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Nr. 229 Ministerrat, Wien, 15. Dezember 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach (ab II.), Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun (ab II.), Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 16. 12.), Krauß 17.12., Bach 17.12., Gyulai 17.12., Schmerling 17.12., Bruck, Thinnfeld 17.12., Thun, Kulmer 17.12.; abw. Stadion.

MRZ. 4670 – KZ. 3923 –

Protokoll der am 15. Dezember 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Pensionswiederanweisung für Peter Joseph Freiherr v. Eichhoff

Der Finanzminister Freiherr von Krauß brachte eine Eingabe des gewesenen Hofkammerpräsidenten Freiherrn v. Eichhoff vom 8. d.M. ddo. Olmütz1 zur Sprache, worin derselbe bittet, ihm vom 1. Jänner 1850 an seinen früheren Ruhegehalt in dem den gegenwärtigen Normen entsprechenden Betrage wieder flüssig zu machen.

Freiherr v. Eichhoff hat in einer Eingabe an Se. Majestät vom 11. April 1848 auf seinen unterm 25. November 1840 erhaltenen Ruhegehalt jährlicher 16.000 fr. auf so lange verzichtet, als es die bedrängten Umstände der Finanzen erfordern würden, und zugleich erklärt, die Wiederflüssigmachung seines Ruhegehaltes so lange nicht begehren zu wollen, bis nicht die Reichsstände seine finanzielle Amtsgestion einer strengen Prüfung unterzogen und gefunden haben werden, daß er während seiner diesfälligen Amtsleitung allen Pflichten vollkommen entsprochen habe. Dieses am Altare des Staates niedergelegte Opfer des Baron Eichhoff wurde von Sr. Majestät mit Wohlgefallen aufgenommen2. In der vorliegenden Eingabe bemerkt Freiherr v. Eichhoff, daß sich die Verhältnisse der Finanzen und des Staates seit jener Zeit wesentlich verbessert haben. Der Krieg sei beendet, die Provinzen leisten wieder Steuern und Abgaben, und so sei der Zeitpunkt gekommen, daß der Staat jenes Opfers nicht mehr bedürfe. Seine Verhältnisse hätten sich dagegen bedeutend verschlimmert. Durch die Aufhebung der Robot etc. sei er um einen großen Teil seines Einkommens gekommen und dergleichen.

Bei der Erörterung dieses Gegenstandes und der Frage, ob die oberwähnte Erklärung des Baron Eichhoff als zweiseitig verbindlich zu betrachten sei, einigte sich der Ministerrat nach dem Antrage des Finanzministers in der Ansicht, jene Erklärung nicht als einen Vertrag anzusehen und dem Gesuche des Baron Eichhoff demnach zu willfahren3.

|| S. 903 PDF || An diesem Beschlusse haben die noch abwesenden Minister Dr. Bach und Graf Thun keinen Anteil genommen.

II. Grundsteuer in Ungarn

Hierauf besprach der Finanzminister Freiherr v. Krauß zwei Mitteilungen des Baron Geringer.

Die erste betrifft die Repartition der Grundsteuer in Ungarn4. Nachdem der Fianzminister die früheren, in den Ministerratsprotokollen vom 8. und 16. Oktober d.J. niedergelegten Anträge über diesen Gegenstand reassumiert hatte5, bemerkte er, daß Baron Geringer auf den Antrag zurückkomme, die bisher steuerfreien Gründe so anzusehen, als ob sie steuerpflichtig wären, und sie mit den steuerpflichtigen ganz gleich zu behandeln.

Hierüber wurde heute mit mehreren Sachverständigen aus Ungarn eine Kommission bei dem Finanzministerium abgehalten, wobei die Kommissionsglieder darin übereinstimmten, daß dies die einfachste Repartition wäre. Der Finanzminister habe sie aufmerksam gemacht, daß die Grundherrn verpflichtet waren, ihren Untertanen nur gute Gründe herzugeben, wornach die schlechteren ihnen blieben. Zur Milderung dieses Mißstandes wurden zwei Maßregeln beschlossen: a. Die Hutweiden, die ein Grundherr besitzt, freizulassen, weil sie nach der Dikalrepartition bei den ehemaligen Untertanen gleichfalls frei sind, und b. die Wälder (wovon die Untertanen keine oder nur wenige besitzen) von der Besteuerung auszuschließen. Hierüber würde Baron Geringer einen besonderen Vorschlag machen.

Hinsichtlich der Grundstücke, welche in Händen der Untertanen und nahe bei Hause sind, einigte man sich dahin, die Repartierung nach dem Dikalsystem vorzunehmen und in Ansehung der bisher steuerfreien einen Termin zur Reklamation für jene offenzulassen, welche sich durch diese Repartition für überbürdet halten würden. Auf diese Art wäre das Provisorissimum in Ausführung zu bringen. Dieser Antrag wäre nach der Ansicht des Finanzministers zu genehmigen, wogegen der Ministerrat nichts zu erinnern fand6.

Die zweite Mitteilung betraf das Grundsteuerprovisorium7. Hierbei wurde von einem Kommissionsgliede die Idee aufgestellt, eine gewisse Einheit, z.B. das Joch, für das ganze Land anzunehmen und nach dieser Einheit die Gesamtsumme zu repartieren. Die Verschiedenheit der Ertragsfähigkeit würde bei dieser Annahme dadurch ausgeglichen, wenn für das Joch nach Verhältnis der Güte des Grundes eine größere oder mindere Zahl von Quadratklaftern angenommen würde, z.B. im Banat das Joch zu 600 Klaftern, im Gebirge selbst zu 2.000 Klaftern. Von dieser Idee wurde jedoch abgegangen und beschlossen, sich dem rationellen Grundsteuerkataster mehr zu nähern, nämlich den|| S. 904 PDF || Flächeninhalt so viel möglich zu erheben. Den Schwierigkeiten dieser Erhebung, bemerkte man, dürfte durch die früher angeordneten und großen Teils ausgeführten sogenannten Kommassationen bedeutend erleichtert werden. Die zu diesem Behufe aufgenommenen Mappen werden benützt werden, dann wird man den Flächeninhalt von den Besitzern selbst angeben lassen und so den Flächeninhalt annäherungsweise erheben. Was den Ertragsanschlag anbelangt, so kann derselbe unter den gegenwärtigen Verhältnissen in Ungarn nicht so genau gefordert werden wie beim stabilen Kataster, man werde indessen auch in dieser Beziehung das Mögliche tun. Es werden 170 Kommissionen zu diesem Ende ausgesendet, welche im Laufe des künftigen Jahres mit dieser schwierigen Arbeit fertig werden dürften. Der hierzu erforderliche Aufwand von einer halben Million Gulden dürfte als sehr gut angewendet betrachtet werden.

Auch hierüber ergab sich von Seite des Ministerrats keine Erinnerung8.

III. Forderungen aus Lieferungsverträgen mit dem ungarischen Ministerium

In Absicht auf die von dem Finanzminister Freiherrn von Krauß zur Sprache gebrachten Forderungen der Gewerbsleute für Lieferungen, die sie infolge von Verträgen mit dem ungarischen Ministerium, nachdem es aufgehört hat legal zu sein, geleistet haben, entstand die Frage, ob wir verpflichtet sind, solche Verträge zu halten9. Es wurde hierbei unterschieden zwischen Lieferugen für den gewöhnlichen Verwaltungsbedarf und Lieferungen für revolutionäre Zwecke. Die ersteren wären als notwendig und für die Verwaltung bei einer noch bestehenden Behörde verwendet zu bezahlen, die letzteren aber zurückzuweisen. Der Finanzminister wird hiernach den Behörden die Weisung erteilen, daß die Forderungen für jene Gegenstände, welche nicht zu revolutionären Zwecken oder zu nicht zu rechtfertigender Belastung des Ärars geliefert worden sind, bezahlt werden sollen10.

IV. Konsulatserrichtung in Chartum

Der Handelsminister Ritter v. Bruck machte den Antrag, ein vom Generalkonsulat in Alexandrien abhängiges Konsulat in Chartum in Zentralafrika zu errichten und den Baron Müller aus Württemberg, der in jenen Gegenden war, ein wohlunterrichteter und unternehmender Mann ist und sich erboten hat, dieses Konsulat anzunehmen, zum Honorarkonsul daselbst zu ernennen und demselben einen besoldeten Kanzler, der nachträglich bezeichnet werden wird, beizugeben.

Mit diesem Antrage erklärte sich der Ministerrat einverstanden11.

V. Sistierung der Verlautbarung der Ernennung Felix Fürsten Schwarzenberg zum Prager Erzbischof

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Thun eröffnete, daß Se. Majestät den Kardinal Fürsten Erzbischof v. Schwarzenberg zum Erzbischofe in Prag zu ernennen geruhet haben12.

|| S. 905 PDF || Da die aus der Beratung der katholischen Bischöfe in Wien hervorgegangene, auch vom Kardinal Fürsten Schwarzenberg unterfertigte Eingabe derselben wegen Besetzung der geistlichen Ämter noch der Erledigung entgegensieht und somit noch nicht gewiß ist, ob der genannte Kardinal den erzbischöflichen Sitz in Prag auch wirklich antreten wird, so wurde beschlossen, den Akt der Verlautbarung und die Ausfertigung des bei den Prager Erzbischöfen üblichen Diploms einstweilen zu unterlassen, bis die erwähnte Angelegenheit der Kirche gelöset sein wird13. Der Ernannte wäre übrigens von dem Ministerium zu verständigen, welchen Beschluß Se. Majestät hinsichtlich des Prager Erzbistums zu fassen geruhet haben, und ihm zu eröffnen, daß die übrigen Formalitäten dann in Ausführung werden gebracht werden, wenn die erwähnte Frage gelöset sein wird14.

VI. Haynausche Militärstiftung

Der Kriegsminister Graf Gyulai machte endlich auf eine in der Wiener Zeitung vom 14. d.M. unter dem Artikel „Ungarn“ enthaltene Kundmachung des FZM. Baron Haynau aufmerksam, nach welcher derselbe den Rest von den für die k.k. österreichische Armee erhaltenen Geschenkgeldern im Betrag von 9.055 fr. CM., dann vier Dukaten in Gold und was hierzu in der Folge einfließen wird, zu einer Militärstiftung widmen will, an welcher nicht nur die im ungarischen Feldzuge vom Jahre 1848 und 1849 invalid gewordenen k.k. österreichischen Krieger vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts, sondern auch die Honveds, die den k.k. Truppen in diesem Kriege entgegenstanden und durch Verlust eines Gliedes zu Krüppeln und erwerbsunfähig geworden sind, zur Hälfte Anteil haben sollen. Die Beteilung von dieser Stiftung soll mit 20, 14 und 10 Kreuzern täglich geschehen15. Der Kriegsminister bemerkte, daß Baron Haynau bei dieser angeblichen Stiftung aus für ganz andere Zwecke erhaltenen Geldern, welche Gelder an hilfsbedürftige Krieger zu verteilen gewesen wären, alle sonst üblichen Formalitäten außer acht gelassen habe. Auch fand man es sonderbar, daß der Oberkommandant einer österreichischen Armee die derselben gewidmeten Gelder zur Hälfte den Gegnern dieser Armee zuwenden wolle.

Der Kriegsminister wird diesen Gegenstand zur Ah. Kenntnis Sr. Majestät bringen16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 19. Dezember 1849.