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Nr. 239 Ministerrat, Wien, 28. Dezember 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach (nur I-IV), Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 29. 12.), Krauß 1.1., Bach 2.1., Gyulai 31.12., Schmerling 1.1., Bruck, Thinnfeld 31.12., Thun, Kulmer 31.12.; abw. Stadion.

MRZ. 4892 – KZ. 15 (1850) –

Protokoll der am 28. Dezember 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Landesverfassung für mehrere Kronländer

Nachdem die Landesverfassung und die Wahlordnung für das Kronland Österreich ob der Enns bereits Ah. genehmigt und die beschlossenen Modifikationen darin vorgenommen worden sind1, hat der Minister des Inneren Dr. Bach die Landesordnungen für Niederösterreich, Salzburg, Kärnten, Krain und Schlesien, nämlich für jene Kronländer zur Sprache gebracht, welche nur einen Kreis bilden2. Der Minister bemerkte, daß auch diese Landesordnungen mit Vertrauensmännern reiflich beraten und erwogen und daß hiebei die für Österreich ob der Enns Ah. genehmigten Grundsätze zur Basis genommen worden sind. Der wesentlichste hierin vorkommende Punkt, um den es sich handelt, ist die Zahl der Vertreter in diesen verschiedenen Provinzen. Zur Ausmittlung dieser Zahl wurden wie bei Österreich ob der Enns die politischen Bezirke zum Anhaltspunkte genommen, und es wurden hiernach für Niederösterreich 68 (für Wien zwölf), für Salzburg 21, für Kärnten 30, für Krain 32 und für Schlesien 30 Deputierte oder Vertreter ausgemittelt, wogegen sich keine Erinnerung ergab.

Bei Kärnten wurde nach der Bemerkung des Ministers nur noch der Passus aufgenommen, daß die im Lande vorhandenen Volksstämme gleichberechtigt sind, wogegen gleichfalls nichts erinnert wurde.

Die Verfassungen für diese fünf Provinzen wird der Minister Dr. Bach ausfertigen lassen, um Sr. Majestät vorgelegt zu werden, und den diesfälligen Vortrag morgen vorbringen3.

II. Behandlung der aus Widin zurückgekehrten Offiziere der ungarischen Aufständischen

Hierauf bemerkte der Minister Dr. Bach, daß ihm mitgeteilt wurde, die aus Widin herbeigebrachten Offiziere, welche sich im Vertrauen auf die Ah. Gnade Sr. Majestät nach Österreich zurückbegeben haben und sich nun in dem Neugebäude in Pest befinden, würden daselbst schonungslos behandelt, während andere viel milder gehalten werden4.|| S. 944 PDF || Darauf erwiderte der Ministerpräsident , daß, soviel ihm bekannt, diese Offiziere im Neugebäude wie andere Offiziere behandelt werden. Sie hätten zwar vorgegeben, General Hauslab habe eine Amnestie erteilt, von der sei aber in Wien keine Rede gewesen. Zur schnelleren Beendigung der Angelegenheit dieser Offiziere werde übrigens adie größtmögliche Anzahl verfügbarera Auditoren hinabgesendet5.

III. Besetzung des Erzbistums Erlau

Der Minister des Inneren erinnerte weiter, gestern und heute mit dem Primas von Ungarn wegen Besetzung des Erzbistums Erlau gesprochen zu haben6. Der Primas, der Minister Dr. Bach und der Minister des Kultus seien darin übereingekommen, für dieses Erzbistum den Bischof von Neutra Emmerich Palugyay vorzuschlagen, einen Mann, der sich stets gut benommen und seine Anhänglichkeit an die Sache der Regierung unzweideutig an den Tag gelegt hat. Der Primas meinte, daß Palugyay, wenn er aufgefordert würde, diesen Posten anzunehmen, er es ungeachtet seines vorgerückten Alters tun würde.

Der Minister Dr. Bach erbat sich demzufolge die Ermächtigung des Ministerrates, welche auch erteilt wurde, bei Sr. Majestät a.u. anzufragen, ob an Palugyay in diesem Sinne die Aufforderung erlassen werden dürfe7.

IV. Hinausgabe der Reichsschatzscheine

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß machte hierauf bekannt, daß er nach dem Beschlusse des Ministerrates vom 26. d.M., MRZ. 4838, eine Abschrift des Vortrages wegen Hinausgabe der Reichsschatzscheine den sämtlichen Ministern mitgeteilt habe8.

Der Minister Ritter v. Bruck bemerkte, daß, solange der Zwangskurs dauert, man Papiere mit einer höheren als dreiprozentigen Verzinsung nicht brauche. Würde man beim Bestehen des Zwangskurses höhere Zinsen gewähren, so würde dies nur mit Nachteil für die öffentliche Meinung geschehen. Eine Notwendigkeit, dreiprozentige Schatzscheine mit einer Prämie auszustatten, wäre nur dann vorhanden, wenn man den Zwangskurs aufheben wollte, was aber derzeit noch nicht geschehen könne.

Der Finanzminister erinnerte, daß, wenn man Papiere mit geringeren Zinsen herausgibt, sie nicht in den Händen der Privaten bleiben, sondern rasch von Hand in Hand weitergehen, wodurch der beabsichtigte Vorteil verringert werde. Nach seiner Ansicht sei es besser, lieber eine kleinere Summe mit größerer Verzinsung auszugeben als umgekehrt. Indessen lasse sich, solange der Zwangskurs dauert, allerdings auch die angedeutete Modalität rechtfertigen.|| S. 945 PDF ||

Demzufolge wurde einstimmig beschlossen, solange der Zwangskurs besteht, nur dreiprozentige Schatzscheine auszugeben9.

An der Beratung der nachfolgenden Punkte hat der Minister Dr. Bach, der sich in Amtsgeschäften entfernen mußte, keinen Anteil genommen.

V. Maßnahmen zur Beschränkung der Agiotage

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte hierauf eine Maßregel zur Sprache, deren Zweck ist, auf den Wechselkurs einzuwirken und jeder Agiotage Schranken zu setzen, worüber er mit Rothschild, Sina und Eskeles gesprochen. Baron Krauß bemerkte, daß an der Kriegsentschädigung von Sardinien mit Ende dieses Monates 6.000.000 fcs. eingehen sollen. Rothschild habe sich bereit erklärt, Vorschüsse darauf zu leisten, wenn ihm eine Provision von einem Drittel Prozent für jenen Betrag gegeben wird, den er vor dem Zeitpunkte der Fälligkeit bezahlt, und ein Viertel Prozent für das, was er nachzahlt, und fünf Prozent für das, was er vor dem Verfallstage zahlt. Hierüber sind Verhandlungen mit diesem Hause im Zuge10.

Die Hauptfrage, welche bei diesem Anlasse zur Sprache kam, ist aber die: Rothschild hat nämlich geraten, daß von Seite Österreichs fünfprozentige Metalliques, welche gut stehen, im Auslande verkauft werden. Man würde hiedurch Zufluß an barem Gelde in das Land erzielen. Rothschild machte sich anheischig, diesen Verkauf im Kommissionswege zu besorgen. Der Preis der Papiere, unter welchem nicht verkauft werden darf, wäre von 14 zu 14 Tagen zu limitieren, und er würde über die vollzogenen Verkäufe Rechnung legen. Hier ergab sich die Frage, ob wir Fünf-Prozent-Papiere besitzen, welche veräußert werden könnten, indem neues Fünf-Prozent-Papier, ohne unredlich zu sein, nicht angefertigt werden darf. Diese Frage wurde bejaht, weil der Tilgungsfond und die politischen Fonde große Summen dieser Papiere besitzen. Die Fünf-Prozent-Papiere des Tilgungsfondes und der politischen Fonde könnten sonach in einem bestimmten Betrage gegen die neuen 41/2 prozentigen in der Art umgetauscht werden, daß diesen Anstalten ein gleicher Zinsenertrag bleibt, und wobei dieselben noch an Kapital gewinnen würden. Durch Rothschild könnte dieses Geschäft am zweckmäßigsten ausgeführt werden, weil er die Papiere an vielen Plätzen zugleich anbieten würde, wodurch der Kurs nicht wesentlich alteriert werden könnte.

Der Finazminister hat diesen Gegenstand mit dem Minister Ritter v. Bruck beraten, welcher sich mit der Bemerkung einverstanden erklärte, daß der Limitopreis nicht in Bankvaluta, sondern in Metallmünze im ausländischen Kurs bezahlt werde, wogegen Rothschild gleichfalls nichts zu erinnern fand.|| S. 946 PDF ||

Der Ministerrat hat dieser Einleitung seine volle Zustimmung erteilt11.

VI. Zeitungsstempel

Gegen den von dem Finanzminister Freiherrn v. Krauß vorgelesenen Entwurf des Gesetzes über den Zeitungsstempel und den diesfälligen Vortrag ergab sich keine Erinnerung12.

Was die Art der Einbringung dieser Abgabe anbelangt, haben die Redaktionen ihre Blätter von 14 zu 14 Tagen vorzulegen, wobei die Gebühr nach den Inseraten berechnet, dekursive und auf einmal entrichtet wird, was offenbar eine Erleichterung der Zahlungspflichtigen ist. Welche dieser Verpflichtung nicht nachkommen, werden das erste Mal ermahnt, und im Wiederholgungsfalle tritt die strenge Ausübung der Gefällsvorschriften ein, und es wird den Redaktionen untersagt, nicht eher Inserate wieder aufzunehmen, bis sie ihre Gebühren etc. entrichtet haben13.

VII. Geldverhältnisse der Wiener Neustadt-Ödenburg-Eisenbahngesellschaft

Hierauf besprach der Fianzminister eine Angelegenheit der Wiener Neustadt-Ödenburger Eisenbahngesellschaft, welche wegen Bezahlung von Schulden sich in Verlegenheit befindet und deshalb beim Handelsministerium um einen Vorschuß von 250.000 fr. eingekommen ist14. Der Finanzminister bemerkte, daß diese Eisenbahn für Ungarn von hoher Wichtigkeit ist, und daß, wenn die andere Trasse nicht schon gebaut wäre, dieser der Vorzug gebühren würde. Bei dieser Trasse würde der Semmering ohne Schwierigkeit umgangen werden können, und man gelangte darauf in die Kornkammer Ungarns. Aktien dieser Eisenbahngesellschaft vom Staate anzukaufen sei dermal wegen vieler anderer, dem Staate obliegender Zahlungen nicht wohl ausführbar. Damit aber diese Eisenbahngesellschaft in ihrer Verlegenheit nicht gezwungen sei, sich der Gloggnitzer Eisenbahngesellschaft in die Arme zu werfen, so erübrige wohl nichts anderes, als derselben einen Vorschuß zu gewähren, über dessen Betrag der Finanzminister noch Erhebungen einleiten und Nachweisungen abfordern würde. Hat der Staat einmal die Neustadt-Ödenburger Eisenbahn eingelöst, so bekommt er dadurch die Gloggnitzer Bahn ganz in seine Gewalt. Es brauchte nur der Semmering nicht ausgebaut zu werden, so würden vier Meilen dieser Bahn dem Verkehre entzogen.

Der Ministerrat fand gegen den diesfälligen Antrag des Finanzministers nichts zu erinnern und der Minister Ritter v. Bruck nur noch beizufügen, daß er nächstens über die Kommunikationen in Ungarn seine Anträge vorbringen werde, und daß die Neustadt-Ödenburger Trasse in diesem Plane mit einbegriffen sei15.

VIII. Grundbuchsgeschäftebesorgung

Der Justizminister Ritter v. Schmerling brachte schließlich zur Sprache, daß zwischen seinem und dem Finanzministerium ein Konflikt darüber bestehe, ob nach dem ursprünglichen Plane und der darüber erflossenen Ah. Entschließung das Grundbuchswesen ein Bestandteil der Justizverwaltung sein, oder ob es den Steuerbehörden überlassen werden solle, worüber gleichfalls eine Ah. bewilligende Entschließung besteht16. Der Justizminister hielt sich nicht ermächtigt, von dem ursprünglichen Ah. genehmigten Plane abzugehen. Werden einmal die Grundbücher eingereicht sein, dann könne noch immer die Frage erörtert werden, ob sie wegen ihrer Verbindung mit den Kataster den Steuerämtern übergeben werden sollen. Jetzt, wo die Grundbücher erst errichtet werden sollen, was eine Riesenarbeit sei, sei es durchaus notwendig, sie durch die dazu bestimmten Männer errichten zu lassen. Nach dem Antrage des Justizministeriums sollen ohnehin nur bei größeren Gerichten eigene Grundbuchsführer bestehen, was die Kosten dieser Anstalt wesentlich vermindert. Diese Sache sei nach allen Richtungen erwogen und wünschenswert gefunden worden, bei den größeren Gerichten einen eigenen Grundbuchsführer anzustellen, ein anderer Beamter dieses Gerichtes hätte die Kontrolle zu übernehmen, wodurch ein zweiter Steuerbeamter der Kontrolle wegen erspart würde.

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß bemerkte, der vorige Justizminister Dr. Bach habe in seinem Antrage auf Organisierung der Justizbehörden auch das Grundbuchswesen für diese Behörden einbezogen. Bei größeren Ämtern sollte ein Grundbuchsführer bestehen, bei kleineren sollte der Richter oder der Adjunkt dieses Geschäft besorgen. Als später die Organisierung der Steuerämter und die Besorgung der Grundbücher von diesen in Antrage kam, wurde die Sache zweimal beraten, und der Justizminister hat diesem Antrage beigestimmt. Dieses vorausgeschickt bemerkte der Finanzminister weiter, daß das Grundbuch mit dem Kataster et vice versa in einiger Verbindung stehe und beide in Übereinstimmung geführt werden müssen. Grundbuch und Kataster seien zum Vorteile der Bevölkerung da, und es sei eine große Erleichterung der letzteren, wenn sie bei Gelegenheit der Steuerzahlung auch die auf das Grundbuch bezüglichen Geschäfte in einem Lokale mit Zeitersparnis verrichten kann. Wenn beide getrennt sind, habe man nicht die Beruhigung, daß alles übereinstimmend, schnell und ohne Belästigung der Parteien geschehe. Finanziell betrachtet würde eine Trennung die Auslagen bedeutend vermehren. Die Beschäftigung beim Grundbuche werde nicht immer so groß sein, um einen Menschen zu beschäftigen, bei dem Steueramte könnte dieses Individuum indessen zu anderen Geschäften verwendet werden. Der Grundbuchsführer und der kontrollierende Beamte, beide müssen verrechnende und verkautionierte Beamte sein. Der Finanzminister hätte übrigens nichts dagegen, wenn die Besetzung dieser Beamten von den Justiz- und Fianzbehörden einverständlich geschähen,|| S. 948 PDF || und wenn die Justizbehörde eine strenge Disziplinargewalt über die Grundbuchsbeamten übte.

Der Justizminister erinnerte gegen die hier vorgebrachten Gründe, daß eine Belästigung der Parteien nicht wohl stattfinden könne, weil das Steueramt und das Grundbuch in demselben Hause nebeneinander sich befinden werden, der Zusammenhang derselben sei wichtig, allein die Evidenzhaltung des Besitzstandes, das Besitzblatt, sei unstreitig das wichtigste, die Grundbücher seien ein für den Privatkredit vorzüglich wichtiges Institut. Man wolle die Justiz von der Administration trennen, und bei den Grundbüchern sollte es nicht geschehen? Ferner bemerkte Ritter v. Schmerling, daß im Publikum ein Mißtrauen gegen die Grundbücher entstünde, wenn sie bei den Steuerämtern geführt würden, indem man meinen würde, daß es hauptsächlich deshalb geschehe, um Einsicht in die Verhältnisse wegen der Steuerbessung zu nehmen usw.

Die Minister Ritter v. Thinnfeld, Baron Kulmer, Graf Thun und Ritter v. Bruck erklärten sich in der Wesenheit dafür, daß das Grundbuch als Basis des Besitzstandes bei der Justiz bleibe, vorzüglich aus dem Grunde, weil das Zutrauen zu den Grundbüchern in der öffentlichen Meinung verringert würde, wenn sie bei den Steuerämtern geführt würden. Zu einem Beschlusse über diesen Gegenstand ist es übrigens nicht gekommen17.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 3. Jänner 1850.