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Nr. 290 Ministerrat, Wien, 28. Februar 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 1. 3.), Krauß 1. 3., Gyulai 2. 3., Bruck, Thinnfeld 1. 3., Thun, Kulmer 1. 3.; anw. Bach, Schmerling; abw. Stadion.

MRZ. 836 – KZ. 645 –

Protokoll der am 28. Februar 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Deutsche Angelegenheiten

Der Ministerpräsident eröffnete die Sitzung mit der Mitteilung, daß nach den ihm aus Berlin vom kaiserlichen Gesandten Baron Prokesch zugekommenen Berichten, welche vorgelesen wurden, daselbst in Ansehung der deutschen Frage ein Umschwung der Ansichten eingetreten zu sein scheint1. Schleinitz habe sich gegen Baron Prokesch ausgesprochen, daß nach einer von Hannover eingegangenen Note dieses Königreich Preußen nun vollkommen freie Hand gebe, sich mit Österreich einzuverstehen, da das Bündnis vom 26. Mai in keinem Falle aufrechterhalten werden könne. Nur in Gemeinschaft mit Österreich, sagte Schleinitz, können die Geschicke Deutschlands geregelt werden, und sei es diesfalls notwendig, daß sich Österreich bestimmt erkläre, auch müsse die besondere Lage Preußens verstanden und geschont werden. Auf diesen Umschwung der Ansichten deuten gleichfalls die Berufung des von Radowitz als Kommissär der preußischen Regierung in Erfurt und als Chef des Verwaltungsrates, der Austritt des v. Bodelschwingh aus dem Verwaltungsrate, die Ausscheidung des Kriegsministers Strotha aus dem Ministerium u. dgl.2

Der Ministerpräsident bemerkte, daß aus allem dem das Unvermögen auf preußischer Seite hervorgehe, mit der deutschen Angelegenheit in der von Preußen beabsichtigten Art in Ordnung zu kommen. Preußen scheint nun zu der Einsicht zu gelangen, daß es diesfalls mit Österreich Hand in Hand gegen müsse, wenn ein Resultat erzielt werden will. Indessen, bemerkte der Ministerpräsident, dürfe man von den Verhandlungen in München nicht nachlassen, müsse sie vielmehr rege betreiben. Er hoffe zwar, daß die diesfälligen Verhandlungen schon zu Ende geführt sein werden, eine bestimmte Nachricht|| S. 175 PDF || hierüber habe er aber noch nicht3. Sobald die nach Ausscheidung Hannovers noch übrig gebliebenen drei Paziszenten abgeschlossen haben werden, werde der Plan unverzüglich an asämtliche deutsche Bundesgenossen unda die Zentralkommission in Frankfurt gesendet werden. Hinsichtlich Hannovers bemerkte der Ministerpräsident, daß es dem Plane gleichfalls beitreten werde, daß es nur nicht als mitproponierender Teil erscheinen wolle; seine Ansichten seien durchaus antipreußisch4.

Bei diesem Anlasse wurde weiter bemerkt, daß das preußische Entgegenkommen nur mit vieler Vorsicht aufgenommen werden müsse. Das in München vereinbarte Projekt könne den Preußen als Projekt mitgeteilt werden, wodurch sie sich keineswegs beleidigt finden dürften, zumal es ihnen freistehen wird, mit einem anderen dritten Projekte hervorzutreten. Auf die Demokraten in Deutschland dürfte es übrigens eine gute Wirkung äußern, wenn Preußen und Österreich in der deutschen Angelegenheit zusammengehen.

Gegen diese Ansicht wurde von Seite des Ministerrates nichts zu erinnern gefunden5.

II. Landtagswahlen in Württemberg

Der Ministerpräsident teilte ferner die ihm aus Württemberg zugekommenen Nachrichten über die Ergebnisse der neuesten dortigen Deputiertenwahlen mit6. Denselben zufolge sind 48 Demokraten, 12 der Römerschen und nur drei der konservativen Partei Angehörige gewählt worden. Viele haben auch den König gewählt. Der Grund dieses Ergebnisses ist das dortige allgemeine Wahlrecht, auch beweisen diese Wahlen, daß in den Zeiten der politischen Aufregung die Ergebnisse der Wahlen nicht der Ausdruck des Volkswillens sind. Die Auflösung dieser Kammer werde wohl bald erfolgen, und dann werde die Frage entstehen, da das dortigen Wahlgesetz vom Jahre 1819 nicht geeignet ist, ob nicht ein neues Wahlgesetz werde oktroyiert werden müssen7.

III. Untersuchung gegen Maria Freiin v. Splényi

Der Justizminister Ritter v. Schmerling erwähnte hierauf eines ihm aus Preßburg zugekommenen Briefes, nach welchem die Baronin Splényi am 25. August 1849 auf ihrem Gute mit ihren Töchtern und einigen Enkeln verhaftet und auf den Schloßberg in Preßburg gebracht wurde, ohne bis jetzt, nach einem halben Jahre, noch verhört worden zu sein. Sie ist über 70 Jahre alt, und sowohl sie als ihre Enkel sollen durch die Gefangenschaft viel leiden. Sie bittet, in die Freiheit gesetzt oder doch wenigsten verhört zu werden8.|| S. 176 PDF ||

Nach der Ansicht des Justizministers muß hier etwas und zwar auf dem legalen Weg eingeleitet werden. Sind die Gefangenen des Hochverrats beinzichtigt, so führe man die Untersuchung ab und verfahre dann nach dem geschöpften Urteile. Eine so lange Gefangenhaltung ohne Verhör passe nicht auf unsere Verhältnisse. Der Justizminister wird im Einverständnisse mit dem Kriegsminister an Baron Haynau schreiben, um über den erwähnten Fall von den betreffenden Militärbehörden aufklärenden Bericht zu erhalten, worüber dann das Angemessene weiter wird verfügt werden9.

Dagegen ergab sich keine Erinnerung.

IV. Behandlung des ehemaligen Gouverneurs von Venedig Aloys Graf Pálffy v. Erdöd

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte die in einem früheren Ministerratsprotokolle10 bereits besprochene Enthebung des früheren Gouverneurs von Venedig, Grafen Pálffy, von seinem Posten mit dem Bemerken noch einmal zur Sprache, daß er nach erhaltenen und näher durchgesehenen früheren Konferenzaktenb und nach genauer Würdigung der vom Grafen Pálffy an die Regierung im Jänner und Februar 1848 erstatteten Berichte seinen früheren Antrag auf Erteilung einer Rüge an Grafen Pálffy bei seiner Versetzung in den Pensionsstand zurücknehmen und nur einfach auf dessen Pensionierung antragen müsse, zumal schon der erste Satz der angetragenen Erledigung implicite eine Rüge enthalte und ein ausdrückliches Ah. Mißfallen eine zu große Strafe wäre.

Aus der erwähnten Korrespondenz habe der Minister entnommen, daß Graf Pálffy im Jänner und Februar 1848, also längere Zeit vor dem Falle Venedigs, die Regierung auf den kritischen Zustand des Landes und auf das, was kommen werde, aufmerksam gemacht und die Notwendigkeit dargestellt habe, die Zivil- und Militäraurorität in einer Hand zu konzentrieren, und dennoch sei er gezwungen worden, auf seinem Posten zu bleiben.

Der Ministerrat stimmte dem obigen Antrage des Ministers Dr. Bach bei, und nur der Minister Freiherr v. Krauß glaubte bemerken zu sollen, daß dem Grafen Pálffy jedenfalls zur Last falle, daß er, da er doch die Gefahr eingesehen, sich habe von den Ereignissen überraschen lassen, ohne die geeigneten Maßregel dagegen zu ergreifen11.

V. Differenz zwischen Ferdinand Freiherr Mayerhofer v. Grünbühl und Paul Trifunácz v. Bátsa

Der Minister des Inneren erwähnte hierauf eines vom GM. Mayerhofer zu seiner Kenntnis gebrachten Streites, der zwischen ihm und dem Finanzkommissär Trifunácz über die Verteilung der Unter­stützungsgelder ausgebrochen ist12.|| S. 177 PDF ||

Der Minister Dr. Bach wird nach dem Grundsatze „audiatur et altera pars“, hierüber noch vorläufig den anderen Teil vernehmen13.

VI. Matrikelführung in Kroatien, Slawonien und der Woiwodschaft

Derselbe Minister bemerkte weiter, daß in Kroatien, Slawonien und in der Woiwodschaft die Matrikeln in der bisherigen Kirchensprache geführt wurden, von den Katholiken lateinisch usw. Dieser Anordnung habe nur die Diözese Djakovar nicht Folge geleistet. Der Ban habe die Anordnung getroffen, daß die Matrikel in der Landessprache (kroatisch) geführt werden soll, womit Mayerhofer nicht einverstanden ist14.

Da die gedachte Verfügung des Banus nur ein Provisorium ist und wegen eines Provisoriums keine Aufregung in Syrmien zu machen ist, so wird der Minister dem v. Mayerhofer schreiben, es sei kein Anstand dagegen zu erheben, daß die Matrikeln in der betreffenden Landessprache geführt werden15.

VII. Aufrechthaltung der Ordnung in den Kronländern

Der Minister des Inneren eröffnete, an die Gouverneure ein vertrauliches Schreiben mit der Aufforderung gerichtet zu haben, sie möchten den gegenwärtigen Zuständen alle Aufmerksamkeit schenken und jede Unordnung gleich im Keime zu ersticken trachten. Die Zivil- und Militärautoritäten mögen mit aller Energie gemeinschaftlich zur Erreichung dieses Zweckes wirken16. Der Kriegsminister wurde aus diesem Anlasse angegangen, eine gleiche vertrauliche Weisung an die Militäroberen zum Behufe eines gleichen Vorganges zu erlassen, was dieser zu tun sich bereit erklärte17.

VIII. Gewehrlieferung an Parma

Der Kriegsminister erwirkte die Zustimmung des Ministerrates, der Regierung von Parma, der Verwendung des Feldmarschalls Grafen Radetzky gemäß, 2000 Gewehre der französisch-piemont­esischen Fabrikation samt Bajonetten, welche in Mantua liegen, käuflich zu überlassen18.

IX. Abstellung ungarischer Honvéds und Nationalgarden in die Armee

Bezüglich der in einem früheren Protokolle besprochenen Assentierung der Honvédoffiziere und -mannschaften in die k.k. Regimenter19, diese Offiziere und Mannschaften mögen gezwungen oder freiwillig der rebellischen ungarischen Regierung gedient haben, und des ungünstigen Eindruckes, den diese Maßregel und die Abführung auch der einzigen Söhne zum Militär verursachen, bemerkte der Kriegsminister Graf Gyulai , daß die Assentierung der Honvéds von dem Ministerrate beschlossen wurde und nun vom Baron Haynau und von einer aufgestellten Kommission ausgeführt werde20. Wie dabei vorgegangen werde, wisse der Kriegsminister nicht. Zur Komplettierung der ungarischen Regimenter fehlen übrigens noch 14.000 Mann.

Was das vom Baron Geringer geäußerte weitere Bedenken anbelangt, daß durch die Honvédoffiziere ein schlechter Geist in die Armee verpflanzt werde, welches Bedenken nicht ungegründet sei, bemerkte der Kriegsminister, daß dem Feldmarschall die Transferierung und nach Umständen Entlassung solcher Offiziere eingeräumt worden sei21. Vor wenigen Tagen sei aber eine Zuschrift des Feldmarschalls an das Kriegsministerium gelangt, worin derselbe nach eingeholten Relationen versichert, daß alle Berichte über diese Offiziere vorteilhaft lauten und daß dieselben mit Nutzen verwendet werden können22. Hierüber wurde dem Feldmarschall geantwortet, daß die Beförderung der Honvédunteroffiziere, und wenn die Offiziere einmal eingereiht sind, auch ihre Beförderung zu jedem Grade statthaben könne. Dieses glaubte der Kriegsminister zur Kenntnis des Ministerrates bringen zu sollen23.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 2. März 1850.