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Nr. 160 Ministerrat, Wien, 1. September 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 2. 9.), Krauß 7. 9., Bach 7. 9., Gyulai 7. 9., Schmerling 5. 9., Bruck, Thinnfeld 5. 9., Thun, Kulmer 6. 9.; abw. Stadion.

MRZ. 3035 – KZ. 2779 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 1. September 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Projekt Ludwig Freiherrn v. Biegeleben zur Errichtung der deutschen Zentralgewalt

Der gefertigte Ministerpräsident eröffnete die Sitzung mit der Mitteilung des Projektes des Herrn v. Biegeleben zur interimalen Konstituierung der deutschen Zentralgewalt1.

Dasselbe erschiene im ganzen zur Annahme geeignet; die österreichische Regierung würde daher dasselbe zur Grundlage einer Unterhandlung mit dem preußischen Kabinett machen, welches sich nach Versicherung des preußischen Gesandten geneigt finden dürfte, darauf einzugehen, wenn die Initiative von Seite Österreichs ergriffen wird.

Der Ministerrat, hiermit einverstanden, wünschte nur bezüglich der Detailbestimmungen des Projekts einige Modifikationen, und zwar, daß die Dauer des Interims nicht bis 26. Mai (1850) als dem Jahrestage des sogenannten Dreikönigsentwurfs2, sondern lieber bis 18. Juni als jenem der Wahl des deutschen Reichsverwesers festgesetzt (modifiziert durch Ministerratsbeschluß vom 3. September 1849 zu I.); daß ferner die Bestimmung über die Leitung der an die Stelle der Reichsministerien tretenden Abteilungen präziser gefaßt und eine auf die Niederlegung des Amts des Reichsverwesers bezüglich Phrase („ein der Nation zu bewahrendes Gut“) wegen möglicher Mißdeutung hinweggelassen, endlich zum künftigen Sitze der Interimsreichsgewalt wie bisher Frankfurt bestimmt werden möge3.

II. Veröffentlichung der Czaplitzkyschen Papiere

Der Minister des Inneren brachte seinen Antrag bezüglich der Publizierung der Czaplitzkyschen Papiere, wovon im Ministerrate vom 31. August 1849 sub VII. erwähnt ward, mit der Anfrage wieder zur Sprache, ob solche mittelst eines offiziellen Zeitungsartikels zu geschehen habe, oder ob sie in den nichtoffiziellen Teil eines Journals, etwa des „Correspondenten“, aufzunehmen sei.

|| S. 652 PDF || Die Mehrheit der Stimmen des Ministerrates erklärte sich für das letzterea . Nur der Finanzminister war überhaupt gegen jede Veröffentlichung dieser Papiere, welche ihm,b solange nicht über die in demselben angeführten Tatsachen Erhebungen gepflogen wurden, wegen der darin enthaltenen schweren Anklagenb mit Rücksicht auf deren Inhalt und die Art, wie die Regierung in deren Besitz kam, nicht angemessen zu sein schien4.

III. Abberufung Carl Graf Pachtas

Der Minister des Inneren zeigte mit Beziehung auf die Ministerratsdeliberationen vom 28. und 31. August Nr. VIII und X an, daß er den Grafen Pachta von Mailand bereits abberufen habe5 und erklärte die Absicht,

IV. Bestrafung der Teilnehmer am Krawall in Mailand

den Feldmarschall Grafen Radetzky einzuladen, die Gründe anzugeben, aus welchen die von vielen Seiten getadelte öffentliche Züchtigung der beim Mailänder Krawalle vom 18. v. [M.] Beteiligten beliebt wurde6.

V. Vollzug der Todesstrafe gegen die Mörder der Kroaten in Güns

Der Kriegsminister bevorwortete den sofort auch angenommenen Antrag, neun zum Tode verurteilte Teilnehmer an der Ermordung der 55 Kroaten in Güns von Kufstein, ihrem dermaligen Untersuchungs­verhafte, nach Güns zurückbringen und dort zum erspiegelnden Beispiele die Todesstrafe an ihnen vollstrecken zu lassen, wobei übrigens der Justizminister nur bemerkte, daß ihnen das Todesurteil nicht etwa schon in Kufstein kundgemacht werde7.

VI. Internierung Josef Bonaventura Ignaz Grafen Załuski

Ein Antrag des Kommandierenden in Galizien wegen Konfinierung des heimgekehrten Załuski auf seinem Gute bei Tarnow, worüber der Kriegsminister referierte, ist vom Minister des Inneren durch die hierwegen bereits getroffene Anordnung erledigt worden8.

VII. Belagerungszustand in Triest

Der Militärkommandant von Triest General Standeisky hat wegen Aufhebung des Belagerungs­zustandes von Triest angefragt und aus Anlaß der Heimkehr vieler an dem Venediger Aufstande beteiligten Istrianer die Verschiebung dieser Maßregel angetragen9. Der Kriegsminister gedenkt jedoch, ihm sofort die unverweilte Aufhebung dieses Ausnahmszustands aufzutragen, nachdem, wie schon im Ministerrate vom 28. August zu I. bemerkt worden, die Ursachen desselben aufgehört haben und durch dessen Verlängerung nichts erzweckt würde, gegen die heimgekehrten Kompromittierten aber, sofern sie sich etwas zu Schulden kommen lassen, nach den Gesetzen verfahren und, soweit sich darunter, wie nicht zu zweifeln, viele Rekrutierungspflichtige befinden, mit deren Abstellung zum Militär vorgegangen werden kann10.

VIII. Leitung des Justizwesens in Venedig

Der Justizminister deutete auf die Notwendigkeit hin, zur Leitung des Justizwesens in Venedig den Appell[ationsgerichts]präsidenten Schrott dahin wieder abzusenden und ihn durch zwei tüchtige Präsidenten des Zivil- und Kriminaltribunals erster Instanz zu unterstützen11.

IX. Todesurteile

Dann referierte er über zwei Kriminalverhandlungen mit den Todesurteilen wider Jacob Frey, Johann Neuhauser und Mathias Wegler wegen Gattenmordes mit dem Antrage auf Vollziehung der Todesstrafe12 und

X. Todesurteile

wider Carl Olivatti wegen Raubmordes mit dem Einraten auf Nachsicht der Todes- und deren Umwandlung in eine zeitliche Strafe, wogegen keinerseits etwas erinnert wurde13.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 22. September 1849.