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Nr. 306 Ministerrat, Wien, 23. März 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 24. 3.), Krauß 25. 3., Bach 25. 3., Schmerling 26. 3., Bruck, Thinnfeld 25. 3., Thun, Kulmer 25. 3., Degenfeld; abw. Gyulai, Stadion.

MRZ. 1203 – KZ. 1017 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 23. März 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Einführung der Einkommensteuer in Ungern

Der Finanzminister referierte über die Einführung der Einkommensteuer in Ungern1.

Nachdem hierwegen die Grundzüge bereits im Ministerrate besprochen worden, ist diese Angelegenheit nunmehr auch im Lande selbst zur Beratung gekommen2. Dort wurden mehrere Modifikationen in Antrag gebracht, welche nunmehr auch der Finanzminister anzunehmen erklärte. Solche sind: daß nur jene Zweige des Einkommens mit der Einkommensteuer belegt werden sollen, welche nicht schon mit der Dikalkonskription getroffen sind; daß ferner von den Waldnutzungen auch die Eichelmast, wenigstens für dieses Jahr, frei bleiben soll; endlich, daß das Einkommen der geistlichen Pfründner und Korporationen statt in die erste in die zweite Klasse gereihet werde, damit analog mit den Bestimmungen des Patents vom 29. Oktober 1849 über Bezüge für Dienstleistungen das Einkommen des Kuratklerus unter 600 fr. von der Steuer befreit bleibe3.

Ob und inwiefern der Gewinn der Pächter, wie in den deutschen Provinzen, der Einkommensteuer unterworfen werden soll, wird von dem Umstande abhängen, ob dasselbe bereits in die Dikalkonskription einbezogen worden ist oder nicht. Über die Organe, welche mit der Einhebung der Steuer beauftragt werden sollen, muß eine eigene Vorschrift vorbehalten und bezüglich des Rekurszuges nach dem Antrage des Baron Geringer die Berufung an die Distriktskommissäre zugestanden werden.

Nachdem der Ministerrat hierüber nichts erinnert hatte, behielt sich der Finanzminister vor, hierwegen den Vortrag an Se. Majestät zu erstatten und über die Anwendbarkeit des für Ungern zu erlassenden Einkommensteuergesetzes in Kroatien, Slawonien und in der|| S. 244 PDF || Woiwodschaft den Ban und GM. v. Mayerhofer zu vernehmen4. Für Siebenbürgen erscheint die Einführung dieser Besteuerung dermalen untunlich, weil nach dem bisherigen Steuersysteme dort ohnehin jeder Zweig des Einkommens belegt ist5.

II. Pferdangelegenheit Julius Fedrigonis Edler v. Etschthal

Der Stellvertreter des Kriegsministers brachte die im Ministerrate v. 6. d. [M.], Nr. VII, besprochene Angelegenheit des Rittmeisters Fedrigoni wegen des ihm vom ehemaligen Obersten Kiss geschenkten Pferdes wieder in Anregung.

Der Finanzminister erachtete, daß die Sache auf den ordentlichen Weg zu leiten sei; zur Vermeidung aller weitläufigen Schreibereien über einen an sich so unbedeutenden Gegenstand ward aber nach dem Antrage des Ministers Bach beschlossen, den genannten Rittmeister von der Ablieferung des Pferdes und von jeder weiteren Verhandlung zu entheben6.

III. Wahlkomitee in Prag

FML. Graf Degenfeld referierte weiter über eine Anfrage des FML. Landgrafen Fürstenberg in Prag, ob er der zum Behufe der Gemeindewahlen beabsichtigten Bildung eines Wahlkomitee daselbst ungeachtet des Belagerungszustandes die Genehmigung erteilen dürfe7.

Der Minister des Inneren übernahm es, die Antwort dahin zu erteilen, daß zur Bildung eines bloßen Komitees eine Bewilligung nicht erforderlich und nur, wenn sich ein Verein konstituieren oder eine Versammlung gehalten werden wollte, die behördliche Bewilligung anzusuchen sei8.

IV. Entfernung Giovanni a Pratos aus Welschtirol

Derselbe Minister teilte einen Bericht des Statthalters von Tirol mit, worin um Entfernung des unlängst seines Lehramtes entsetzten ehemaligen Reichstagsdeputierten Prato aus Welschtirol durch Verleihung einer auswärtigen Bibliothekars- oder geistlichen Anstellung in der Rücksicht geboten wird, weil Pratos Wirken in Welschtirol, wo er die Herausgabe eines Journals beabsichtigt, ein höchst bedenkliches ist9.|| S. 245 PDF ||

Der Unterrichtsminister bemerkte, daß von einer Anstellung Pratos itzt, nachdem er kaum von seinem Lehramte entfernt worden, keine Rede sein könne10.

V. Zuziehung eines Schlesiers zur Bankkommission

Das Einschreiten des Statthalters von Schlesien um Beiordnung eines oder des anderen Vertrauensmanns aus diesem Kronlande zu der Bankrevisionskommission ward dem Finanzminister zur Erledigung abgetreten, welcher bei dem Umstande, wo mehrere der kleineren Kronländer bei jener Kommission nicht vertreten sind, dieses Einschreiten zur Berücksichtigung nicht für geeignet erkannte11.

VI. Niederschlagung der Untersuchung gegen Karl Dietrich

Derselbe Statthalter hat dem Minister des Inneren angezeigt, daß der schlesisch-ständische Ausschuß um Niederschlagung der Untersuchung wider das Ausschußmitglied Dr. Dietrich wegen Beteiligung an den Oktoberereignissen gebeten habe, von ihm, Statthalter, ab- und angewiesen worden sei, das Gesuch bei Sr. Majestät einzubringen12. Der Minister des Inneren erklärte sich mit dieser Erledigung einverstanden; der Justizminister aber äußerte sein Bedauern darüber, daß itzt noch, nach anderthalb Jahren, derlei Untersuchungen aufgenommen werden, welche höchstwahrscheinlich kein Resultat ergeben werden, und daß er sich vorbehalte, nach vorläufiger Vernehmung des Generalprokurators hierüber das weitere zu veranlassen oder in Antrag zu bringen13.

VII. Große Streifung in der Woiwodschaft

GM. v. Mayerhofer hat das Resultat einer großartigen Streifung angezeigt, wobei 42 Räuber und andere Verdächtige, Waffen, Munition etc. eingebracht wurden14.

VIII. Erlaubnis für Marceline Fürstin Czartoryska zur Reise nach Wien

Der Fürst Czartoryski hat sich wiederholt beim Minister des Inneren um die Bewilligung für seine Frau zur Reise nach Wien verwendet15. Auf die Bemerkung des Ministerpräsidenten, daß eine solche Bewilligung von bedenklichen Folgen sein könnte, gedenkt der Minister des Inneren selbe nicht zu erteilen16.

IX. Ungarische Judenkontribution

Aus Anlaß wiederkehrender Beschwerden ungrischer Judengemeinden, namentlich jener in Holitsch, welcher 8000 fr., dann derer im Preßburger Komitate, welchen|| S. 246 PDF || 74.300 fr. Kriegskontribution auferlegt und die Zahlung der ersten Rate bis Ende März anbefohlen wurde, obwohl sie so wenig als die Judengemeinde der Stadt Preßburg an der ungrischen Rebellion beteiligt seien17, fand sich der Minister des Inneren zu der Bemerkung verpflichtet, daß der FZM. Baron Haynau, ungeachtet des ihm infolge Ah. Genehmigung bekannt gemachten Ministerratsbeschlusses vom 4. März 1850 (Nr. II), nicht geneigt zu sein scheint, mit dem Vollzuge seiner Maßregel innezuhalten und eine die Sistierung derselben aussprechende Weisung an die Distriktskommandanten zu erlassen18. Bei dieser Sachlage müsse er, Minister, bitten, ihm die Verhandlung über solche stets wiederkehrenden Beschwerden sowie überhaupt über diese ganze Judenkontributionsangelegenheit abzunehmen, oder dem FZM. Baron Haynau den getreuen Vollzug der ihm erteilten Weisung des Ministerrates zur Pflicht zu machen, wornach er das ganze Operat über die in Rede stehende Kontribution dem Ministerrate einzusenden und die Einhebung der ausgeschriebenen Kontribution zu sistieren habe.

Auch der Justizminister sprach sich mit Entschiedenheit dafür aus, daß auf die Befolgung der vom Ministerrate erlassenen Weisung mit allem Nachdrucke gedrungen werden müsse, wenn nicht das Ansehen der Minister, ja selbst das Ansehen Sr. Majestät kompromittiert werden soll. Auch die übrigen Minister schlossen sich diesem Antrage an, und als FML. Graf Degenfeld die sogleiche Aufstellung von Kommissionen vorschlug, vor denen sich die beschwerten Judengemeinden zu rechtfertigen hätten, wenn sie von der Kontribution losgezählt sein wollten, so erwiderte der Justizminister , daß ja die Sache noch gar nicht im Prinzip entschieden sei, und daß erst dann, wenn die Auferlegung der Kontribution im allgemeinen bestätigt worden sein würde, die speziellen Verhandlungen über die Befreiung einzelner Gemeinden zur Verhandlung kommen könnten19.

X. Summarische Gerichts- und Wechselverfahren im lombardisch-venezianischen Königreiche

Der Justizminister zeigte an, daß die Bearbeitung der Vorschrift über das summarische Gerichts- und Wechselprozeßverfahren für das lombardisch-venezianischen Königreich20, wo die Einführung des ersteren durch die Ereignisse des Jahres 1848 gehindert wurde, folglich auch jene des letzteren bisher nicht stattfinden konnte, nunmehr vollständig|| S. 247 PDF || zustande gebracht worden sei und hierwegen von ihm, Justizminister, der Vortrag an Se. Majestät werde erstattet werden21.

XI. Vorschrift über die Unterrichtssprache

Der Unterrichtsminister referierte über den Sr. Majestät Ah. Genehmigung zu unterziehenden Entwurf einer Vorschrift über die Unterrichtssprache22.

Nach derselben wird an keiner Universität eine ausschließliche Unterrichtssprache bestehen, in der Regel die Wahl derselben frei und nur durch die Zwecke der Wissenschaft und das Bedürfnis der Studierenden (der Finanzminister meinte auch, durch die Rücksicht auf die nötige Vorbildung für den Staatsdienst) beschränkt, endlich dem Ministerium das Recht vorbehalten sein, aden Professoren nötigenfalls für diejenigen Vorlesungen, welche zu halten sie durch ihre Anstellung verpflichtet sind,a die Unterrichtssprache vorzuschreiben23.

Am 24. März 1850. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 28. März 1850.