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Nr. 297 Ministerrat, Wien, 11. März 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Schwarzenberg 12. 3.), Krauß 16. 3., Bach 16. 3., Schmerling 15. 3., Bruck, Thinnfeld 16. 3., Thun, Kulmer 15. 3.; anw. Gyulai; abw. Stadion.

MRZ. 980 – KZ. 746 –

Protokoll der am 11. März 1850 zu Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerratssitzung.

I. Neuordnung Deutschlands

Der Ministerpräsident las die von den Kabinetten zu München, Stuttgart und Dresden an Österreich und Preußen erlassene Kollektivnote über die zu vereinbarende Neugestaltung des deutschen Bundes und den Entwurf der diesfälligen Übereinkunft1.

Hierauf las der Ministerpräsident den Entwurf der auf die Kollektivnote österreichischerseits zu gebenden Antwort2, worin die volle Zustimmung zu dem „deutsch-österreichischen Bunde“ unter der Voraussetzung ausgesprochen wird, daß die in der Übereinkunft enthaltenen Grundzüge im wesentlichen werden bei Ausarbeitung der Verfassung und bei der definitiven Vereinbarung beibehalten werden. Ferner wird auch eine Verwahrung dagegen eingelegt, daß unter der im Art. I 9 enthaltenen „Gewähr derjenigen Rechte, die den Angehörigen aller deutschen Bundesstaaten zugesichert sind“3, nicht die von dem deutschen Parlamente beschlossenen Grundrechte des deutschen Volkes, sondern die in jedem einzelnen Staate auf gesetzlichem Wege festgesetzten Rechte der Staatsbürger zu verstehen seien.

Die sämtlichen Minister erklärten sich mit dem Inhalte der vorgeschlagenen Antwort im wesentlichen einverstanden; es wurde nur bedenklich gefunden, darin förmlich den auswärtigen Mächten, welche Garanten der deutschen Bundesakte vom Jahre 1815 sind, das Recht zuzuerkennen, ihre Zustimmung zu der von allen deutschen Mächten einverständlich beschlossenen Modifikation des Bundesvertrages zu erteilen oder zu verweigern. Wenngleich der Vorbehalt dieser Zustimmung unter gewissen Eventualitäten ein Rechtsmittel mehr gegen preußische Übergriffe gewährt, so fanden es doch die mehreren Stimmen nicht angezeigt, die Neugestaltung Deutschlands als eine innere Angelegenheit von der Zustimmung des Auslandes abhängig zu machen. Die Garanten eines Vertrags haben kein Einmischungsrecht, wenn die Paziszenten den Vertrag einverständlich modifizieren, ein Grundsatz, der auch in der Krakauer Frage festgehalten wurde.

Schließlich vereinigte man sich einstimmig, daß durch eine stilistische Wendung in der österreichischen Note einer Anerkennung des fraglichen Rechts der Garanten der Bundesakte auszuweichen wäre.

Ferner wurde auch beschlossen, daß die Volksrepräsentation im neuen Organismus nicht, wie es im Entwurf der drei Königshöfe heißt, Nationalvertretung sondern Bundesvertretung|| S. 204 PDF || genannt werde, da man bei den vielen Nationalitäten, welche mit Österreich dem Bunde beitreten, nicht mehr von einer Nation sprechen könne4.

II. Abstellung der Honvéds und ungarischen Nationalgarden zur Armee.

Se. Majestät der Kaiser geruhten aus Anlaß der mit au. Vortrage erstatteten Anträge über die Bedingungen, unter welchen assentierte Honvéds vom Militär zu entlassen wären, die Frage aufzuwerfen, ob die Entlassung gegen Offerte, da selbe den Reichen einen Ausweg gewährt, sich durch die Zahlung von 500 f. der Strafe zu entziehen, nicht auszuschließen wäre5.

Hierüber wurde von dem Minister des Inneren ehrfurchtsvoll erinnert, daß, nachdem die allgemeine Assentierung der ehemaligen Honvéds von Sr. Majestät niemals anbefohlen und vielmehr wiederholt ausgesprochen worden ist, daß es in der Ah. Absicht liege, die ehemaligen Honvéds, insofern sie nicht aus der kaiserlichen Armee übergetreten sind, keiner Strafe zu unterziehen, der Ministerrat die Maßregel der Abstellung solcher Exhonvéds nicht als Strafe, sondern bloß als eine Art Rekrutierung betrachten zu müssen glaube. Werde dieser Grundsatz festgehalten, so könne die Entlassung dieser Leute im Weg der Offerte, welche in der österreichischen Armee allgemein eingeführt ist, nicht wohl ausgeschlossen werden6. Auch verdiene der Umstand Berücksichtigung, daß gerade der Vornehme, der Wohlhabende, durch die Einreihung als Gemeiner am schwersten getroffen wird, während erwerblose Individuen aus den unteren Klassen darin vielmehr eine Art Versorgung finden, wie die zahlreichen freiwilligen Anwerbungen in Ungarn beweisen.

Se. Majestät der Kaiser geruhten hierauf die in dem erwähnten au. Vortrage gestellten Anträge mit dem Ag. Beisatze zu genehmigen, daß dem FZM. Freiherrn v. Haynau bei der Verständigung hievon auch zugleich die Hauptmotive zu eröffnen wären. In gleicher Weise wird der Feldzeugmeister auch von dem weiteren Ah. Beschlusse zu verständigen sein, daß alle assentierten ungarischen Nationalgarden, welche nicht förmlich in die Honvéd eingereiht waren, sofort gänzlich vom Militär zu entlassen seien und (den Fall einer ordentlichen Rekrutierung ausgenommen) keine Assentierung von Nationalgarden mehr stattzufinden haben, welche Verfügungen der Ministerrat in seinem au. Vortrage vom 10. l.M. in Antrag gebracht hatte7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Vortrages [sic !] zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 18. März 1850.