MRP-1-2-01-0-18491226-P-0237.xml

|

Nr. 237 Ministerrat, Wien, 26. Dezember 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 27. 12.), Krauß 29.12., Bach 29.12., Gyulai 29.12., Schmerling 28.12., Bruck, Thinnfeld 28.12., Thun, Kulmer 29.12.; abw. Stadion.

MRZ. 4838 – KZ. 4017 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 26. Dezember 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Herausgabe der Reichsschatzscheine

Der Finanzminister las den Entwurf seines Vortrags an Se. Majestät wegen Hinausgabe von Reichsschatzscheinen1, eine Maßregel, die im Grundsatze bereits Ah. genehmigt sich nun infolge der durch die Ah. resolvierten Vorträge vom 25. Juni und 10. September 1849 sanktionierten Vorschläge über die Mittel zur Herstellung der Ordnung im Staatshaushalte als notwendig darstellt2.

Auf Antrag des Handelsministers wurde beschlossen, Abschriften dieses wichtigen und umfassenden Aktenstückes jedem der Minister zur genaueren Prüfung desselben mitzuteilen3.

II. Maßnahmen zur Einziehung der lombardisch-venezianischen Tresorscheine

In dem eben erwähnten Vortrage ist wegen Einziehung der lombardisch-venezianischen Schatzscheine (viglietti di tesoro) die Erstattung eines abgesonderten Vorschlags zugesichert4. Zu diesem Ende brachte der Finanzminister seine Ansichten hierüber in Vortrag.

Da die strenge Durchführung des Zwangskurses der gedachten Schatzscheine5 wie bisher an dem passiven Widerstande der Bevölkerung scheitern und selbst bei einer etwaigen Erhöhung des Zinsfußes dieser Papiere nicht durchzusetzen sein wird, so erübrigt nichts, als diese schwebende Staatsschuld zu fundieren6. In dieser Beziehung ist daher der Finanzminister einstimmig mit dem Feldmarschall Grafen Radetzky und Grafen Montecuccoli der Meinung, daß die Schatzscheine mittels eines Anleihens von 100 Millionen Lire eingezogen werden sollen. Nur über die Modalitäten dieser Operation waltet|| S. 937 PDF || zwischen den Landesautoritäten und zwischen dem Finanzminister eine wesentliche Verschiedenheit der Meinungen ob. Während nämlich erstere für ein fünfprozentiges, in fünfzehn Jahren rückzahlbares, mit vier Fünfteln in Schatzscheinen und einem Fünftel in Barem einzuzahlendes Anleihen sind7, würde der Finanzminister nur eine vierprozentige Verzinsung, die Einzahlung aber nach dem Kurse zu 90 und mit der Hälfte in Schatzscheinen, mit der andern Hälfte im Baren vorschlagen. Der niedrige Zinsfuß rechtfertigt sich seines Erachtens durch das von der Notwendigkeit gebotene Bestreben, im allgemeinen einen niedrigern Zinsfuß für Staatsanleihen zu erreichen, dann durch den Umstand, daß dem Gläubiger in der Offerierung zum Kurse von 90 und in der Annahme der Schatzscheine für bar ein wesentlicher Gewinn am Kapitale in Aussicht gestellt wird. Die Beschränkung der Annahme der Schatzscheine auf die Hälfte der ganzen Einzahlung des Anleihens von 100 oder zu 90 von 112 Millionen Lire aber findet darin ihren Grund, daß selbst bis zur Zeit der Auflage des Anleihens nicht mehr als einige 40 Millionen Lire an Schatzscheinen im Umlaufe sein werden. Endlich würde der Finanzminister, gleichwie er sich einst gegen den Zwangskurs der viglietti di tesoro erklärt hatte, auch hier den Zwang möglichst vermeiden, also zuerst das Zustandekommen eines freiwilligen Anleihens versuchen und nur im Falle des Mißlingens das Zwangsanleihen eintreten lassen, wobei natürlich die Regierung in Hinsicht der Bedingungen desselben an die den freiwilligen zugestandenen Begüstigungen keineswegs gebunden wäre.

Hierüber bemerkte der Handelsminister , nach der Äußerung des Grafen Montecuccoli könne zwar der Versuch mit einem freiwilligen Anleihen gemacht werden, aber er erklärt selbst, daß er keinen Erfolg davon hoffe. Auch der Handelsminister, wie er den Geist der Bevölkerung kennt, ist überzeugt, daß der Versuch zu nichts führen werde. Darum, und weil die Maßregel zur Einlösung der viglietti di tesoro unumgänglich notwendig und dringend ist, würde er sich für die alsogleiche Ausschreibung eines Zwangsanleihens unmittelbar erklären. Um aber die Zwangsmaßregel in etwas zu mildern, würde er den Zinsfuß für das al pari teils in Schatzscheinen, teils in Barem einzuzahlende Anleihen auf fünf Prozent ansetzen, weil nur Papiere mit solcher Verzinsung dortlands üblich und beliebt sind, weil die Landesbehörden von dieser Überzeugung geleitet ebenfalls auf diese höhere Verzinsung angetragen haben, weil diese Papiere, wenn auch durch die zugesicherte Zurückzahlung vor anderen gleicher Gattung begünstigt, doch kaum auf unseren Geldmarkt ungünstig wirken werden, indem sie meistens in festen Händen bleiben, weil endlich die Verzinsung nur dem Lande, nicht der Gesamtmonarchie zur Last fallen wird.

Als der Finanzminister auf die Schwierigkeit hinwies, welche mit der Auffindung eines gerechten Repartitionsmaßstabes des Zwangsanleihens verbunden sein würde, deutete der Handelsminister auf die diesfalls zu Gebote stehenden bekannten statistischen Daten über Bevölkerung, Steuerkraft und Reichtum der verschiedenen Provinzen des lombardisch-venezianischen Königreichs mit dem Bemerken hin, daß die Aufteilung der mäßigen Summe von 100 Millionen Lire auf 17 Provinzen nach dem Maße|| S. 938 PDF || ihrer Bevölkerung und ihres Reichtums mit besonderer Rücksicht auf die Städte nicht schwierig und selbst einige Ungleichheit im einzelnen wenig fühlbar dabei sein würde.

Bei der Umfrage erklärten sich die Minister des Inneren, der Justiz und Baron Kulmer für die Ausschreibung des freiwilligen Anleihens mit der Klausel, daß im Falle des fruchtlosen Ablaufens des dazu zu setzenden kurzen Termins sogleich mit der Aufteilung des Zwangsanleihens vorgegangen werden würde und zwar unter ungünstigeren Bedingungen.

Die übrigen, also mehreren Stimmen, waren dagegen für die sogleiche Ausschreibung des Zwangsanleihens, worüber die näheren Bestimmungen einer abermaligen Beratung vorbehalten wurden8.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 3. Jänner 1850.