MRP-1-2-01-0-18491110-P-0207.xml

|

Nr. 207 Ministerrat, Wien, 10. November 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thun, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 11. 11.), Krauß 16.11., Bach 26.11., Gyulai 16.11., Schmerling 16.11., Bruck, Thun, Thinnfeld 14.11., Kulmer 14.11.; abw. Stadion.

MRZ. 4120 – KZ. 3448 –

Protokoll der am 10. November 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Verlust der Würden durch kriegsrechtliche Urteile

Der Kriegsminister Graf Gyulai bemerkte mit Beziehung auf die Ah. Entschließungen vom Jahre 1823 und 1846 wegen Behandlung der k.k. Kämmerer, geheimen Räte und Truchsesse, wenn sie ein Verbrechen begehen, verurteilt oder ab instantia entlassen werden1, der k.k. Feldzeugmeister Freiherr von Haynau habe nicht im Einklange mit diesen Ah. Entschließungen verordnet, daß in den kriegsrechtlichen Urteilen gegen die Rebellen, welche solche Würden und Ämter besitzen, zugleich auch der Verlust ihrer Ämter und Würden ausgesprochen werde, um hierdurch zu zeigen, daß auch hohe Würdenträger von dem Gesetze erreicht werden, und um den Fall unmöglich zu machen, daß sie im vollen Besitze ihrer Würden hingerichtet werden2.

Der Ministerrat fände gegen die erwähnte Verfügung des Barons Haynau nichts einzuwenden, nur müßte bei dem Bestande der gedachten Ah. Entschließungen von Sr. Majestät ausgesprochen werden, daß allerhöchstdieselben in diesem speziellen Falle, nämlich in den Hochverratsprozessen gegen die ungarischen Rebellen, den Militärgerichten die Macht einräumen, gleichzeitig den Kämmerern, geheimen Räten etc. ihre Würden zu entziehen.

Der Kriegsminister wird in diesem Sinne den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten3.

II. Vorlegung der kriegsrechtlichen Urteile in erheblicheren Fällen zur Bestätigung

Der Kriegsminister besprach die bereits in der Sitzung vom 9. November im Ah. Beisein Sr. Majestät in Beratung gezogene Angelegenheit wegen der vom FZM.|| S. 821 PDF || Baron Haynau angesprochenen Vorlegung der von den siebenbürgischen Militärgerichten über größere Verbrechen gefällten Urteile4 und eröffnete ferner, daß er bereits seinen a.u. Vortrag erstattet habe, damit die in Siebenbürgen dislozierten Truppen­körper Ag. zu den Befehlen des FZM. Baron Wohlgemuth gestellt werden5.

III. Deutsche Angelegenheiten

Der Ministerpräsident las hierauf eine Depesche an den kaiserlich österreichischen Gesandten in Berlin vor, zu welcher die Bodelschwinghschen Äußerungen im dortigen Verwaltungsrate über die schwebenden deutschen Angelegenheiten die Veranlassung gaben, und welche zum Gegenstande hat, die von Bodelschwingh geltend gemachten Grundsätze, wie sie im preußischen Staatsanzeiger und in allen Zeitungen aufgenommen worden sind, als unrichtig und nicht stichhältig darzustellen. Bodelschwingh behauptet, da die Bundesversammlung aufgelöst sei, so sei es auch der Bundesvertrag6. Dieser Behauptung wird in der Depesche entgegengetreten und bemerkt, daß sie nicht im Einklange mit dem stehe, was uns von Seite Preußens geschrieben worden ist. Die königlich preußische Regierung habe das Recht, mit den beistimmenden Regierungen den Vertrag vom 26. Mai 1849 abzuschließen, aus dem Artikel 11 der Bundesakte7 abgeleitet und die bestimmte Zusicherung gegeben, daß sie allen nicht beitretenden Staaten alle Rechte und Pflichten vorbehalte. Es wird weiter bemerkt, daß infolge eines Bundesbeschlusses alle Glieder des Bundes das vertragsmäßige Recht und die Verpflichtung haben, eine Zentralbehörde einzusetzen, daß der Wille aller einzelnen als der Wille der Gesamtheit zu gelten habe, daß jedes Glied eine solche Einsetzung fordern könne, und daß der Bund nicht aufgelöst werden könnte etc. etc. Am Schlusse wird der Wunsch der österreichischen Regierung ausgesprochen, daß die von Bodelschwingh geäußerten Grundsätze von Preußen berichtiget werden mögen.

Der Ministerrat erklärte sich mit dem Inhalte dieser Depesche einverstanden, welche nun an den österreichischen Gesandten in Berlin abgehen wird, und wovon er Abschriften mitteilen kann. Auch wird der hier nur angedeutete Inhalt dieser Depesche bei einer schicklichen Gelegenheit der Publizität übergeben werden8.

IV. Deutsche Angelegenheiten

Ferner las der Ministerpräsident eine nach Berlin (für Bodelschwingh) bestimmte weitere Depesche vor9. Er bemerkte vorläufig, daß der beabsichtigte deutsche Reichstag schon früher besprochen und Preußen auf die Gefahr hingewiesen wurde, welche aus diesem Schritte entstehen dürfte10.

In der Depesche selbst, deren Inhalt hier gleichfalls nur angedeutet wird, ist die Bemerkung enthalten, eines der wesentlichsten Rechte sei das, daß der Vertrag nicht ohne Zustimmung eines jeden der den Vertrag schließenden Teile eine Änderung erhalten darf. (Artikel 7 der Bundesakte, Artikel 13 der Schlußakte11) Den Bundesstaat im vorhinein anzuerkennen lag Österreich nicht ob, wir wollten voraus die Entwicklung abwarten, zumal die Möglichkeit vorhanden war, daß außer uns alle Bundesglieder beitreten, und uns erst nach dem Resultate bestimmen. Nun haben aber einige den Beitritt abgelehnt. Der Zweck des Bündnisses sei, die äußere und innere Sicherheit des Staates zu wahren, ein Sonderbündnis, das denselben Zweck verfolgen will, sei gegen die Existenz des Bundes selbst gerichtet, die Teile müßten ihre Selbständigkeit opfern oder hilflos dastehen, die Ausschreibung des deutschen Reichstages könne ohne Einwilligung aller nicht rechtlich erfolgen. Glaube Preußen dadurch die Verheißungen gegen die deutsche Nation in Erfüllung zu bringen, so müsse bemerkt werden, daß Preußen nicht das Organ sei, welches zu der deutschen Nation zu sprechen hat, welche Nation unter den gegenwärtigen Umständen ohnedies nur ein abstrakter Begriff ist. Die österreichische Regierung wünsche und hoffe, Preußen werde diese Frage von einer Seite auffassen, welche es allen Gliedern des Bundes möglich macht, sich daran zu beteiligen. Die Aufgabe sei groß, aber doch lösbar. Sollte aber Preußen einen eigenen Weg einschlagen wollen, so würden wir als Genossen des deutschen Bundes und als Garanten der Verträge vom Jahre 1815 einem solchen Vorgange mit aller Macht entgegentreten müssen.

Auch mit dem Inhalte dieser Depesche an Prokesch, Baron von Osten, (wovon derselbe gleichfalls Abschriften erteilen kann) erklärte sich der Ministerrat einverstanden, nur wären statt der an sich wohl wahren Worte „abstrakter Begriff“, da die deutsche Nation nicht repräsentiert ist, zur Schonung des Gefühles der Deutschen andere, etwa „die gegenwärtig noch nicht konstituiert ist“, zu setzen.

V. Pensionsbehandlung Martin Steers

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichts Graf Leo Thun brachte hierauf die Angelegenheit des Professors der Pathologie und Pharmakologie an der Universität zu Padua Dr. Steer, welcher um Belassung seines Professorsgehaltes und seiner Stelle bittet, zur Sprache. Dieser Professor wurde zur Zeit der ausgebrochenen Revolution im lombardisch-venezianischen Königreiche als treuer Anhänger des Kaisers unbeliebt und hat seinen Posten, ungeachtet Tommaseo in ihn drang zu bleiben, wegen Bewahrung seiner Treue aufgegeben. Er dient 24 Jahre, genoß|| S. 823 PDF || einen Gehalt von 2.000 fr. und ist Vater von zwölf Kindern. Nach Padua kann dieser Professor auf seinen Posten nicht wohl mehr zurückkehren, muß daher in den Quieszentenstand versetzt werden. Normalmäßig müßte demselben nur ein Drittel seines Gehaltes mit 666 fr. 40 Kreuzern gebühren. Der Minister des Kultus meinte, daß demselben wegen seiner Gesinnungstüchtigkeit, und weil er, wenn er bei Tommaseo geblieben wäre, als ein in der Folge Amnestierter nun seinen ganzen Gehalt genösse, aus Gnade zwei Drittel seines Gehaltes, das ist 1.333 fr. 20 Kreuzer, zu bewilligen wären, während das Finanzministerium bei der mit ihm gepflogenen Rücksprache sich nur für den normalmäßigen Betrag aussprach.

Im Ministerrate einigten sich die mehreren Stimmen und mit ihnen der Finanzminister in dem Antrage, daß dem gedachten Professor aus Rücksicht für seine zahlreiche Familie die Hälfte seines Gehaltes, das ist 1.000 fr., zu bewilligen wären, während der Referent bei seiner Meinung beharrte, und der Minister der Justiz Ritter von Schmerling ihm beistimmte, und der Minister Ritter von Bruck den dem Professor Steer aus besonderer Gnade zu bewilligenden Betrag mit 1.200 fr. aussprach12.

VI. Unterstützungsgesuch des Wiener Musikkonservatoriums

Der Minister Graf Thun besprach weiter die Vermögensverhältnisse des hiesigen Musikkonser­vatoriums und seine Bitte um eine Staatsunterstützung, mit deren Hilfe es die Musikschule wieder beginnen würde13. Aus dem Vortrage des Ministers ging hervor, daß diese Gesellschaft anfangs sich als eine Musikgesellschaft bildete, später die Musikschule eröffnete, diese aber im Jahre 1848 wegen Ausbleibens der Beiträge aufgegeben werden mußte. Die Gesellschaft hat nie soviel eingenommen als sie zu ihren Zwecken benötigte und ist nun kridatarisch.

Der Minister glaubte nicht, bei dem gegenwärtigen Stande der Finanzen auf eine Unterstützung von Seite des Staates für diese kridatarische Privatgesellschaft antragen zu dürfen, und meinte, daß der Gesellschaft zu bedeuten wäre, wenn sie als Musikgesellschaft ihren Vermögensstand in eine Verfassung setzt, daß die Ausgaben von den Einnahmen gedeckt werden, sie dann wegen Bewilligung eines Beitrags für die Musikschule ihr Einschreiten erneuern dürfe, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte14.

VII. Deutsche Kriegsflotte

Der Finanzminister Freiherr von Krauß bemerkte mit Beziehung auf einen früheren Ministerratsbeschluß, nach welchem zur noch rückständigen Bezahlung zweier Schiffe der deutschen Reichsflotte 250.000 fr. zu erfolgen sind, daß er über die Form der Ausführung und Sicherstellung des Betrages Fachmänner vernommen und diese sich für die Abschließung eines Pfandvertrages erklärt haben15. Der Finanzminister wird nun diesen Vorschuß unter folgenden Bedingungen flüssig machen, daß a. die|| S. 824 PDF || geleistete Zahlung durch einen Pfandvertrag gesichert werde, und daß b. die Schiffe nicht weggeführt werden und wir keine weitern Kosten darauf zu verwenden haben.

Auf diese Art wird er darüber mit Zustimmung des Ministerrates an den Minister des Äußern schreiben, von welchem dann Edelmann in London weiter entsprechend angewiesen werden wird16.

VIII. Zahlung von 2.000 fr. im Auftrage des Fürsten Paskiewitsch

Schließlich erwähnte der Finanzminister eines Schreibens des arussischen Generalintendanten Baron Rönnea an Graf Zichy, nach welchem infolge eines Auftrages des Feldmarschalls Fürsten Paskiewitsch 2.000 fr. CM. auszuzahlen sind. Diese Zahlung rührt daher, daß Feldmarschall Paskiewitsch angeordnet hat, russisches Gold und Silber nicht unter einem gewissen Kurse herzugeben, dieser Kurs aber nicht besteht. Der Finanzminister wird diese 2.000 fr. anweisen, insoferne Baron Rönne die Zusicherung gibt, daß Rußland sie anerkennen wird.

Dagegen ergab sich keine Erinnerung17.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Prag, 21. November 1849.