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Nr. 158 Ministerrat, Wien, 28. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

MRZ. 2969 – KZ. 2495 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 28. August 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Eröffnung der Bahn nach Laibach durch den Kaiser, Ausflug nach Triest, Aufhebung des dortigen Belagerungszustandes

Der Handelsminister eröffnete, daß die Strecke der Staatseisenbahn von Cilli nach Laibach vollkommen hergestellt, von ihm bereits befahren und die feierliche Eröffnung derselben auf den 16. September 1849 festgesetzt worden sei, mit der Anfrage, ob nicht Se. Majestät der Kaiser zu bitten wären, diesen Akt durch Allerhöchstihre Anwesenheit zu verherrlichen.

Einstimmig wurde sich dafür ausgesprochen, indem die Provinzen sich beglückt fühlen würden, welche Se. Majestät bei diesem Anlasse durchreisen werden. Der Ministerrat erkannte aber auch, daß eine Reise Sr. Majestät bis Laibach sich nicht auf diese Stadt als Endpunkt der erstern zu beschränken haben, sondern bis Triest ausgedehnt werden dürfte, welches durch seine musterhafte Haltung während der Stürme des vorigen und heurigen Jahres sich dieser Gnade würdig gemacht hat. Von Triest aus noch den merkwürdigsten Punkt Istriens, Pola, zu besuchen, schiene endlich ebenfalls angezeigt zu sein. Der ganze Ausflug könnte in acht Tagen bewerkstelligt sein; der Ministerrat würde sich daher die Bitte erlauben, daß Se. Majestät denselben zu unternehmen geruhen, wobei nach dem Vorschlage des Ministers v. Bruck der Rückweg, um nicht dieselbe Route zu machen und mehrere Gegenden der höchstbeglückenden Anwesenheit Sr. Majestät teilhaftig werden zu lassen, über Görz und Klagenfurt genommen werden dürfte. Mit Rücksicht auf den Zweck der Reise würden nebst dem Minister des Handels und der öffentlichen Bauten auch noch der Minister des Inneren und Kriegsminister Se. Majestät zu begleiten haben; dieselben werden über die Details hierwegen das engere Einvernehmen miteinander pflegen, der Finanzminister aber die erforderlichen Mittel zur gehörigen Ausstattung zur Disposition stellen1.

Bei diesem Anlasse brachte der Minister des Inneren eine Anfrage des politischen Landeschefs im Küstenland wegen Aufhebung des Belagerungszustandes in Triest mit|| S. 642 PDF || dem Bemerken zur Sprache, daß diese für den Fall der Ah. Anwesenheit Sr. Majestät alldort zu erfolgen hätte2, worüber der Kriegsminister erinnerte, daß er der Anzeige von der wirklich erfolgten Aufhebung dieses Ausnahmszustands von Seite des Militärkommandanten täglich entgegensehe, nachdem die Ursache desselben, der Krieg mit Sardinien und der Widerstand Venedigs, aufgehört hat3.

II. Verschiebung der Eröffnung der Bahn bis Lobositz

Der Minister der öffentlichen Arbeiten erinnerte weiters, die Strecke der Staatseisenbahn von Prag nach Lobositz sei ebenfalls geeignet, noch diesen Herbst eröffnet zu werden4. Da aber dabei für den großen Verkehr wenig gewonnen wäre, solange nicht die sächsische Bahn vollendet ist, was etwa im Juni kommenden Jahres geschehen dürfte, so würde der Minister auch in der weiteren Rücksicht, daß bei einer so beschleunigten Eröffnung manche Übereilung in der Herstellung der Gebäude stattfindet, die dann in der Folge nachträgliche Auslagen verursacht, die Eröffnung dieser Bahnstrecke bis zum Frühjahr verschieben, wenn nicht etwa politische Rücksichten solche schon itzt wünschenswert machten. Solche Rücksichten treten nun nach der Erklärung des mit den Landesverhältnissen vertrauten Ministers Grafen Thun nicht ein; es ward also ungeteilt dem Antrage des Ministers der öffentlichen Bauten beigestimmt5.

Der Kriegsminister teilte mit

III. Aufhebung der Blockade von Venedig

die Meldung, daß die Blockade von Venedig aufgehoben worden sei6, und

IV. Internierung der Kinder Ludwig Kossuths

über die Abführung der mit ihrem Hofmeister gefangenen Kinder Kossuths und der Baronin Splényi mit ihren Töchtern7, was dem Justizminister Anlaß zu der Bemerkung gab, daß man die Verhaftung nur auf die wirklich gravierten Personen, nicht aber auf die Kinder erstrecken könne, welche nach dem Erachten des Finanzministers in der Art zu behandeln wären, wie dies die Gesetze bezüglich der Kinder vorschreiben, deren Eltern gehindert sind, die väterliche Gewalt auszuüben8.

V. Anwesenheit des Landeschefs bei ruthenischen Kirchenfeierlichkeiten in Lemberg

Der Minister des Inneren referierte über das Begehren der Ruthenen in Galizien, daß bei offiziellen Kirchenfeierlichkeiten in Lemberg bezüglich der Intervenierung der Landesautoritäten ihrer Konfession der Vorrang zugestanden werde.

Von Einräumung des Vorranges kann keine Rede sein; die Gleichberechtigung der Konfessionen fordert aber, daß auch der lateinischen Konfession diesfalls kein Vorrecht zugestanden bleibe, zu welchem Ende der Minister des Inneren nach dem Antrage des Justizministers bei Kirchenfeierlichkeiten, welche in beiden Konfessionen an demselben|| S. 643 PDF || Tage abgehalten werden und die Intervenierung der Landes­autoritäten, insbesondere des Landeschefs, erfordern, als die Feier des Ah. Geburts- oder Namensfestes Sr. Majestät, dem Landeschef zur Pflicht machen würde, dem Gottesdienste in beiden Kirchen beizuwohnen, wenn nicht vielmehr, wie der Finanzminister erachtete, ein Alternieren als das einfachste Mittel beliebt würde9.

VI. Florian Zemiałkowskis Internierung und Behandlung

Der Minister des Inneren stellte aus Anlaß einer Beschwerde des ehemaligen Reichstagsabgeordneten Ziemiałkowski über seine Arretierung und Behandlung von Seite der Militärbehörden10, da überdies die mit ihm abgeführte Untersuchung zu keiner Überweisung geführt hat, das Ansuchen an den Kriegsminister, die Militärbehörden zu mehrerer Vorsicht und Beobachtung der gesetzlichen Formen anzuweisen11, und

VII. Untersuchungsbeschleunigung der Mai-Verhafteteten in Prag

der Justizminister ersuchte um die Anweisung der Prager Militäruntersuchungskommission zur Beschleunigung der Untersuchung wider etwa 60 im Mai 1849 verhafteten Individuen oder deren sogleiche Übergabe an die Zivilgerichte, indem ein längeres diesfälliges Saumsal, etwa über die Dauer des Belagerungszustandes hinaus, nur geeignet wäre, der Regierung Verlegenheiten zu bereiten12.

VIII. Abberufung des Carl Graf Pachta

Der Minister der öffentlichen Bauten brachte endlich aus Anlaß der besprochenen Exzesse in Mailand vom 18. d. [M.] und der öffentlichen Züchtigung einiger Teilnehmer an denselben die Notwendigkeit der Abberufung des in Mailand durchaus nicht mehr haltbaren Grafen Pachta in Anregung, welcher selbst im Wunsche des Feldmarschalls Grafen Radetzky gelegen ist, wenn sie anders in einer diesen selbst nicht verletzenden Weise und mit einer die guten Dienste Pachtas als Armeeintendant anerkennenden Beförderung desselben (etwa zum Ministerialrate) stattfände, in welcher Beziehung der Minister des Inneren den geeigneten Antrag zu stellen sich vorbehielt13.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 3. September 1849.