory (welche die Kapitulation des Görgey vorbereitet haben soll) bei ihm war und zum Beweise ihrer Armut eine Menge Versatzamtszettel aus Pest vorgezeigt habe.

Der Minister gedenkt derselben eine momentane Unterstützung anzuweisen, wogegen sich keine Erinnerung ergab13.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 14. April 1850.