MRP-1-2-02-0-18500117-P-0256.xml

|

Nr. 256 Ministerrat, Wien, 17. Jänner 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 18. 1.), Krauß 19. 1., Bach 19. 1., Schmerling 18. 1., Bruck, Thinnfeld 18. 1., Thun, Kulmer 18. 1.; anw. Gyulai; abw. Stadion.

MRZ. 231 – KZ. 148 –

Protokoll der am 17. Jänner 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Auflösung der Kommissionen zur Einhebung der Kriegssteuern im lombardisch-venezianischen Königreiche

Der Minister des Inneren Dr. Alexander Bach brachte zur Kenntnis des Ministerrates die eingelangte Nachricht, daß die Kommission zur Einhebung der außerordentlichen Kriegssteuer im lombardisch-venezianischen Königreiche spätestens mit Ende Jänner außer Wirksamkeit treten und daß keine neue Geldbuße mehr auferlegt werden wird1.

II. Aufhebung der Grenzsperre gegen Serbien

Derselbe Minister erwähnte hierauf, daß der General Mayerhofer die dringende Bitte aus Semlin eingesendet habe, es möchte die Grenzsperre gegen Serbien bei dem gegenwärtigen Zustande der Dinge aufgehoben werden, da die serbische Regierung Maßregeln ergriffen habe, welche das Einschwärzen der Rinderpest nicht besorgen lassen. Mayerhofer bittet demnach, daß dem gesunden Viehe der Eintritt gestattet und das diesfällige Verbot aufgehoben werden wolle2. Der Minister des Inneren fände diese Aufhebung angedeutet und würde sich im Falle der Zustimmung des Ministerrates mit dem Kriegsministerium in das Einvernehmen setzen, damit das gedachte Verbot unter den gewöhnlichen Vorsichten aufgehoben werde, wogegen sich keine Erinnerung ergab3.

III. Besetzungsrecht der Innsbrucker Damenstiftspräbenden

Der Minister des Inneren brachte nun eine aus Anlaß der Erledigung einer Damenstiftspräbende in Innsbruck gestellte Anfrage rücksichtlich der Ausübung des Besetzungsrechtes dieser Präbenden zum Vortrage4.

Er bemerkte, das Damenstift in Innsbruck sei von der Kaiserin Maria Theresia gegründet worden, und dieselbe habe den Statuten zufolge das Verleihungsrecht zu solchen Präbenden sich und nach ihrem Tode der jeweiligen regierenden Kaiserin vorbehalten5.|| S. 36 PDF || Vom Kaiser Franz sei diese Anordnung im Jahre 1823 erneuert worden6. Nun ergibt sich die praktische Frage, ob die Kaiserin Maria Anna, welche als regierende Kaiserin das gedachte Recht ausübte, es noch weiter auszuüben habe. Nach den Statuten, bemerkte der Minister, kommt dieses Recht der regierenden Kaiserin zu, die wir gegenwärtig nicht haben.

Durch die Abdikation Sr. Majestät des Kaisers Ferdinand habe die Kaiserin Maria Anna aufgehört, regierende Kaiserin zu sein, und das Recht der Präbendenverleihung ist nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach an Se. Majestät den Kaiser übergegangen. Von der Ah. Bestimmung Sr. Majestät werde es nun abhängen, ob Allerhöchstdieselben das oberste Schutzrecht über jenes Damenstift vindizieren und das Verleihungsrecht zu den Präbenden desselben selbst auszuüben oder ob Allerhöchstdieselben das Verleihungsrecht bis zur einstigen Vermählung der Kaiserin Maria Anna belassen wollen. Der Minister Dr. Bach gedenket sich hierüber die Ah. Bestimmung Sr. Majestät zu erbitten.

Der Ministerrat erklärte sich sowohl mit den hier entwickelten Ansichten als mit der so an Se. Majestät zu stellenden au. Anfrage einverstanden7.

IV. Erteilung von Ehedispensen

Der Ministerpräsident las hierauf einen von unserem Agenten in Rom eingelangten Bericht und den Entwurf der ihm darauf zu erteilenden Antwort vor8.

In dem Berichte sucht der Agent vorzüglich im Interesse der Agentie, also pro domo sua, die Nachteile herauszuheben und darzustellen, welche daraus sich ergeben, daß die italienischen Bischöfe, wie die Erfahrung der letzten Zeit gezeigt habe, sich nur in wenigen Fällen der Ehedispensen etc. nach Rom wenden und meinen, durch die der Kirche gewährte Freiheit seien die Dispensen in entfernteren Graden freigegeben. Nach seiner Ansicht wäre den Bischöfen der italienischen Provinzen zur Pflicht zu machen, sich wie früher in Ehedispensen auch von entfernteren Graden nach Rom zu wenden, während die übrigen Bischöfe es, wie bis jetzt, nur in den zwei ersten Graden zu tun hätten, und daß sich die Bischöfe keiner anderen Mittelsperson hierbei als der Agentie zu bedienen hätten.

In der hierauf zu erteilenden Antwort wird auf den § 2 der Grundrechte hingewiesen9 und bemerkt, in Preußen und Bayern bestehe bereits die Freigebung der Kirche und in Österreich seien nähere Bestimmungen darüber zu erwarten. Sobald es im Interesse der Ordinariate liegt, sich an die Agentie zu wenden, werden sie es tun, und die bisherigen Abweichungen davon und die Benützung von Privatagenten möge in dem Mißtrauen der Bischöfe gegen die Agentie gegründet sein. Die von dem Agenten angeregten Maßregeln werden erst dann ihre Erledigung erhalten, wenn entschieden sein wird, ob das Placetum regium überhaupt oder nur in rein dogmatischen Dingen und in Dingen, die|| S. 37 PDF || keine Taxen im Gefolge haben, aufzuhören haben werde. Die Ansicht des Ministerpräsidenten wurde bei diesem Anlasse dahin geäußert, daß das Placetum nur in rein dogmatischen und mit keinen Taxen verbundenen Angelegenheiten zu entfallen hätte.

Die beabsichtigte Antwort wurde aber noch vorläufig dem Kardinal Fürsterzbischofe Fürsten v. Schwarzenberg und dem Fürstbischofe Rauscher zur Äußerung hierüber mitgeteilt10.

V. Eingabe der im vorigen Jahr in Wien abgehaltenen Bischofsversammlung

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Thun setzte hierauf die gestern abgebrochene Deliberation über die Einbgabe der im vorigen Jahre hier abgehaltenen Versammlung der katholischen Bischöfe und zwar ad XI. 1., Regierung und Verwaltung der Kirche, fort11.

Die versammelten Bischöfe setzen nach ihrer Eingabe voraus, daß durch den § 2 der Grundrechte die Hemmnisse, welche ihrem Verkehre mit dem Heiligen Stuhle bisher im Wege standen, vollständig gehoben seien und weder für sie noch für die ihnen unterstehenden Gläubigen fernerhin eine Schwierigkeit obwalten werde, sich in geistlichen Dingen an den Papst zu wenden oder die Entscheidungen und Anordnungen desselben zu empfangen, daß also das zwar hier nicht ausdrücklich erwähnte Placetum regium in solchen Fällen künftig entfalle.

Graf Thun erklärte sich aus den bereits geltend gemachten Gründen für die gänzliche Aufhebung des Placetum regium. Nach seiner Ansicht ist aes nicht hinreichenda, zwischen den rein kirchlichen und anderen Angelegenheiten zu entscheiden. Angelegenheiten der Kirche, die das forum internum (Dispensen, Absolutionen etc.) betreffen, seien ohnedies schon freigegeben, und in anderen Dingen lasse sich die Grenze der Scheidung nicht auffinden. Das Placetum sei eine rein polizeiliche Maßregel und, wie gestern gezeigt, wurde unwirksam. Gegen Mißbräuche, z.B. Ablaßbreven zur Revolution, schütze das Placetum nicht, und da die Kurie als auswärtige Macht bei uns nur durch Organe wirken kann, die der Regierung unterstehen, so könne man sich an diese halten.

Der Minister des Inneren bemerkte, daß allerdings in rein geistlichen Dingen das Placetum im allgemeinen wegzufallen habe, daß es aber geistliche Sachen gemischter Natur gebe, bei welchen die Regierung sich die Zensur gegen eine auswärtige, von Österreich unabhängige Macht vorbehalten müsse, was ein Recht der Souveränität sei. In Privatsachen und wo Taxen damit verbunden sind, sei der Weg der Agentie einzuschlagen. || S. 38 PDF || Der Finanzminister Freiherr v. Krauß fügte hinzu, daß, wenn eine Gewalt im Staate ausgeübt werden will, welche äußere Folgen hat und wozu man die Hilfe, den Arm des Staates braucht, das Placetum nicht entbehrt werden könne, damit der Staat wisse, was auf seinem Gebiete geschieht, und daß er sich gegen allenfällige nachteilige Verfügungen beizeiten verwahren könne. bDer Finanzminister hielt die Verhandlung in der Gestalt, in der sie vorliegt, nicht für reif, um über einen so wichtigen und schwierigen Gegenstand, als es die Feststellung des Verhältnisses der Kirche zum Staate ist, einen Beschluß zu fassen. Nach seiner Ansicht ist es unumgänglich notwendig, in die geschichtliche Entstehung der bisherigen Vorschriften, um deren Aufhebung es sich handelt, einzugehen und klar zu machen, ob die Bestimmungen, deren Aufhebung in der Frage ist, auf der besondern Verfassung der österreichischen Kirche oder einer einseitigen Handlung der Regierung beruhte.b Der Justizminister Ritter v. Schmerling sprach den Wunsch aus, daß, bevor man über das Placet entscheidet, die anderen wichtigen Fragen der Eingabe der Bischöfe, z.B. das Eherecht, das Patronatsrecht etc., gelöset sein sollten. Wenn die wichtigsten Fragen mit der Kurie geordnet sind und man sieht, daß hierin keine Übergriffe mehr zu besorgen sein werden, dann sei das Placet in diesen Fällen von untergeordneter Wichtigkeit und könnte leicht aufgegeben werden; gegenwärtig kenne man aber noch nicht die Tragweite desselben, weshalb er es für wünschenswert erkennen würde, sich darüber jetzt noch nicht definitiv auszusprechen.

Ein Beschluß über diesen Gegenstand in merito wurde nicht gefaßt, so wie auch nicht über den weiter vom Grafen Thun besprochenen Punkt XIII der Eingabe der Bischöfe die geistliche Gerichtsbarkeit betreffend, worin die Bischöfe verlangen, daß ihnen die Bestrafung der Laien und der Geistlichen ohne Mitwirkung der politischen Behörde überlassen werde und in allen Fällen, wo die Appellation zulässig ist, die Berufung von dem bischöflichen Gerichte an das Metropolitangericht und von dem Metropolitangerichte an den Heiligen Stuhl zu gehen hätte, welcher sein Recht, in höchster Instanz zu entscheiden, an Ort und Stelle durch von ihm ermächtigte Richter übt.

Der Ministerrat fand es wünschenswert, daß über die vorliegende Eingabe der Bischöfe ein systematisch geordnetes Referat mit einer bestimmten Redaktion der Resolutionsentwürfe sowohl über die notwendig erscheinenden dispositiven Verfügungen als über das einzelne, was aufgehoben werden soll (mit Beibringung der aufzuhebenden Vorschriften) ausgearbeitet und der Beratung des Ministerrates zum Grunde gelegt werde, und der Minister Graf Thun erklärte sich bereit, ein solches Referat schriftlich zu verfassen, es lithographieren zu lassen und dasselbe dann den Ministern mitzuteilen, worauf dann die Beschlüsse des Ministerrates mit abgesonderten Vorträgen zur Ah. Schlußfassung Sr. Majestät werden vorgelegt werden12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 20. Jänner 1850.