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Nr. 159 Ministerrat, Wien, 31. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. fehlt; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thun, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 1. 9.), Krauß 7. 9., Bach 7. 9., Gyulai, Schmerling 7. 9., Bruck, Thun, Thinnfeld 18. 9., Kulmer 6. 9.; abw. Schwarzenberg (I-X), Stadion.

MRZ. 3032 – KZ. 2778 –

Protokoll der am 31. August 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung.

I. Publizierung der Reichsverfassung in Kroatien

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß über energisches Auftreten des Banus die Reichsverfassung in Agram endlich publiziert und an alle Jurisdiktionen versendet wurde1.

II. Sendung Anton v. Spécz nach Ungarn

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß glaubt über Ansuchen des Vorstehers der Kameralverwaltung in Ungarn, Almásy, demselben in der Person des Ministerialrates beim Finanz­ministerium Spécz einen Geschäftsmann beizugeben, der ihn bei seinen vielen Amtsobliegenheiten kräftig unterstützen wird. Derselbe hat deutsche Referate geführt, ist ein geschäftserfahrener Mann, und es ist dem Finanzminister niemals etwas Nachteiliges gegen ihn vorgekommen.

Gegen dieses Vorhaben des Finanzministers ergab sich keine Erinnerung2.

III. Kriegsrechtliche Behandlung der ungarischen Aufständischen

Der Justizminister Ritter v. Schmerling brachte hierauf eine Eingabe des FZM. Freiherrn v. Haynau zur Sprache, worin sich dieser darüber beschwert, daß man ihn hindere, die Revolutionsmänner hinrichten zu lassen und so das Übel mit der Wurzel auszureißen3. Se. Majestät der Kaiser habe den Justizminister rufen lassen, welche Antwort dem Baron Haynau zu erteilen wäre. Diese hätte darin zu bestehen, daß infolge Ah. Befehles, awenn ein Todesurteil vollzogen worden ist, dieses von Fall zu Fall angezeigt werden mußa wenn ein Todesurteil vollzogen worden ist, dieses von Fall zu Fall angezeigt|| S. 645 PDF || werden muß. Die Kategorien der Strafbarsten, welche zur kriegsrechtlichen Behandlung geeignet erscheinen, seien bestimmt und dem Haynau mitgeteilt worden. Es sei der Wille Sr. Majestät, daß nur die gefährlichsten und schädlichsten Individuen mit der Todesstrafe belegt werden; bgegen die anderen sollen zeitliche Strafen bestimmt werdenb .4

IV. Postmanipulation auf den Eisenbahnen

Nach dem Antrage des Handelsministers Ritter v. Bruck wäre nun die Postmanipulation mit den Eisenbahnen in Verbindung zu bringen, eine Einrichtung, wie sie bereits in Belgien, Preußen und anderen Staaten besteht, und bei welcher die Partierung der Briefe auf den Eisenbahnwägen geschieht. Zu dieser Einrichtung müssen aber geeignete Wägen angeschafft werden, die eine nicht unbedeutende Auslage verursachen werden.

Der Ministerrat gab hierzu und zur Einleitung der diesfälligen Kontrahierung mit dem Beisatze seine Zustimmung, daß die diesfälligen Kosten auf etwa zwei Jahre verteilt werden mögen5.

V. Erweiterung der Stubentorbastei

Hierauf besprach derselbe Minister die sogenannten Notstandsbauten, Erweiterung der Basteien, welche bereits angefangen wurden, aber wegen Mangels an Geld wieder eingestellt werden mußten6. Auf den Winter werden diese Arbeiten wieder aufgenommen werden müssen, um den Leuten Arbeit und Verdienst zu verschaffen. Zunächst soll die Erweiterung der Stubentorbastei vorgenommen werden. Um die dazu erforderlichen, ca. 400.000 f. betragenden Kosten hereinzubringen, wären die gewonnenen Gründe an Private mit der Verpflichtung zu verkaufen, daß sie mit Genuß der 20 steuerfreien Jahre zu Georgi 1850 mit dem Baue beginnen und denselben bis Michaeli 1850 zwar nicht bis zur Höhe des Erdgeschosses, was bei dem vorzunehmenden tiefen Baue nicht möglich wäre, sondern bis zur Höhe des Trottoirs über die Sohle hinaus bringen7. Bei der Veräußerung der gewonnenen Gründe wird darauf Rücksicht genommen werden, daß ein großer schöner Platz für öffentliche Gebäude, und zwar für das Unterhaus, zurückbehalten werde. Das Oberhaus wird zweckmäßiger in der Nähe der Burg, aber nicht in der feuergefährlichen Reitschule, einen Platz zu finden haben.

|| S. 646 PDF || Der Minister Ritter v. Bruck wird mit Zustimmung des Ministerrates wegen Erbauung des Reichstagsgebäudes in jener Gegend ein Programm erlassen, was, wie bemerkt wurde, einen sehr guten Eindruck machen dürfte, weil man dadurch die Überzeugung gewinnt, daß es der Regierung mit den neuen Institutionen Ernst sei. Für die dort anzulegende neue Straße wird eine Breite von 6 Ellen angenommen und dies ins Programm gesetzt werden8.

VI. Vorschüsse an Entschädigungsberechtigte in der Bukowina

Der Minister des Inneren Dr. Bach erwähnte, daß die für Galizien erlassene Verfügung wegen Leistung von Vorschüssen an Entschädigungsberechtigte9 auch für die Bukowina keinem Anstande unterliegen könne. Wegen der Form des zu erlassenden Kreisschreibens wird derselbe noch vorerst mit dem Finanzminister Rücksprache pflegen und sohin das Erforderliche verfügen10.

VII. Protokoll über eine bei Adam Fürst Czartoryski in Paris abgehaltene Sitzung

Derselbe Minister meinte, daß das bei dem in Breslau aufgegriffenen polnischen Agenten Czaplicki vorgefundene und von der preußischen Regierung uns und Rußland mitgeteilte Protokoll über eine in Paris beim Fürsten Czartoryski am 18. Mai d.J. abgehaltene Sitzung, an welcher sich unter anderen auch Rieger von Prag beteiligte, und welche die Verteilung der österreichischen Monarchie, die Koalition der Magyaren und Slawen u. dgl. zum Gegenstande hatte, der Publizität zu übergeben wäre11. Die darin vorkommenden, den Rieger betreffenden Daten sind zwar nicht genügend, um gegen ihn vorzugehen, doch fände es der Minister wünschenswert, diesem Protokolle in einem nichtoffiziellen Blatte Publizität zu geben, weil Rieger (das fähigste und zugleich das gefährlichste Glied der tschechischen Partei) dadurch abgehalten werden könnte, nach Österreich zurückzukehren, oder doch gezwungen würde, das gegen ihn Angeführte zu desavouieren und so mit seiner Farbe hervorzutreten. Auch wäre diese Publizität geeignet, ihm den Nimbus bei seiner eigenen Partei zu benehmen12.

VIII. Garnisonsverstärkung in Böhmen

Derselbe Minister stellte an den Kriegsminister Grafen Gyulai das Ansuchen, bei einer Dislokation der Truppen auf eine Verstärkung der Garnisonen in Böhmen bedacht sein zu wollen. Ferner machte er

IX. Erledigung der alten Untertansstreitigkeiten

den Antrag, daß zur Abmachung der alten Untertansstreitigkeiten in den Provinzen mit Ausnahme von Galizien, wo die bisherige Verfahrungsweise einstweilen noch zu bestehen hat, alle Streitigkeiten über Verbindlichkeiten, welche mit der Grundentlastung zusammenhängen, bei den Grundentlastungs­kommissionen ihre Erledigung zu|| S. 647 PDF || finden hätten13; Streitigkeiten, welche damit nicht zusammenhängen, wie Servituten und Grundbesitzstreitigkeiten, wären dagegen auf den Rechtsweg zu weisen, was in solchen Fällen die politischen Behörden schon jetzt ohnedies tun mußten. Der Justizminister habe für dieses Rechtsverfahren ein Summarissimum in der Arbeit, welches nach der für einige Provinzen diesfalls bestehenden Vorschrift nun für die ganze Monarchie eingeführt werden soll.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden14.

X. Abberufung des Carl Graf Pachta

Der Minister Ritter v. Bruck erwähnte hierauf der großen Aufregung, welche in Italien, Mailand, Turin usw. fortan bestehen soll, und daß zu einiger Beschwichtigung in Mailand die unverzügliche Abberufung des dort verhaßten Gubernialrates Grafen Pachta beitragen würde15.

Der Minister des Inneren wird nach dem Beschlusse des Ministerrates diesen Gubernialrat nun unverzüglich einberufen16.

XI. Wiedereröffnung des Wiener polytechnischen Institutes

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes stellte wiederholt die Notwendigkeit vor, das hiesige Polytechnische Institut17, in welchem gegenwärtig Militär einquartiert ist, seiner Bestimmung zurückzugeben und dasselbe mit dem nächst bevorstehenden Schuljahre wieder zu eröffnen. Ohne das hiesige Institut bestünden für die technische Bildung nur die Institute in Prag und Grätz, was offenbar zu wenig ist.

FZM. Baron Welden, mit welchem der Minister diesfalls Rücksprache pflog, erklärte sich unter der Voraussetzung der Genehmigung des Ministerrates mit der Räumung des Gebäudes einverstanden, obgleich ihm keine genügenden Kasernen zu Gebote stehen, in denen die Truppen untergebracht werden könnten. Zugleich bemerkte Baron Welden, daß niemand zu den polytechnischen Studien aufzunehmen wäre, der in den hier bestandenen Legionen eingereiht war.

Nach dem Beschlusse des Ministerrates soll das Gebäude des Polytechnischen Institutes hier seiner Bestimmung wieder zurückgegeben und vom Militär befreit werden, in welcher letzteren Beziehung der Unterrichtsminister Graf Thun das Nötige an den Kriegsminister erlassen wird. Daß niemand zu dem technischen Unterrichte zugelassen werden soll, der sich an den hiesigen Legionen beteiligt hat, findet der Ministerrat zu allgemein,|| S. 648 PDF || und es wäre genügend, die diesfälligen Individuen bloß einer genauen Sichtung zu unterziehen18.

XII. Zollfreie Einfuhr von Bier nach Vorarlberg

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß erklärte mit Zustimmung des Ministerrates nichts dagegen zu haben, daß für die Truppenkörper in Vorarlberg, welche Mangel an Bier haben sollen, dieses Getränk für einen Monat zollfrei eingeführt werde19, und daß

XIII. Zollfreie Einfuhr von Stiefeln und Monturstüchern nach Pest

dem Gesuche zweier Juden, welche 1084 Paar Stiefel und Schuhe und 474 Stück Monturstücher zollfrei nach Pest für die dortigen Juden verführen zu dürfen bitten, ebenfalls willfahrt werden dürfte20.

XIV. Entschädigungsoperate für Steiermark und Kärnten

Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte schließlich die Entschädigungsoperate für Steiermark, Kärnten, Krain und Küstenland zur Sprache. Hierbei wurden die für die übrigen Provinzen angenommenen Grundsätze mit Rücksicht auf die speziellen Verhältnisse der genannten Provinzen im Auge behalten21.

Nur in zwei Punkten werden wesentlichere Abweichungen in Antrag gebracht. Diese sind a) die Bestimmung, auf welche Weise die Abzüge bei den Laudemien stattzufinden haben, und b) in welchem Umfange die Vorschüsse erteilt werden sollen.

Ad a) Nach dem § 14 des Patentes vom 4. März 1849 22 soll die Entschädigung für Laudemien, welche sich auf die Landesverfassung, das Gesetz oder das Untertansverhältnis gründen, nach Abzug der Steuer, welche von dem Bezuge dieser Gebühren zu entrichten war, der Auslagen der Grundbuchsführung und desjenigen Teiles der Ausgaben für die Gerichtspflege und die politische Verfassung, der durch die Einnahmen der Herrschaft an Taxen und Jurisdiktionsgebühren nicht gedeckt wurde, endlich nach Abzug aller anderen Gegenleistungen auf Grundlage eines dreißigjährigen Durchschnittes aus dem Staatsschatze vorläufig mittelst einer Rente geleistet werden. Bei den slawischen Provinzen, bemerkt der Minister, tritt diesfalls der günstige Umstand ein, daß, da die Herrschaften in der Regel kein Laudemium bezogen, sie diesfalls auch keine Abzüge zu erleiden haben und daher besser daran sind als andere Provinzen. Die Abzüge bei der Laudemialentschädigung|| S. 649 PDF || treffen Steiermark und Kärnten (Küstenland und die Villacher kommen hier nicht in Berücksichtigung) umso empfindlicher, als dort die Laudemialbezüge am häufigsten vorkommen, der Grundbesitz daselbst nur gering und verschuldet ist, es daher billig erscheint, hier eine Erleichterung eintreten zu lassen. Nach der Ansicht der vernommenen Vertrauensmänner wären bei der Entschädigung für Laudemien jene Lasten nicht abzuziehen, welche mit der Grundherrlichkeit nichts gemein haben, und die strenge Bestimmung des Patentes vom 4. März dahin zu mildern, daß bei dem Laudemium die Gerichtskosten nicht abgezogen werden.

Der Minister Bach bemerkte, daß von dem Standpunkte des Patentes vom 4. März 1849 aus, welches Patent keinen Unterschied mache und nur den faktischen Stand der Dinge berücksichtige, diese Anforderung zwar nicht als gerechtfertiget erscheine, indessen spreche die Ausnahmsstellung der genannten Provinzen für eine günstigere Behandlung. Für eine solche Behandlung spreche weiter der Umstand, daß man bei dem Patente vom 4. März vorzüglich die Verhältnisse von Niederösterreich vor Augen hatte, die nicht auf alle Provinzen passen, das Patent daher eine Lücke hat, und weil es auch politisch wichtig ist, die treue und anhängliche Klasse der Gutsbesitzer nicht zu verstimmen und in ihren Vermögensverhältnissen zu sehr sinken zu lassen, selbst wenn es mit bedeutenderen Auslagen von Seite des Ärars verbunden wäre. Der Minister des Inneren erachtet über diesen Gegenstand einen au. Vortrag zu erstatten und darin auf die Ag. Gewährung der gedachten Konzession anzutragen. Ist diese im Prinzipe Ah. genehmigt, dann würde die Landeskommission aufgefordert werden, die Modalitäten vorzuschlagen, wie bei der Ausführung der Maßregel vorgegangen werden soll.

Ad b) Wegen des Maßstabes der Vorschußleistung wird der Minister des Inneren mit dem Finanzminister das Einvernehmen pflegen und sodann das Weitere verfügen.

Über den oberwähnten Antrag des Ministers Dr. Bach entspann sich eine längere Debatte, deren Resultat war, daß sich mit Ausnahme des Finanzministers die übrigen Glieder des Ministerrates mit diesem Antrage vereinigten.

Der Finanzminister glaubte sich jedoch gegen diesen Antrag im wesentlichen darum erklären zu sollen, weil a) aus dieser Konzession eine große Last (paar Millionen) für den Staat entstünde, b) das Gesetz sich bei der Bestimmung der Entschädigung für Laudemien an den faktischen Stand gehalten habe, c) weil die Ausübung der Gerichtspflege und der politischen Verwaltung den Herrschaften manche andere, hier nicht ersichtliche Vorteile dadurch gebracht habe, daß mehrere Menschen in den Sitz der Amtsverwaltung gingen, die Realitäten einen höheren Wert erhielten usw., d) weil die angetragene Konzession, wenn sie bewilligt wird, auf andere Provinzen, wo Steuerbezirksobrigkeiten waren, ungünstig zurückwirken würde, und e) weil die Maßregel nur sehr schwer ausführbar wäre und große Verwicklungen verursachen würde. Nach der Ansicht des Finanzministers wäre sich daher streng nach dem erwähnten Patente zu benehmen, die Gerichts- und politische Verwaltung sei in allen Provinzen in den Händen der Dominien gewesen, weshalb alle Provinzen gleich behandelt werden sollten, zumal es unmöglich ist, alle Unbilligkeiten auf Kosten des Ärars zu beheben23.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 22. September 1849.