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Nr. 241 Ministerrat, Wien, 31. Dezember 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 2. 1.), Krauß 3.1., Bach 3.1., Gyulai 4.1., Schmerling 3.1., Bruck 3.1., Thinnfeld 3.1., Thun, Kulmer 3.1.; abw. Stadion.

MRZ. 4926 – KZ. 18 (1850) –

Protokoll der am 31. Dezember 1849 zu Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Organisierung der Frankfurter Kommissionskanzlei

Der Ministerpräsident las einen Bericht der österreichischen Bundeskommissäre in Frankfurt über die vorgenommene Organisierung der Zentralkommissionskanzlei und ihrer Abteilungen für das Innere, Äußere, Armee, Marine etc. Die Unterschriften der Kommissäre werden folgendermaßen bei ämtlichen Ausfertigungen gereicht: Kübeck, Radowitz, Schönhals, Boetticher1.

II. Ankauf der Casa und Galerie Manfrin in Venedig

Der Ministerpräsident besprach den Antrag, die Casa Manfrin in Venedig samt der darin befindlichen ausgezeichneten Bildergalerie für den Staat anzukaufen. Für die Gemäldesammlung allein werden 800.000 Lire gefordert. Nachdem die Minister v. Bruck, Graf Gyulai, v. Thinnfeld und Baron Kulmer sich für den Ankauf dieser berühmten Galerie, welche eine der schönsten Zierden Venedigs ist und viele klassische Bilder aus der älteren venezianischen Schule, namentlich von Giorgione, den Bellinis, Pennari etc., zählt, erklärt hatten, wurde die diesfällige Eingabe des Cavaliere Plattis dem Minister der Finanzen zur näheren Erwägung übergeben2.

III. Befestigung Wiens

Der Kriegsminister referierte über die Anträge der infolge Ah. Entschließung vom 25. Oktober 1849 (Z. 3832 MR.) zusammengesetzten Kommission zur Erstattung eines Vorschlages über die Herstellung von ein oder zwei Forts zwischen der inneren Stadt und den Vorstädten zur teilweisen Unterbringung der Garnison und Beherrschung der Stadt3. Die Kommission, von der Voraussetzung ausgehend, daß die ganze innere Stadt Wien als Zitadelle der Residenz zu betrachten sei, hat sich mit Stimmenmehrheit zu dem Vorschlage vereinigt, daß a. keine detachierten Forts herzustellen, sondern|| S. 953 PDF || b. auf den Bastions Befestigungsbauten zu errichten wären, welche einander wechselseitig unterstützen, die Wälle bestreichen, feindliche Angriffe von außen und innen zurückweisen und durch ihr Geschützfeuer Stadt und Vorstädte beherrschen, c. wären in der inneren Stadt Defensionskasernen auf 5.000 Mann herzustellen. Der Aufwand wird auf 1.500.000 fr. angeschlagen4.

Die Vorschläge 1. Sr. kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Maximilian wegen Trennung der ganzen Stadt in zwei Hälften durch einen vom Stadtwalle bis zum Schwarzenbergschen Palais reichenden bedeckten Weg5 und 2. des Obersten Baron Smola, welches mit einer Erweiterung der inneren Stadt verbunden wäre, wurden von der Kommission beseitigt6. Der Kriegsminister erklärte sich im wesentlichen mit den umständlich motivierten Kommissionsanträgen einverstanden.

Die übrigen Minister glaubten sich dagegen mit diesen Anträgen nicht ganz vereinigen zu können. Vor allem müsse bemerkt werden, daß die Kommission das ihr Ah. Orts vorgezeichnete Programm der Erbauung von einem oder zwei Forts zwischen Stadt und Vorstädten verlassen habe. Es tauche hier abermals die Idee des FZM. Baron Welden auf, die Bastions und Stadttore durch zahlreiche isolierte Werke zu verstärken, was viel Geld kostet, den Verkehr auf den Basteien hemmt und im Falle eines Aufstandes die Zersplitterung der bewaffneten Macht erfordert, damit sich die Aufrührer nicht der armierten Werke bemächtigen. Angriffe von außen werden sich durch Kanonen auf den Wällen und neben den eigens vorzurichtenden Toren unschwer zurückweisen lassen. Dagegen teile der Ministerrat völlig die Ansicht der Kommission, daß Defensionskasernen im Inneren der Stadt zur Kasernierung von 5.000 Mann herzustellen wären. Der nötige Raum dazu könne teils durch Verwendung der Gebäude des Hauptzeugamts auf der Seilerstätte, teils durch Hinausrückung der Stadtmauer in der Nähe des Fischertores gewonnen werden.

Gegen eine förmliche Belagerung könne man die innere Stadt nicht in Verteidigungsstand setzen, und in Fällen von aufrührerischer Bewegung sei die Absperrung der Stadt von den Vorstädten, worauf es im Grunde abgesehen ist, durch militärische Besetzung der Tore und zweckmäßige bauliche Vorkehrungen bei denselben mit weit geringeren Kosten zu erreichen als durch die von der Kommission vorgeschlag­enen Mittel. Ein mächtiges Agens, den Vorstädten zu imponieren, werde übrigens das Artilleriedepot auf dem Wienerberge bilden7.

IV. Denunziation des Chefarztes Stephan v. Patay

Der Kriegsminister besprach die Denunziation des gewesenen Marineassistenten Vinzenz Scheidinger über die angebliche Vergiftung Sr. kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs|| S. 954 PDF || Friedrich durch den Chefarzt Patay8. Nachdem die von Scheidinger in seinen Eingaben vorgebrachten Umstände noch keine hinlänglichen rechtlichen Inzichten gegen Patay zu begründen scheinen, welche zum Anhaltspunkte einer gerichtlichen Untersuchung dienen könnten, so wird der Minister des Inneren den Denunzianten, der übrigens dem Patay gegenüber keineswegs leidenschaftslos erscheint, durch die Stadthaupt­mannschaft näher vernehmen lassen, um womöglich entweder das Verbrechen zu enthüllen oder die Verleumdung zu entlarven9.

V. Lotterie des böhmischen Gewerbsvereines

Der Finanzminister referierte im Nachhange zu der Sitzung vom 29. l.M.10, daß die von dem böhmischen Gewerbsvereine veranstaltete Lotterie die Bewilligung der Finanzverwaltung erhalten habe und mit Rücksicht auf den Zweck einer Unterstützung durch Verbreitung der Lose im Ausland würdig erscheine.

VI. Landtagswahlordnung für Böhmen und für Tirol

Schließlich erwähnte der Minister des Inneren vorläufig, daß er für Böhmen eine Modalität der Städtevertretung im Landtage vorzuschlagen beabsichtige, wodurch zugleich gewisse spezielle Interessen, als die der Industrien und der Badeorte, vertreten und dem deutschen Elemente eine größere Stimmenzahl verschafft würde, damit dem tschechisch-demokratischen Element, welches in den meisten böhmischen Landstädtchen vorwaltet, ein Gegengewicht im Landtage geschaffen werde11.

In Tirol würde nach der Meinung des Ministers Bach die schwierige Frage über die Kreisvertretung vorderhand noch offenzulassen und dem ersten Landtage in diesem Kronlande zur Beratung vorzulegen sein12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 5. Jänner 1850.