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Nr. 191 Ministerrat, Wien, 20. Oktober 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 22. 10.), Krauß 29. 10., Bach 25. 10., Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld 26. 10., Thun, Kulmer 26. 10.; abw. Stadion.

MRZ. 3810 – KZ. 3342 –

Protokoll der am 20. Oktober 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Strafkontribution der Ofen – Pester Judengemeinde

Der Minister des Handels brachte die bereits öfter im Ministerrate besprochenen übermäßig strengen Maßregeln in Anregung, welche dermal gegen die Ofen – Pester Judengemeinden zur Einbringung der ihnen unerschwinglichen Strafkontribution angewendet werden1.

Der Ministerrat erkannte, daß schon das Prinzip der Belegung von Judengemeinden mit derlei Strafen sehr bestreitbar und daß das Bestehen auf der Entrichtung einer unerschwinglichen Vermögensstrafe unpolitisch sei und daß es, abgesehen selbst von Menschlichkeitsrücksichten, vom reinen national­ökonomischen Standpunkte aus tadelnswert erscheine, so viele Handelsleute, welche bisher das Hauptorgan des Verkehrs im Zentrum von Ungarn bildeten, zugrunde zu richten.

Man vereinigte sich schließlich zu dem Beschlusse, eine Aufforderung zur Reduktion der auferlegten Lieferungen an den FZM. Baron Haynau zu richten und mittlerweile dahin zu wirken, daß bis zur Entscheidung keine Zwangsmaßregeln von übertriebener Härte in Anwendung gebracht werden2.

II. Russischer Orden für den Verpflegsverwalter Obermayer

Es wurde die stattgefundene Verleihung des Stanislausordens Großkreuzes an den Verpflegs­verwalter Obermayer besprochen, welche bloß aus einem russischerseits unterlaufenen Irrtum über seine dienstliche Stellung hervorgegangen scheint.

Die mehreren Stimmen des Ministerrates zeigten sich jedoch geneigt, auf die Ah. Erteilung der Annahmsbewilligung bezüglich dieser Dekoration einzuraten3.

III. Verleihung der Bistümer Raab und Veszprim

Der Minister des Inneren referierte über die von ihm bei Sr. Majestät dem Kaiser zu stellenden Anträge wegen Ernennung des Titularbischofs von Bács Anton Karner|| S. 776 PDF || zum Bischofe von Raab und des Fünfkirchner Domherrn Johann Ranolder zum Bischof von Veszprim, mit welchen Anträgen sich auch der Ministerrat vereinigte4.

IV. Amnestie für die Komorner Garnison

Es wurde ein vom Justizminister verfaßter Aufsatz über den Umfang der für die Komorner Garnison bewilligten Amnestie gelesen, welcher dazu dienen wird, dem General Grafen Nobili die Grenzen derselben vom rechtlichen Standpunkte zu seiner Richtschnur vorzuzeichnen, besonders in der Absicht, daß nicht Zivilisten von dieser bloß den Militärs zugestandenen Amnestie Vorteil ziehen5.

Der Ministerrat war mit dieser Punktation einverstanden, und es wurde nur beschlossen, insofern eine Textierungsmodifikation eintreten zu lassen, als der Beweis, daß ein Individuum Honved Offizier war, nicht ausschließend auf die Beibringung eines Offizierspatents zu beschränken sei, weil solche Patente an Subalternoffiziers wie es scheint nicht ausgefertigt zu werden pflegten6.

Bei diesem Anlasse behielt sich auch der Minister des Inneren über Aufforderung des Minister­präsidenten vor, demnächst einen gewandten Beamten der Stadthauptmannschaft zum General Grafen Nobili zu senden, um ihn bei seinen dermaligen schwierigen polizeilichen Amtshandlungen zu unterstützen7.

V. Leitung des dalmatinischen Guberniums

Nach längerer Beratung über die Wahl desjenigen, dem die Leitung des dalmatinischen Guberniums über Abberufung des Grafen Strassoldo8 zu übertragen wäre, wobei die Hofräte Schaller und Fölsch als minder geeignet anerkannt wurden, vereinigte man sich schließlich mit dem Minister des Inneren zu dem Beschlusse, für das wohl nicht lange Interim den ältesten Gubernialrat mit der Geschäftsleitung zu betrauen9.

VI. Behandlung der politischen Festungsarrestanten

Der Justizminister referierte über seine mit dem Kriegsminister beratenen Anträge bezüglich der Behandlung der politischen Festungsarrestanten. Die hiernach Sr. Majestät a.u. vorzuschlagenden Modifikationen des bestehenden Reglements wären im wesentlichen folgende:

a. Bewilligung, daß ein Arrestant aus eigenen Mitteln für die Kost 1 fr. CM. täglich verwende.|| S. 777 PDF ||

b. Gestattung von guter Lektüre, auch Journale, nach Wahl des Festungskommandanten.

c. Gebrauch der Lampe nach dem Zapfenstreich.

d. Zugestehung mehrer Erleichterungen dort, wo und insofern sie durch Sanitätsrücksichten wahrhaft nötig würden.

Dieselben Modifikationen hätten auch in den Zivilstrafanstalten einzutreten.

Mit diesen Anträgen waren sämtliche Minister einverstanden10.

VII. Verfahren in Fällen von Besitzstörungen

Der Justizminister erhielt hierauf die Zustimmung des Ministerrates zu dem bei Sr. Majestät in Antrag zu bringenden raschen Verfahren bei Fällen von Bestizesstörungen, welches, bisher nur in einigen Kronländern bestehend, nunmehr in allen deutschen und slawischen Provinzen als dringend nötig erkannt wurde11.

VIII. Zollherabsetzung für Gips

Sämtliche Minister vereinigten sich mit dem Antrage des Finanzministers auf Herabsetzung der unpassenden und den Verkehr bei der Ein- und Ausfuhr nachteilig hemmenden Zölle auf Gips bis zu dem Minimum von 1 Kreuzer für den Zentner bei der Ein- und Ausfuhr12.

IX. Forderung der Architekten für Arbeiten am großen Artilleriedepot

Der Finanzminister besprach hierauf die Forderung der Zivilarchitekten für die Risse und die Überwachung des Baues des großen Artilleriedepots13. Diese Forderungen, welche sich auf die Größe des Bauobjekts, die Schwierigkeit und die lange Dauer des Baues stützen, sind, zum Teil infolge von verschiedenen Seiten erhaltener mündlicher Zusicherungen, sehr hoch gespannt. Der Minister für Handel und öffentliche Bauten wird es sich angelegen sein lassen, dieselben zu ermäßigen, und der Ministerrat ermächtigte ihn hiebei bis auf ein Maximum von 100.000 fr. einzugehen14.

X. Kommission für die Wiener Stadtbefestigungsbauten

Bei diesem Anlasse besprach auch der Ministerpräsident die Zusammensetzung der Kommission für die in Wien herzustellenden Befestigungen, und es wurde auch beschlossen, zu derselben Abgeordnete vom Genie, von der Artillerie, dann von den Ministerien des Inneren, der Bauten und der Finanzen zu berufen und den Vorsitz einem Generalen zu übertragen15.

XI. Auszeichnung für Joseph Kudler, Simon Stampfer und Johann Heinrich Ritter v. Kremer

Der Unterrichtsminister brachte unter Beistimmung seiner Kollegen in Antrag, daß die ausgezeichneten Wiener Professoren Regierungsrat Kudler und Stampfer durch a.g. Verleihung des Leopoldordens geehrt würden

Der weitere Antrag des Grafen Thun wegen einer a.g. Ordensverleihung an den gewesenen Direktor des juridischen Studiums bei der Wiener Hochschule, Heinrich Edler von Kremer, wurde jedoch von Seite der Minister Baron Krauß, v. Schmerling und Bach bestritten, da die Verdienste v. Kremers zu einer solchen Auszeichnung nicht genug hervorstechend seien. Schließlich vereinigte man sich, für Kremer die Ag. Verleihung des Ministerialratstitels au. zu erbitten, da er bereits den Titel eines Regierungsrates hat16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 1. November 1849.