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Nr. 305 Ministerrat, Wien, 22. März 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Schwarzenberg 23. 3.), Krauß 23. 3., Bach 30. 3., Schmerling 23. 3., Bruck, Thinnfeld 23. 3., Thun, Kulmer 23. 3., Degenfeld; abw. Stadion, Gyulai. Druck: Weinzierl-Fischer , Ministerrat 491 f. .

MRZ. 1127 – KZ. 1016 –

Protokoll der am 22. März 1850 zu Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerratssitzung.

[I.] Eingaben der im vorigen Jahr in Wien abgehaltenen Bischofsversammlung

Die am 21. l.M. begonnene Schußberatung über die Erledigung der Begehren der österreichischen Bischofsversammlung wurde heute fortgesetzt1.

1. In Bezug auf die § 1 bis 6 zusammengestellten Bestimmungen über die Rechte der Kirchengewalt in katholischen Studienangelegenheiten bemerkte der Finanzminister , daß es rätlich sei, gleichzeitig auch die darauf bezüglichen Rechte der Staatsgewalt, namentlich dasjenige, ein bestimmtes Individuum vom Lehramte auszuschließen, explicite zu erwähnen, oder doch ausdrücklich zu sagen, „im übrigen bleiben die bestehenden Gesetze aufrecht.“

Hierauf wurde entgegnet, daß ohnehin der allgemeine Grundsatz feststehe, daß alle nicht aufgehobenen Gesetze ihre Gültigkeit beibehalten.

2. Über Antrag des Ministers des Inneren wurde beschlossen, der größeren Deutlichkeit wegen in den Absätzen „Zugleich haben Se. Majestät“ etc., pagina 22, dann „In Betreff der“ etc. pagina 30, statt „unter der Voraussetzung“ zu setzen „unter dem Vorbehalte“.

2½. Der Minister der Landeskultur bedauerte, daß der Staat durch die Bestimmungen pagina 26 die Wahl der Religionslehrer an den Gymnasien faktisch ganz in die Hände des Klerus gelegt habe, nachdem der Bischof dafür nicht einen Ternavorschlag zu erstatten, sondern nur einen Befähigten namhaft zu machen hat, wobei eine Auswahl nicht möglich ist. Man könne sich abei einer solchen Besetzungsmodalität nicht verkennen, daß hiedurch der Einfluß der Regierung auf diese für die öffentlichen Gymnasien so wichtige Besetzung ganz paralysiert werdea .

Der Finanzminister , gleichfalls dieser Meinung beitretend, hielt es jedenfalls wünschenswert, die in der Erledigung erscheinende Motivierung dieser Bestimmungen der Konsequenzen wegen wegzulassen. Es werde damit ein Prinzip aufgegeben, und derlei Konzessionen seien im gegenwärtigen Augenblicke nicht rätlich, da sie eine Reaktion im antihierarchischen Sinne bei dem großen Publikum hervorrufen.

3. Der Finanzminister fand es unpassend, daß in dem Entwurfe pagina 27, 28 nur die Absicht ausgesprochen werde, da und dort einen Privatdozenten zu bestellen, um die christliche Religionslehre bei der philosophischen Fakultät vom Standpunkte der Wissenschaft|| S. 242 PDF || vertreten zu lassen. Dieser Gegenstand sei ein so wichtiger und der vollen Aufmerksamkeit der Staatsverwaltung so würdiger, daß man lebhaft bedauern müßte, wenn auf den Vortrag einer echt christlichen Philosophie bei einigen Universitäten verzichtet werden wollte.

Auch der Minister des Inneren teilte diese Meinung mit dem Bemerken, daß man von der Schwierigkeit, geeignete Männer für diese Lehrkanzel zu finden, nicht zurücktreten und nicht schon von vorneherein darauf gewissermaßen Verzicht leisten sollte.

Über Anregung von Seite Sr. Majestät des Kaisers wurde sofort beschlossen, diese Stelle des Entwurfes in einer Weise zu fassen, daß die Absicht der Regierung, diesem Lehrfache die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen, herausgestellt werde.

4. Die Beschlüsse der Bischofsversammlung über die Modifikationen im Systeme der Pfarrkonkurs­prüfungen wurden einstimmig für zweckmäßig befunden, im übrigen aber beschlossen, den darauf bezüglichen Absatz des Entwurfes Seite 30 einer neuen Redaktion zu unterziehen, wobei der Ausspruch vermieden würde: „Die Regierung nimmt keine gesetzgebende Macht in Anspruch.“

5. Ebenso vereinigte man sich, daß in der Erledigung auf die bevorstehende Erlassung eines Kultuspolizeigesetzes hingewiesen werde, womit die Bischöfe ihre Anordnungen über Gottesdienst, Prozessionen, Wallfahrten etc. in Einklang zu bringen haben werden; auch wird noch festgestellt werden müssen, in welchen Fällen und unter welchen Modalitäten die Behörden vom Klerus die Abhaltung gewisser geistlicher Funktionen: feierliche Hochämter, Tedeums etc. fordern können.

6. Schließlich vereinigte man sich, daß aus dem Schlußabsatze der Ausdruck „ohne kleinliches Markten“ zu beseitigen wäre, welcher als eine hier unpassende Kritik des bisher in canonicis beobachteten Systems der österreichischen Regierung gedeutet werden könnte. Graf Thun wird den hiernach berichtigten Entwurf zur Ah. Genehmigung überreichen2.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 28. März 1850.