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Nr. 208 Ministerrat, Wien, 12. November 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 13. 11.), Krauß 26.11., Bach 29.11., Gyulai 17.11., Schmerling 16.11., Bruck, Thinnfeld 16.11., Thun, Kulmer 16.11.; abw. Stadion.

MRZ. 4154 – KZ. 3767 –

Protokoll der am 12. November in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Organisierung der Woiwodschaft

Aus Anlaß zweier von dem Ministerpräsidenten vorgelesener, an Se. Majestät gerichteter Eingaben und zwar a. eines vom Patriarchen Rajačić als Vermittler der serbischen Nation vorgelegten Gesuches mehrerer Städte in Syrmien, und b. eines Gesuches der Semliner Gemeinde vom 19. Oktober d.J., in welchem um die baldige Entscheidung über das Schicksal der Woiwodschaft gebeten wird1, wurde sich nach längerer Besprechung über diesen Gegenstand darin geeinigt, zu der Woiwodschaft, wie sie jetzt ist, Syrmien als Administrationsgebiet zuzuschlagen, die Kronlandsfrage offen zu lassen, Kroatien mit den zwei östlichen Prozessen und dem Distrikte des Peterwardeiner Regiments zu entschädigen und mit dem Ban, um seine Zustimmung hierzu zu erwirken, über diese zur Beruhigung der Parteien notwendig scheinende Modalität zu konferieren, an dessen Zustimmung nicht wohl gezweifelt werden könne, da dem Ban die diesfälligen Wünsche der Serben zu gut bekannt sind und, wenn ihnen nicht willfahrt würde, eine fortwährende und hartnäckige Agitation wegen Syrmien zu besorgen wäre2.

II. Proklamationen des Julius Freiherrn v. Haynau; Verhaftung des Mörders Franz Philipp Grafen Lambergs

Der Minister des Inneren Dr. Alexander Bach teilte hierauf dem Ministerrate den Inhalt zweier gedruckter Proklamationen des FZM. Baron Haynau mit und zwar a. der Sprachproklamation, nach welcher alle in den drei Landesfarben gemalten Schilder abgenommen und durch andere ersetzt und den ungarischen Aufschriften auch deutsche beigefügt werden sollen, den dawider Handelnden wird eine Geldstrafe von 20 fr. angedroht3, b. einer zweiten Proklamation, welche verordnet, daß alle, die unrechtmäßige (gestohlene, geplünderte oder ärarische) Güter bei sich haben, dieselben an einem bezeichneten Orte abliefern sollen, widrigens sie nach dem Kriegsrechte gestraft werden würden. Ferner zeigte dieser Minister c. an, daß man den Hauptschuldigen|| S. 826 PDF || an dem Morde des FML. Grafen Lamberg in Person eines gewissen Kolossy nebst mehreren dabei Kompromittierten arrestiert habe4.

III. Ernennung der Statthalter für die Provinzen und der Kreispräsidenten für Böhmen

Derselbe Minister brachte hierauf, da die Aktivierung der neuen Behörde nächstens bevorsteht5, und es notwendig ist, den bisher provisorischen Länderchefs noch vor dem Eintritte dieses Zeitpunktes eine feste Stellung zu geben, die definitive Ernennung der Statthalter für die verschiedenen Provinzen in Antrag, bei welchem Antrage er die Leistungen der bisherigen provisorischen Chefs der Provinzen im Auge behielt.

Der Minister Dr. Bach hat demnach angetragen:

Für Böhmen den Baron Mecséry, der sich bisher mit Takt und Klugheit benommen hat und vollkommen entsprechen dürfte.

Für Mähren den Grafen Lažanzký, der während der ganzen schwierigen Periode des vorigen Jahres und jetzt aseiner Aufgabe befriedigend zu entsprechena wußte.

Für Schlesien den Ministerialkommissär Ritter v. Kalchberg, welcher Chef der Entlastungs­kommission und der Kommission zur Organisierung der Behörden daselbst ist.

Für Triest, wo für die Stadt und das Land bereits ein Zivil- und Militärgouverneur in der Person des Grafen Wimpffen besteht, den v. Toggenburg als ersten Statthaltereirat.

Für Niederösterreich den Grafen Chorinsky, der nicht ohne Erfolg verwendet wurde, von dem aber, da er bisher hier in einem Ausnahmszustande wirkte, nicht mit Gewißheit behauptet werden könne, ob er auch unter anderen Umständen entsprechen werde. Für den Landtag wäre ihm ein Regierungskommissär in der Person des Ministerialrates Mitis, der ein guter Sprecher ist und ein konziliatorisches Benehmen hat, beizugeben.

Für Oberösterreich den dermaligen provisorischen Landeschef Fischer, der sich bewährt hat.

Für Salzburg den Grafen Herberstein aus Triest.

Für Steiermark bprovisorischb den dermaligen Kreishauptmann von Grätz Ritter von Marquet. Da er jedoch die Eigenschaften zum Landtage nicht hat, schon etwas älter und schwerhörig ist, cso könnte vorläufig seine Verwendung nur eine provisorische sein, und jedenfalls vor Einberufung des Landtages weder eine definitive Verfügung über die Besetzung dieser Stelle getroffen oder, falls Marquet in dieser Stelle belassen werde, demselbenc ein Kommissär, entweder in der Person des im Handesministerium provisorisch verwendeten ständischen Verordneten Ritters v. Kalchberg oder des im Ministerium der Landeskultur verwendeten Ministerialrates Kleyle, beizugeben wäre. Nachdem jedoch diese beiden letzteren nach dem Ausspruche der betreffenden Minister in ihren Ministerien nicht wohl entbehrt werden können, so wurde die Bestimmung düber den definitiven Landeschefd sich vorbehalten.

Für Kärnten den Kreishauptmann Baron Schloissnigg.

|| S. 827 PDF || Für Krain den Grafen Welsersheim, der in dem kleinen Gebiete, wo er auch die Organisierungs­arbeiten begonnen hat, entsprechen dürfte.

Für Tirol den dort schon mit Erfolg fungierenden Grafen Bissingen.

Für Galizien wurde sich der Vorschlag bis zur Beendigung der Organisierung daselbst vorbehalten, ebenso für die Bukowina, deren Kreishauptmann Geheimrat Bach mit Vorbehalt seiner Stellung eine Sendung nach Siebenbürgen übernommen, wo er derzeit noch nicht entbehrt werden kann, rücksichtlich dessen sich auch der Minister wegen seiner nahen Verwandtschaft mit demselben jedes Antrages enthalten müßte.

Mit diesen Anträgen erklärte sich der Ministerrat im wesentlichen einverstanden, nur wäre der für Krain angetragene Graf Welsersheim (auch mit Zustimmung des Ministers Dr. Bach) in Quieszentenstand zu versetzen und statt seiner Graf Chorinsky für Krain zu bestimmen, dessen Verbleiben in Wien auch wegen seiner Schwägerschaft mit Pillersdorf minder rätlich erscheint, und zum Statthalter in Niederösterreich der Ministerialrat Mitis zu ernennen, mit dem übrigens der Minister Bach, ob Mitis auch diese Bestimmung annehmen würde, noch vorläufig sprechen wird. Der Finanzminister Freiherr von Krauß bemerkte übrigens, daß dem geheimen Rat Bach nach seinem bereits vor mehreren Monaten gestellten Antrage der Charakter und die Bezüge eines Ministerialrates zu verleihen sein dürften.

Zu Kreispräsidenten, vorläufig nur für das Kronland Böhmen, hat der Minister Dr. Bach folgende Individuen vorgeschlagen:

Für Prag den Grafen Mercandin, für Böhmisch-Leipa den Bunzlauer Kreishauptmann Baron Kotz, für Eger den Albert Graf Nostitz, für Pardubitz den Grafen Rothkirch, für Gitschin den Bidschower Kreishauptmann Obentraut, für Budweis den Kreishauptmann Hawle und für Pilsen den Appellationsrat in Prag Schmück.

Gegen diese Anträge ergab sich von Seite des Ministerrates keine Erinnerung.

Der Minister des Inneren ebehielt sich vor, wegen der Bestimmung der Kreispräsidenten in Böhmen, sowie in den anderen Provinzen noch einen besonderen Vortrag zu machen und seinerzeit mit Rücksicht auf die wegen Besetzung der Landeschefs gemachten Anträgee den a.u. Vortrag an Se. Majestät zu erstatten und sich die Ah. Genehmigung dieser Anträge zu erbitten6.

IV. Auslegung der Komorner Kapitulation

Der Justizminister Ritter von Schmerling brachte abermals die Amnestieangelegenheit der Komorner Kapitulation und die authentische Auslegung derselben zur Sprache7.

|| S. 828 PDF || In dieser Kapitulation wurde als Bedingung der Amnestie aufgenommen, daß der davon Gebrauch Machende ein patentmäßiger Offizier sei. Schon das, wenn jeder Zivilist nachzuweisen hätte, daß er das Offizierspatent habe, würde viel nützen. Der FZM. Baron Haynau schreibt, daß in den letzten Tagen viele Zivilisten den Uniformrock angezogen haben, um der Amnestie teilhaftig zu werden, und nun frech auftreten und vorzüglich in Raab ihr Unwesen treiben. Er (Haynau) müsse sein gegebenes Wort, die Kapitulation, halten, aber der Ministerrat könne über die richtige Auslegung derselben entscheiden. Nach der Ansicht des Ministers ist die Kapitulation auf Zivilisten, welche nicht nachweisen können, ordnungsmäßig in die ungarische Armee aufgenommen worden zu sein, nicht anwendbar, solche Leute sollten fortan in Verhaft und Untersuchung gezogen werden können.

Dieses wäre dem FZM. Baron Haynau mit Zustimmung des Ministerrates zu eröffnen. Nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach wäre hierbei sehr delikat vorzugehen, weil sonst viel Lärm über den Bruch der Kapitulation entstehen könnte, man übrigens auch die so keck auftretenden Individuen als Agitatoren einsperren kann8.

V. Pension für eine Ingrossistenswitwe

Der Finanzminister Freiherr von Krauß brachte eine Angelegenheit des Generalrechnungs­direktoriums, welches für die mit drei Kindern zurückgelassene Witwe eines Buchhaltungs­ingrossisten, der nicht zehn anrechnungsmäßige Dienstjahre hatte (er hat nämlich die Hälfte seines Dienstes als Diurnist und nur sechs Jahre als Beamter zugebracht), auf eine Pension anträgt, aus dem Grunde zur Kenntnis des Ministerrates, weil dieser Antrag eine Abweichung von den bestehenden Vorschriften, er aber in diesem Falle mit dem Generalrechungsdirektorium einverstanden sei.

VI. Diätenpauschale für Justizbeamte

Hinsichtlich des von dem Ministerpräsidenten zur Sprache gebrachten, von Sr. Majestät zurückerhaltenen Vortrages des Justizministers wegen Anweisung höherer Diäten für eine zeitweise Verwendung wurde die Aufklärung gegeben, daß in diesem Falle keine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Finanzminister, welcher diese Diäten auch schon angewiesen hat, und dem Justizminister bestanden habe, der Finanzminister aber eine Bedeckung über diese die Normen übersteigende Anweisung haben wollte.

Hierauf dürfte es bei der Fassung der Sr. Majestät vorgeschlagenen Ah. Entschließung verbleiben9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 5. Dezember 1849.