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Nr. 157 Ministerrat, Schönbrunn, 27. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Kaiser; anw. Schwarzenberg, Bach, Gyulai, Schmerling, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 28. 8.), Bach 28. 8., Gyulai 28. 8., Schmerling 28. 8., Thinnfeld 28. 8., Thun 28. 8., Kulmer 28. 8.; abw. Stadion, Krauß, Bruck.

MRZ. 2948 – KZ. 2497 –

Protokoll der am 27. August 1849 in Schönbrunn abgehaltenen Ministerratssitzung im Beisein Sr. Majestät des Kaisers.

I. Russische Orden für österreichische Militärs

Der Minister des Äußern eröffnete, daß im Wege der hiesigen russischen Gesandtschaft von Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland an mehrere k.k. Generäle und Stabsoffiziere Orden eingesendet worden sind (an FZM. Rukavina der St. Georgs-Orden, an FZM. Baron Haynau das St.Andreas-Großkreuz in Diamanten, an FML. Grafen Schlik der Alexander-Newsky-Orden, 32 Ordens­dekorationen für k.k. Generäle etc.). Diese Orden werden infolge Ah. Auftrages an Baron Haynau zur entsprechenden Verteilung gesendet1.

II. Unterwerfung der Bemschen Truppen

Der Minister Fürst Schwarzenberg teilte weiter mit, daß am 18. d.M. die unter Bem gestandenen Truppen sich bei Deva ergeben haben. Dieser Notiz fügte der Kriegsminister Graf Gyulai bei, daß nach einer ihm zugekommenen Meldung ein Teil dieser Insurgenten sich wieder entzogen habe und nach Dobra zurückgekehrt sei2.

III. Reise des Prinzen Georg von Sachsen nach Wien

Nach einem dem Minister des Äußern aus Pillnitz zugekommenen Schreiben wird der Prinz Georg von Sachsen, zweiter Sohn des Prinzen Johann, morgen oder übermorgen in Wien eintreffen, um Sr. Majestät Glückwünsche des sächsischen Hofes wegen Besiegung der ungarischen Rebellion darzubringen3.

IV. Aufenthalt ungarischer Aufständischer in der Türkei

Ferner bemerkte Fürst Schwarzenberg, daß nach Nachrichten aus Bukarest vom 17. August Perczel an den türkischen Kommandanten in der Walachei geschrieben und bei|| S. 636 PDF || ihm angefragt habe, ob er und 2000 Mann der Seinigen in der Walachei aufgenommen würden4. Der Kommandant habe ihm geantwortet, wenn sie die Waffen niederlegen, dürfen sie kommen. Diese Truppe würde, wie die früheren 1000 Mann, bei Widdin übersetzt und nach Belgrad transportiert werden. Der türkische Kommandant soll die Absicht haben, keiner weiteren Truppe mehr den Übertritt zu gestatten und die türkischen Truppen an der Grenze zu verstärken. Verkleidete Rebellenoffiziere als Handelsleute, darunter Bem und Mészáros, sollen auf dem türkischen Gebiete angekommen sein5. Über die hier berührte Frage, ob man die Auslieferung der übergetretenen Rebellen von der türkischen Regierung fordern könne, bemerkte der Minister des Äußern, daß diesfalls Traktate mit der Türkei bestehen, an welche sich zu halten sein werde. Wir liefern die politischen Flüchtlinge nicht aus, und so sei es wahrscheinlich, daß sich auch in Konstantinopel darnach werde benommen werden.

Der Minister des Inneren Dr. Bach meint, daß man bei der fortbestehenden Gefahr, welche Österreich von dem nahen Aufenthalte der Insurgenten in der Türkei droht, ihre Expulsion oder wenigstens Internierung von der Türkei verlangen könne. Da wir und Rußland diesfalls ein gleiches Interesse haben, so wäre eine entschiedene Sprache bei der Pforte zu führen und die Erfüllung der Traktate mit Bestimmtheit zu verlangen. Die polnischen und andere Revolutionstendenzen, welche im Jahre 1848 mißglückt sind, konzentrieren sich jetzt alle in der ungarischen Revolution, und das Theater dazu sei die Türkei. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit, die Grenzen strenge zu überwachen, und selbst Agentien in das Innere des Landes zur Komplettierung der mangelhaften türkischen Polizei zu senden. Der Minister Bach beschäftige sich mit dieser Angelegenheit und werde darüber nächstens seine Anträge erstatten6.

V. Deutsche Angelegenheiten

Schließlich erwähnte der Minister des Äußern eines neuen Projektes des Reichsministeriums in der deutschen Frage, welches nach Preußen geschickt worden ist. Preußen sei dagegen unterm 20. d.M. mit einem dritten Projekte vorgetreten, wobei bemerkt wurde, dies sei noch nicht sein letztes Wort7. Preußen soll die Unantastbarkeit des Sonderbündnisses verlangen. Dieses Projekt wurde an den Reichsverweser nach|| S. 637 PDF || Gastein gesendet und wird von dort hierher gelangen. Man zweifelt übrigens nicht an der schließlichen Nachgiebigkeit Preußens8.

VI. Reorganisation Kroatiens, Slawoniens und der Militärgrenze

Hierauf nahm der Minister des Inneren Dr. Bach mit der Bemerkung das Wort, daß, da die militärischen Operationen in Ungarn bald ihr Ende erreicht haben werden, es nun an der Zeit sein dürfte, die politische Organisation in Angriff zu nehmen. Die wichtigsten Fragen diesfalls sind die serbische Woiwodschaft9, die Reorganisierung Kroatiens und Slawoniens, dann der Militärgrenze.

Der Ban hat den Wunsch ausgesprochen, daß über die serbische Woiwodschaft bald entschieden werden möge, und bat, zu diesem Ende nach Wien berufen zu werden, um diese Angelegenheit hier zu beraten. Der Minister Dr. Bach unterstützte diese Bitte und erbat sich die Ah. Ermächtigung, den Ban zu dem gedachten Zwecke einberufen zu dürfen, welche Ermächtigung Se. Majestät zu erteilen geruhten. Die Anwesenheit des Banus wird auch dazu benützt werden, um die Verhältnisse von Kroatien und Slawonien zu besprechen, rücksichtlich welcher die Meinung vorherrscht, daß, wenn die Regierung bei ihrem gefaßten Plane beharrt, alles gut gehen werde. Dem Banus wäre bei der Einberufung zugleich anzudeuten, daß Se. Majestät die Anträge desselben über die im Prinzipe bereits genehmigte Reorganisierung der Grenze erwarten. Auch wäre Baron Geringer von Ofen einzuberufen, um bei den diesfälligen Besprechungen mit dem Ban gegenwärtig zu sein und seine Meinung abzugeben.

Diese Einleitungen haben Se. Majestät gleichfalls Ah. zu genehmigen geruhet10.

VII. Eidesformel für den Primas von Ungarn

In Absicht auf den von dem neuernannten Primas von Ungarn in die Hände Sr. Majestät abzulegenden Eid bemerkte der Minister Dr. Bach, daß es wichtig und angemessen wäre, daß er diesen Eid in Gegenwart des versammelten Ministerrates ablege11. In der bisherigen Eidesformel werden einige Änderungen einzutreten haben. Er wird nämlich nicht, wie bisher, die leges regni, sondern die leges imperii zu beobachten schwören müssen. Als Primas war er bisher Präses des Septemvirats12, was für die Zukunft wegfällt. Auch in den Credentionalen werden Änderungen statthaben müssen. Die früher übliche Ernennung zum Obergespan des Graner Komitates muß bei der neuen Gestaltung der Verhältnisse entfallen, und da der Primas auch geistliche Funktionen in Kroatien und Slawonien auszuüben und Güter dort zu konferieren hat, so wird es, da Kroatien und Slawonien nun ein eigenes Kronland bildet, nicht in partibus adnexis, sondern in partibus extra regnum sitis heißen müssen.

|| S. 638 PDF || Diesen vorgeschlagenen Änderungen haben Se. Majestät die Ah. Genehmigung zu erteilen geruhet13.

VIII. Revers der entlassenen Honvedoffiziere

Der Minister Dr. Bach teilte ferner den Revers mit, den die Honvedoffiziere, welche entlassen werden, auszustellen haben14.

IX. Gleichberechtigung der Romanen

Nach der Ansicht dieses Ministers wäre dem FML. Baron Wohlgemuth ein beruhigendes Schreiben zuzufertigen, daß die Romanen ein gleichberechtigtes Volk wie die übrigen sein und in Siebenbürgen als Nation organisiert werden sollen, in welcher Beziehung er seine Anträge zu erstatten hätte15.

X. Beförderung des Feldkriegssekretärs Joseph Florian Glanz

Mit Ah. Gestattung Sr. Majestät wird der Minister Dr. Bach einen au. Vortrag wegen Beförderung des Feldkriegssekretärs Glanz zum Sektionsrate im Ministerium des Inneren erstatten. Es soll demselben die Leitung der kommissariatischen Angelegenheiten in diesem Ministerium übertragen werden16.

XI. Verwendung der zur Aufstellung des böhmischen Freikorps gesammelten Gelder

Nachdem nunmehr der Krieg in Ungarn als beendet angesehen werden kann, wornach die Notwendigkeit der Aufstellung der angetragenen böhmischen Freikorps von selbst entfällt, so wird mit Ah. Genehmigung Sr. Majestät dem Grafen Nostiz erwidert werden, daß die für diese Korps gesammelten Gelder zu einem anderen Zwecke verwendet werden können17.

XII. Behandlung der ungarischen Gefangenen

Der Justizminister Ritter v. Schmerling bemerkte schließlich, daß dem Ah. Befehle Sr. Majestät gemäß an Baron Haynau wegen Behandlung der Gefangenen geschrieben und am Schlusse des Schreibens der Vorschlag von ihm abgefordert worden sei, nach welchen Kategorien die Individuen, die nicht straflos ausgehen, zu unterscheiden wären18. Obgleich dieser Vorschlag von Baron Haynau, dem die Initiative in dieser Beziehung wohl zusteht, noch nicht eingelangt ist, so glaubt der Justizminister dennoch, die diesfalls zur Norm anzunehmenden Grundsätze schon jetzt zur Sprache bringen zu sollen.

Nach der mit dem Ministerialrate Komers gepflogenen Besprechung einigte man sich darin, daß die Proklamation des Baron Haynau für alle künftigen Übertretungsfälle als Norm aufrechtzuerhalten wäre19. In Ansehung dieser Fälle ist kein Grund zu einer Milderung|| S. 639 PDF || abzusehen; die ungarische Regierung ist verschwunden; es bestehen keine regulären ungarischen Truppen mehr, jede künftige Übertretung wäre daher standrechtlich zu behandeln. Was die schon gegenwärtig der Untersuchung anheimgefallenen Individuen anbelangt, so wäre das Zivile vom Militär zu trennen und für beide wären eigene Qualifikationen zu bestimmen.

In Absicht auf das Zivile wären bei der Unmöglichkeit, die vielen tausende der Straffälligen der Untersuchung zu unterziehen, vier Kategorien als die strafbarsten zu bestimmen, welche der ganzen Strenge des Gesetzes anheimfielen. Diese vier Kategorien wären: a) die Mitglieder der provisorischen Regierung, b) die Mitglieder des provisorischen Landesausschusses, c) die Teilnehmer an dem Beschlusse vom 14. April und d) die Kommissionäre der revolutionären Regierung. Da aber außer den hier erwähnten vier Kategorien sich einige Individuen aus dem Zivile gegen die Regierung Sr. Majestät schwer vergangen haben können, so wäre noch die allgemeine Bestimmung festzusetzen, daß alle Zivilangestellten und Seelsorger, welche nach dem 14. April eine vorragende Wirksamkeit für die rebellische Regierung entwickelt haben, der Strenge der Vorschriften anheimfallen.

In Absicht auf das Militär haben Se. Majestät die Ah. Gnade bereits dahin ausgedehnt, daß alle Offiziere vom Hauptmann abwärts, wenn sie nicht früher als Offiziere in der k.k. Armee gedient haben, zu entlassen sind. Ausgenommen hievon sind ohne Ausnahme alle Generäle und Stabsoffiziere. Der Justizminister und die von ihm Einvernommenen glauben, daß der Ah. Gnade auch hier eine weitere Ausdehnung zu geben wäre. Wenn alle ausgenommenen Offiziere untersucht werden sollten, so würden sich die Untersuchungen auf mehr als 500 belaufen, und es wäre physisch unmöglich, ihnen allen zu genügen. Es wäre demnach auch hier, um die Schuldigeren der Strafe nicht entgehen zu machen, wie oben bei den Zivilangestellten die allgemeine Bestimmung zu treffen, daß jene, welche im Dienste oder zugunsten der revolutionären Regierung eine hervorragende Tätigkeit entwickelt haben, der verdienten Strafe verfallen. Dieser Strafe wären auch ausnahmslos alle Generäle und Offiziere zu unterziehen, welche früher in der österreichischen Armee gedient haben und zu den Rebellen übergegangen sind.

Die schwierigste Frage sei, ob die ganze Strenge des Gesetzes, die Todesstrafe, bei allen Untersuchten einzutreten habe, oder ob die minder Gravierten statt der Todesstrafe eine andere Strafe zu erleiden hätten. Hier wäre im allgemeinen festzusetzen, daß die am meisten Gravierten dem Gesetze zu verfallen haben; in Ansehung der minder Gravierten wäre dem FZM. Baron Haynau zu überlassen, eine andere Strafe zu bestimmen. So sei es auch bezüglich des lombardisch-venezianischen Königreiches geschehen, wo 85 als die meist Gravierten bezeichnet worden sind20. Es wäre nun die Sache des FZM. Baron Haynau, die am meisten Gravierten von Ungarn und Siebenbürgen zu bezeichnen, die minder Gravierten sukzessive auf die Festung zu schicken und die Liste der Graviertesten|| S. 640 PDF || vor der Vollstreckung der Todesurteile einzusenden, um beurteilen zu können, ob bei allen die ganze Strenge des Gesetzes einzutreten habe oder nicht.

Dagegen ergab sich keine Erinnerung, nur bemerkte der Minister Dr. Bach , daß dem FZM. Baron eine gewisse Gewalt überlassen werden müsse, um, woran es gelegen sei, schnell die verdiente Strafe eintreten lassen zu können21.

Der Minister Freiherr v. Kulmer teilte hier die erhaltene Nachricht mit, daß Baron Haynau den Hruby (den Adjutanten des Görgey) bereits habe erschießen lassen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 16. September 1849.