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Nr. 236 Ministerrat, Wien, 24. Dezember 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 26. 12.), Krauß 31.12., Bach 1.1., Gyulai 31.12., Schmerling 29.12., Bruck, Thinnfeld 26.12., Thun, Kulmer 26.12.; abw. Stadion.

MRZ. 4835 – KZ. 14 (1850) –

Protokoll der am 24. Dezember 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Politische Rechte der Grenze

Der Ministerpräsident eröffnete die Sitzung mit der Mitteilung, daß Se. Majestät ihm eine neue Ausarbeitung des Banus, die Frage betreffend, welche politischen Rechte den Grenzern eingeräumt werden sollten etc., mit dem Ah. Auftrage zu übergeben geruhet haben, diese Ausarbeitung zum Gegenstande einer Besprechung zwischen den Ministern Dr. Bach, Baron Kulmer und Grafen Gyulai zu machen1.

Dieses Elaborat wurde daher diesen Ministern zur vorläufigen Durchsicht mitgeteilt2.

II. Verein zur Errichtung eines Militärspitales in Karlsbad

Ferner teilte der Ministerpräsident mit, daß Graf Czernin, der k.k. Silberkämmerer, sich an die Spitze eines Vereins gestellt habe, welcher sich zum Zwecke gesetzt, ein Militärspital in Karlsbad (eine dort noch fehlende und für Rekonvaleszenten nach Fieberkrankheiten sehr wünschenswerte Anstalt) zu errichten, die dazu nötigen Gelder durch Subskriptionen hereinzubringen und zu diesem Behufe einen Aufruf an die Patrioten des Reiches zu erlassen, wozu sich nun die Bewilligung erbeten werde.

Da der Verein eine sehr gute Intention hat, so wurde diese Eingabe dem Minister Dr. Bach zu dem Ende übergeben, bei Sr. Majestät auf die Ah. Erteilung der angesuchten Bewilligung anzutragen3.

III. Warnung des Redakturs der Zeitung „Figyelmező“

Nach vorläufiger Rücksprache mit Baron Geringer, bemerkte der Minister des Inneren Dr. Bach , wird nun dem Redakteur Vida eines in Pest erscheinenden Blattes („Figyelmező“)desselben, was von dem Ministerium unterstützt wurde und das nun|| S. 931 PDF || eine heftige und gehässige Opposition macht, die letzte und energische Mahnung erteilt, nach welcher, wenn das Blatt in demselben Tone fortfahren sollte, die Einstellung oder Sperre desselben erfolgen werde4.

IV. Ansuchen der Stadt Komorn um ein Darlehen

Hierauf erwähnte der Minister Dr. Bach eines ihm vor einiger Zeit zugekommenen Gesuches der Stadt Komorn, worin dieselbe um eine Unterstützung mittelst eines Darlehens von 300.000 fr. bittet5. Baron Geringer spricht diesem Gesuche das Wort und trägt auf Gewährung desselben an6.

Der Ministerrat erklärte sich im Prinzipe einverstanden und geneigt, für die hart hergenommene Stadt etwas zu tun. Über das angesuchte Darlehen wird aber noch vorläufig der dortige Kommissär vernommen, und es werden die erforderlichen Erhebungen durch das Finanzministerium gepflogen werden7.

V. Besetzung der Statthalterstellen in Niederösterreich und Steiermark

Derselbe Minister eröffnete, daß die für die Statthaltersstellen in Niederösterreich und Steiermark nach dem Beschlusse des Ministerrates Sr. Majestät vorzuschlagenden Personen erklärt haben, diese Stellen anzunehmen. Dr. Burger von Triest, der hierher beschieden wurde und eine Stunde nach dem Empfange der telegraphischen Depesche bereits auf dem Wege hierher war, hat diese Erklärung hier mündlich abgegeben8.

VI. Orden der eisernen Krone zweiter Klasse für Ignaz Ritter v. Marquet

Mit dieser Anzeige verband der Minister Dr. Bach den Antrag, dem Ritter v. Marquet, der längere Zeit die Geschäfte des Kronlandes Steiermark gut leitete und nur wegen seines vorgerückten Alters nicht zum Statthalter vorgeschlagen werden konnte, eine Auszeichnung von Sr. Majestät zu erbitten, welche, da er Ritter des eisernen Kronordens dritter Klasse ist, in der A.g. Verleihung der zweiten Klasse dieses Ordens zu bestehen hätte, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte9.

VII. Auszeichnungen für einige Triestiner

Hierauf besprach der Minister Dr. Bach die vom Zivil- und Militärgouverneur Grafen Wimpffen für Triest angetragenen Auszeichnungen10. Als Se. Majestät die Reise nach Triest unternehmen wollten, wurden für diesen Anlaß mehrere Auszeichnungen vorbereitet11. Da diese Reise unterblieb12, so wurden mittlerweile die von den Ministerien des Krieges und des Handels damals beabsichtigten Auszeichnungen von Sr. Majestät bereits gewährt. Graf Wimpffen trägt nun auf Auszeichnung jener an, die in das Ressort des Ministeriums des Inneren einschlagen, und nennt den Lutterotti, Dr. Scrinzi, Kaufmann Revoltella aus Triest, Konstantin Reyer, Parente, Ralli, Hagenauer,|| S. 932 PDF || welche er für Orden, und andere, die er für die Beteilung mit Medaillen in Antrag bringt.

Diese Angelegenheit wird bis zur vollständigen, nahe bevorstehenden Aktivierung des Franz-Joseph-Ordens, zu welchem Orden auch noch ein goldenes und ein silbernes Verdienstkreuz hinzugefügt werden wird, das an demselben Bande wie der Orden getragen wird und wozu Se. Majestät bereits vorläufig die Ah. Einwilligung zu erteilen geruhet haben, aufbehalten, wo dann in Überlegung genommen werden wird, welche dieser Auszeichnungen den genannten Individuen zuteil werden dürften13.

VIII. Herausgabe eines italienischen Zeitungsblattes in Wien

Das Wünschenswerte eines italienischen Blattes für Wien vorausgesetzt, bemerkte der Minister des Inneren weiter, daß ein sicherer Maurone ein solches Blatt hier gründen wolle, ein gutes Programm diesfalls vorgelegt habe und nur verlange, daß man die Kaution für ihn, die er nicht aufzubringen vermöge, unter den nötigen Kautelen leiste.

Der Ministerrat erkennt die Gründung eines italienischen Blattes hierorts, aus welchem die hiesigen Artikel ihren Weg nach Italien finden würden, als sehr zeitgemäß und die Gewährung der Bedingung hiernach als zulässig. Entspricht das Blatt nicht, so kann es immer gesperrt und die Kaution wieder eingezogen werden. Der Minister des Inneren wird demnach den Zivil- und Militärgouverneur Baron Welden angehen, dem Maurone die fragliche Konzession zu erteilen14.

IX. Patriotische Spende der Stadt Liezen in Steiermark

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß erwähnte hierauf, daß ihm ein Artikel für die Wiener Zeitung eingeschickt worden sei, nach welchem der Stadt Liezen in Steiermark, welche eine vierprozentige Obligation von einigen tausend Gulden zu dem Ende hergegeben, damit sie das Gericht dahin bekomme, nun für diese patriotische Spende der öffentliche Dank ausgedrückt werden soll.

Da diese Widmung einen der Stadt zum Vorteile gereichenden Zweck bezielte, so wird der Finanzminister im Einverständnisse mit dem Ministerrate diesen Artikel rückgängig machen15.

X. Zeitungsstempel

Derselbe Minister besprach sodann die Stempelfrage hinsichtlich der Zeitungen, deren definitive Erledigung noch vor dem Beginne des künftigen Jahres von dem Handelsminister gewünscht wird. Nach seinem Antrage soll von den politischen Tagesblättern kein Stempel, wohl aber von den Insertionen eine Gebühr entrichtet werden, um den durch die Aufhebung des Zeitungsstempels den Finanzen zugehenden Ausfall von mehr als 160.000 fr. jährlich einigermaßen zu decken. Hinsichtlich dieser Insertionsgebühr wäre zwischen den Blättern in Wien und jenen in den Provinzen zu unterscheiden und für die ersteren eine Insertionsgebühr von allenfalls 20 Kreuzern, für die letzteren von 15 Kreuzern zu bestimmen. In England besteht eine Insertionsgebühr von|| S. 933 PDF || 1 Shilling und 6 Pence, in Irland von 1 Shilling (30 Kreuzern), welche Abgabe jedoch für unsere, besonders die kleineren Blätter, zu groß wäre und ihre Verbreitung hindern würde. Fremde Zeitungen aus Staaten, wo ein Zeitungsstempel besteht, sollen den Stempel wie bisher zahlen, die anderen aber stempelfrei sein. Ferner soll wie im lombardisch-venezianischen Königreiche von jedem Plakate (mit Ausnahme der Theaterzettel) eine Abgabe von 1/2 Kreuzer gefordert werden. Behördliche Insertionen zahlen keine Abgabe.

Mit diesen Anträgen erklärte sich der Ministerrat in der Wesenheit einverstanden, nur wären nach der Bemerkung des Ministers Dr. Bach die fremden Zeitungen ohne Unterschied bei uns dem Stempel zu unterziehen, teils schon im Interesse der inländischen Presse, teils und vorzüglich aber um fremde schlechte Blätter, mit denen wir sonst überflutet würden, bei uns zu erschweren. Der Minister Ritter v. Bruck erklärte, daß diese bei den deutschen Zeitungen zufolge des Beitritts zu dem mit den deutschen Postverwaltungen verabredeten Vertrage über die gleiche Behandlung des Zeitungswesens umso mehr möglich sei, nach welchem Vertrage übrigens die ausländischen Zeitungen politischen Inhaltes künftig fünfzig Prozent des Preises als Porto bezahlen würden, während die inländischen nur zwanzig und fünfzehn Prozent bezahlen, in welchen Sätzen also ein Schutz von mehr als dreißig Prozent und zugleich der Ersatz für den Abgang des Stempels liege16. Die Unterdrückung einer Zeitung kann dadurch noch leichter erfolgen, daß die Post die Versendung nicht mehr besorgt, da die Postverwaltung nicht dazu verpflichtet werden kann17.

XI. Erklärung des Hafens von Venedig als Kriegshafen

Bezüglich des Reglements in Ansehung der Zulassung fremder Kriegsschiffe in den österreichischen Häfen18 wurde über eine von dem Kriegsminister Grafen Gyulai vorgebrachte Motion des Handels­ministers Ritter v. Bruck beschlossen, auch den Hafen von Venedig als Kriegshafen zu erklären und daher in dem Satz, wo Pola und Lissa als Kriegshäfen aufgeführt sind, auch Venedig aufzunehmen, was die Folge hätte, daß fremde Kriegsschiffe auch von diesem Hafen ausgeschlossen würden, ohne an den übrigen Verhältnissen Venedigs etwas zu ändern19.

XII. Besoldungserhöhung für die Gymnasiallehrer

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichts Graf Thun brachte die schon früher angetragene Zulage für die gering besoldeten Lehrer an den k.k. Gymnasien in den ehemals sogenannten deutsch-slawischen Provinzen und für die gegenwärtigen Gymnasialdirektoren insofern zur Sprache20, als er in seinem nun geänderten und Sr. Majestät vorzulegenden a.u. Vortrage nach dem früheren Beschlusse die Zulage für die Gymnaialkatecheten ausgelassen hat, wodurch die diesfällige Auslage wesentlich vermindert erscheint.|| S. 934 PDF ||

Gegen diesen so modifizierten Antrag ergab sich keine Erinnerung21.

XIII. Stipendien für Ruthenen an der Lemberger Universität

Hierauf besprach dieser Minister die von dem Justizminister früher angeregten Stipendien für die Ruthenen in Lemberg, die sich den juridischen Studien widmen22. Nach seiner Ansicht wären für dieselben an der Lemberger Universität zwanzig Stipendien zu 100 fr. zu errichten, von welchen jedes Jahr fünf zu verleihen wären. Gegenwärtig könnten alle zwanzig in der Art verliehen werden, daß die Juristen im ersten Jahr ganze fünf, im zweiten, dritten und vierten in jedem ebenfalls fünf solche Stipendien bekämen, künftig würden alle Jahre fünf erledigte Stipendien dieser Art weiter verliehen werden können. Meistens widmen sich nur Söhne der griechisch unierten Geistlichkeit (Ruthenen) den Studien, welche Geistlichkeit einen großen Einfluß auf die ruthenische Nation ausübt. Die Besetzung der Stipendien (wie die allenfällige Entziehung derselben bei Unwürdigen) wäre dem Landeschef zu überlassen. Wenn solche Stipendisten an anderen österreichischen Universitäten ihre Studien fortsetzen, können sie das Stipendium fortbeziehen.

Mit diesen Anträgen erklärte man sich im Prinzipe einverstanden, nur bemerkte der Finanzminister , daß, da andere Stipendien in Lemberg und ein Akademiefond daselbst bestehen, dessen Bestimmung ist, Stipendien zu erteilen, vor allem dieser Fond zu den oberwähnten Stipendien in Anspruch genommen werden sollte. Der Minister Graf Thun wird die Verhältnisse dieses Akademiefonds näher erheben lassen und den Gegenstand sodann neuerdings vorbringen23.

XIV. Ansuchen der Tiroler Bischöfe um Aufrechthaltung der Einheit des Glaubens der katholischen Kirche

Schließlich bemerkte noch Graf Thun , daß schon bei der Versammlung der katholischen Bischöfe in Wien die Tiroler Bischöfe das Ansuchen gestellt haben, es möchte in Tirol die Einheit des Glaubens der katholischen Kirche aufrechterhalten werden, und daß die Tiroler Bischöfe in einer Petition an Se. Majestät nun dieselbe Bitte stellen24.

Der hierüber vernommene Statthalter Graf Bissingen hat hierüber einen ausführlichen Bericht erstattet, worin er unter andern bemerkt, daß zu Josephs Zeiten schon Ausnahmen von der in Tirol geltenden Regel gemacht werden wollten, daß aber über die dagegen erhobene Einsprache die Weisung erflossen ist, das Toleranzpatent sei keineswegs so zu verstehen, als ob man den Provinzen, wo die Protestanten bisher nicht bestanden,|| S. 935 PDF || diese dadurch aufdringen wollte, und schließt mit dem Antrage, daß vor Erledigung der vorliegenden Angelegenheit der Bischöfe der nächste Landtag in Tirol abgewartet werden sollte, wo diese Angelegenheit zur Sprache kommen dürfte25. Graf Thun fände das Hinaus­schieben unzweckmäßig und die Lage der Regierung mißlich, wenn bei dem Tiroler Landtage diese Frage zur Sprache käme und eine Ausnahme von den Bestimmungen der Verfassung begehrt würde. Nach seiner Meinung wären die betreffenden Paragraphe der Reichsverfassung und der Grundrechte schon gegenwärtig so auszulegen, daß die Entscheidung der Frage, welche Religionsgesellschaft in einem Kronlande eine anerkannte Kirche sei (§ 2 der Grundrechte), der Landesgesetzgebung zustehe. Graf Thun glaubt, daß eine solche Bestimmung mit dem § 36 ad c. der Verfassung26 vollkommen vereinbar sei, daß es ebenso gefahrlos als billig und der Verschiedenheit der Provinzialverhältnisse entsprechend sei, jene Frage den Landtagen zuzuweisen, und daß es von Wichtigkeit sei, durch eine solche Erklärung die Besorgnisse der Tiroler noch vor Erlassung der Landesverfassung zu beseitigen. Diese Erklärung wäre daher in Erledigung der Petition der Tiroler Bischöfe zu erteilen und auszusprechen, daß der Verfassung keineswegs die Absicht zugrunde liege, den Tirolern einen dort nicht bestandenen Kultus aufzudringen.

Nach der Ansicht des Ministers des Inneren wäre es nicht zeitgemäß, über diese Petition der Tiroler Bischöfe prinzipiell zu entscheiden. Die Angelegenheiten der katholischen Bischöfe überhaupt sehen noch der Erledigung entgegen, und die griechisch nichtunierten Bischöfe sind zur Beratung der Angelegenheiten ihrer Kirche einberufen27. Nach dem Dafürhalten des Ministers Dr. Bach sollten alle diese Fragen zusammen prinzipiell zur Lösung kommen. Eine besondere Verfügung für Tirol würde diesem Kronlande den Charakter einer Sonderstellung geben. Ein dringendes Bedürfnis, in dieser Sache schon jetzt zu entscheiden, sei, wie selbst der Statthalter anerkennt, nicht vorhanden. Die Religionsangelegenheiten gehören vor das Forum des Reichstages, und bis dieser sich darüber ausgesprochen, bleiben die bisher geltenden Vorschriften in Kraft, daher auch die, daß in Tirol bis jetzt nur die katholische Religion anerkannt ist.

Nach der Ansicht dieses Ministers, mit der sich die Majorität der Stimmführer vereinigte, wäre demnach die Entscheidung über die vorliegende Petition der Tiroler Bischöfe, bis die Beschlüsse der katholischen Bischöfe überhaupt erledigt sein werden, zu vertagen, welcher Ansicht jedoch der Minister des Kultus die Bemerkung entgegenstellte, daß die Frage, welche Religionsgesellschaften in den einzelnen Kronländern als anerkannte Kirchen zu betrachten seien, mit der Frage, wie das Verhältnis des Staates zu den anerkannten Kirchen zu ordnen sei, in keinem notwendigen Zusammenhange stehe28.

Ah.E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 3. Jänner 1850.