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Nr. 155 Ministerrat, Wien, 25. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 26. 8.), Krauß 7. 9., Bach 9. 9., Gyulai 7. 9., Schmerling 5. 9., Thinnfeld 5. 9., Thun, Kulmer 28. 8.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 2923 – KZ. 2895 –

Protokoll der am 25. August 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Kriegsoperationen in Siebenbürgen

Der Ministerpräsident las einen vom FZM. Baron Haynau eingelangten, aus dem Hauptquartier Arad den 21. d.M. datierten, sehr günstigen Bericht über die neuesten Kriegsoperationen in Siebenbürgen vor1. Der wesentliche Inhalt dieses in das Morgenblatt der Wiener Zeitung aufzunehmenden Berichtes ist, daß die Verfolgung der Rebellen durch das dritte Armeekorps ein vollständiges Resultat geliefert und Siebenbürgen fast ganz von den Insurgenten gereiniget habe; 72 Kanonen sind dem Feinde abgenommen worden; die unter Bem und Guyon stehenden Truppen werden verfolgt; General Lüders habe ihnen einen 24stündigen Waffenstillstand bewilliget, den Bem und Guyon wahrscheinlich dazu benützen werden, um zu entfliehen. Am 18. d.M. haben sich 8000 Mann den Russen ergeben; 24 Geschütze blieben in Deva zurück; General Dessewffy hat sich dem Wallmoden gestellt. An diesem günstigen Resultate haben vorzüglich der FML. Fürst Liechtenstein und General Ramberg Anteil. Auch die Banknotenpresse und viele von den Insurgenten vergrabene Bestandteile von Dampfmaschinen wurden vorgefunden. Es seien Einleitungen getroffen worden, daß das Kriegsmateriale und die Gefangenen den österreichischen Truppen übergeben werden. Der Krieg könne bei diesen Resultaten als beendet angesehen werden2.

II. Militärmesse am Glacis und Armeebefehl

Der Ministerrat hat es als angemessen gefunden, daß morgen, wo um neun Uhr eine Militärmesse mit Te Deum am Glacis für die günstigen Resultate der österreichischen Waffen stattfindet und 101 Kanonenschüsse abgefeuert werden, auch ein Armeebefehl als Extrablatt erscheine, wozu der Kriegsminister die Veranstaltung sogleich getroffen hat3.

III. Verträge mit Modena und Parma

Der Ministerpräsident teilte hierauf die vom Minister Ritter v. Bruck unterm 20. d.M. eingesendeten Originalurkunden mit a) über die mit Modena und Parma geschlossene Postkonvention; wegen des Zollvereins werden diese Staaten mit Österreich in Unterhandlung treten; b) mit Modena wegen Abtretung des Gebietes von Rolo; c) mit Modena und Parma wegen der Poschiffahrt. Der Minister Ritter v. Bruck bemerkt hiebei, daß an der Geneigtheit der römischen Regierung, dieser letzteren Konvention beizutreten, nicht zu zweifeln sei. Ferner fügte dieser Minister bei, daß er nun nach beendigten Geschäften Mailand verlassen und am 26. d.M. in Wien eintreffen werde4. Auch teilte derselbe eine Zuschrift des Feldmarschalls Grafen Radetzky mit, worin dieser ihm in verbindlichen Ausdrücken seine Anerkennung für die glückliche Lösung seiner vielfältigen schwierigen Aufgaben ausdrückt5.

IV. Tätigkeit der ungarischen Emigranten in der Türkei

Der Minister des Inneren Dr. Bach eröffnete, daß nach Privatbriefen in Siebenbürgen große Bedrückungen und Erpressungen von Seite der Rebellen stattgefunden haben. Häuser und Gewölbe, welche verlassen worden sind, wurden von ihnen geöffnet und in den letzteren ein Ausverkauf der Waren vorgenommen.

Bei diesem Anlasse machte dieser Minister aufmerksam, daß bei dem Umstande, wo die ungarischen Emigrés zahlreich in die Türkei gehen und von dort aus Unruhen oder gar eine Invasion in die österreichischen Provinzen zu unternehmen versuchen und darin von den dortigen englischen Agenten unterstützt werden dürften, es nun notwendig erscheine, im Einvernehmen mit Rußland energisch im Oriente aufzutreten und dafür zu sorgen, daß eine strenge Grenzbewachung gegen die Türkei zu Land und an den Seeküsten stattfinde6.

V. Wahlrecht der Offiziere

Der Kriegsminister brachte hierauf eine Anfrage der Stadt Feldkirch in Vorarlberg zur Sprache, ob die dortigen Offiziere zum Behufe der Ausübung des aktiven Wahlrechtes in die Konsignationen der Gemeinde aufgenommen werden sollen oder|| S. 628 PDF || nicht7. Der § 28 des provisorischen Gemeindegesetzes bestimmt hinsichtlich des aktiven Wahlrechtes folgendes: Wahlberechtiget sind 1. die Gemeindebürger und 2. unter den Gemeindeangehörigen die Ortsseelsorger, Staatsbeamten, Offiziere, die mit Offiziersrang Angestellten, Personen, welche einen akademischen Grad erlangt haben und öffentliche Lehrer; und der § 13 desselben Gesetzes sagt: Staatsdiener, Offiziere, die mit Offiziersrang Angestellten, Geistliche und öffentliche Lehrer sind Angehörige jener Gemeinde, in welcher ihre Stelle ihnen einen ständigen Aufenthalt anweiset.

Es frage sich nun, ob von Seite des Militärs jene Individuen wahlberechtigt sind, die zur militia vaga, oder nur jene, die zur militia stabilis (wie Pensionisten u. dgl.) gehören8.

Es wurde sich im Ministerrate dafür erklärt, daß nur jene Offiziere, welche einen ständigen Aufenthalt in einer Gemeinde haben, in den Angelegenheiten dieser Gemeinde wahlberechtigt sein sollen, weil sonst, wie der Ministerpräsident bemerkte, dieselben Offiziere, da sie in Kriegszeiten ihren Standort häufig wechseln, an zwei und drei Orten wählen könnten, und es auch geschehen könnte, daß sie, zufällig in einer Gemeinde zahlreich anwesend, die Majorität ausmachen und in Angelegenheiten der ihnen sonst fremden Gemeinde entschieden eingreifen könnten. Der Minister Dr. Bach machte hiefür noch geltend, daß aktive Offiziere von politischen Angelegenheiten ferngehalten werden sollen, und daß nur jene bei den Gemeindewahlen sich beteiligen dürften, die in einem Orte ihren Wohnsitz haben, wie z.B. Festungs- und Platzkommandanten u. dgl. Der Minister Ritter v. Schmerling machte hierbei aufmerksam, daß, wenn Offiziere von dem aktiven Wahlrechte in der Gemeinde ausgeschlossen werden, sie auch von der aktiven Wahl zum Reichstage ausgeschlossen werden müßten, weil das aktive Wahlrecht zum Reichstage nur jene auszuüben haben, welche es in der Gemeinde ausüben9. Offiziere in der Friedensgarnison hätten dieses Recht (wie in Preußen) unbeanständet auszuüben.

Der Minister des Inneren Dr. Bach stellte an den Kriegsminister das Ansuchen, ihm diesen Akt mitzuteilen, damit er an den Landeschef von Tirol und Vorarlberg Graf Bissingen wegen Ausscheidung der Offiziere aus den Wahllisten das Nötige erlassen könne10.

VI. Prager Katholikenverein

In Absicht auf das bereits früher besprochene Ansuchen des Prager Katholikenvereins wegen Gestattung der Abhaltung von Plenarsitzungen desselben11 hat der Minister Dr. Bach die nötigen Erkundigungen über ein gleiches Gesuch des hiesigen Katholikenvereins eingeholt und vom FZM. Baron Welden erfahren, daß diesem letzteren Gesuche, gegen welches sich auch der hiesige Erzbischof erklärte, bei dem bestehenden Belagerungszustande|| S. 629 PDF || nicht willfahrt werden konnte und nur dem Ausschusse dieses Vereins gestattet wurde, sich zu versammeln12.

Nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach, welchem der Ministerrat beistimmte, wäre dem Kommandier­enden in Prag zu erwidern, daß es seiner Erwägung im Einvernehmen mit der dortigen politischen Behörde überlassen bleibe, dem Prager Katholikenverein die angesuchten Plenarbesprechungen zu gestatten. Hierorts finde man keine Veranlassung, solche Versammlungen zu verbieten, zumal es den Landesautoritäten freisteht, sich durch lf. Kommissäre von dem Tun und Lassen solcher Versammlungen Kenntnis zu verschaffen13.

VII. Salzlieferungsvertrag mit Graubünden und Liechtenstein

Hierauf brachte der Finanzminister folgenden Gegenstand zum Vortrage. Der Kanton Graubünden und das Fürstentum Liechtenstein haben mit Österreich einen Vertrag wegen Salzlieferung abgeschlossen. Es wurde darin bedungen, daß das Fürstentum Liechtenstein für je 475 Pfund Nettogewicht 13 f. Reichswährung in 24 fr. Fuße, und Graubünden für ein bestimmtes Gewicht 9 fr. in eben dieser Währung bezahle; bei Graubünden wurde insbesondere festgesetzt, wenn die Bezahlung in Kronentalern geschähe, sie nur zu 2 f. 12 Kreuzer CM. angenommen werden sollen. Nun zahlen Graubünden und Liechtenstein das ihnen überlassene Salz in Banknoten, und es frägt sich itzt, ob wir die Bezahlung in Silber oder in einem dieser Währung korrespondierenden Werte fordern dürfen oder nicht14. Dem Finanzminister scheint das Recht zu dieser Forderung zu bestehen, weil der 24 f. Fuß eine ausländische, bei uns nicht bestehende Währung ist. Der Gegenstand sei übrigens nicht von der Bedeutung, um auf diesem Rechte zu bestehen, wenn dessen Durchsetzung einen unangenehmen Eindruck verursachen oder politische Rücksichten dagegen sprechen sollten.

Über die Bemerkung der Minister Dr. Bach und Ritter v. Schmerling , daß in den obigen Verträgen nur die Währung, nicht aber die Spezies ausgedrückt ist, wir daher mit unserer diesfälligen Forderung der Zahlung in Silber nicht aufkommen würden, wurde dieser Gegenstand mit Zustimmung des Ministerrates fallengelassen15.

VIII. Ärarvorschuß für die Gemeinden Freiwaldau und Zuckmantel

Der Ministerrat erklärte sich weiter mit dem Antrage des Finanzministers Freiherrn v. Krauß einverstanden, den Gemeinden Freiwaldau und Zuckmantel zur Unterstützung der dortigen, in großer Not bestehenden Weber einen Ärarialvorschuß von 5000 f. für beide, welcher durch Hypotheken vollkommen gedeckt wird, zu bewilligen. Als diese Gesuche früher vorkamen, meinte man, daß die Nationalbank zur|| S. 630 PDF || Leistung solcher Vorschüsse berufen wäre, was ihr aber jetzt nicht wohl zugemutet werden kann, da nach den neuesten Verfügungen ihre Noten nicht vermehrt werden sollen16.

IX. Entwurf des neuen Gymnasialstudienplans

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Leo Thun bemerkte schließlich, daß es wegen der Nähe des künftigen Schuljahres nun schon zu spät sein dürfte, einen neuen Gymnasialstudienplan für dieses Schuljahr festzusetzen und hinauszugeben. aJedoch wäre der bereits ausgearbeitete Plana als ein Entwurf hinauszugeben, damit sich die Leute orientieren und ihre allenfälligen Bemerkungen darüber erstatten können17. Über die definitive Feststellung des Gymnasialstudienplanes werde mit der Zeit Sr. Majestät ein au. Vortrag erstattet werden.

In Absicht auf die provisorische Vorschrift glaubte der Unterrichtsminister folgende Grundsätze im allgemeinen in Antrag bringen zu sollen: Gymnasien wären dort zu errichten, wo die Mittel dazu vorhanden sind. Wo, wie in Ungarn, nicht Staatsgymnasien, sondern nur Privatgymnasien der Klöster und Gemeinden bestehen, hätte es dabei zu bewenden.b  cNeben den Staatsgymnasien können auch künftig noch Gymnasien, welche von geistlichen oder weltlichen Korporationen erhalten werden, bestehen.c Der Regierung wäre jedochd die Bestimmung vorzubehalten, welches Gymnasium als ein öffentliches anzusehen sei, ed.i. als ein solches, dessen Zeugnisse Zeugnisse den Zeugnissen der Staatsgymnasien gleich gelten.e Wenn ein Gymnasium in Verfall kommt und der Staat die Lehrer unterstützen muß, hätte er auch die unterstützten Lehrer zu bestellen, und wenn die Hälfte der Lehrer unterstützt werden müßte, wäre das ganze Gymnasium vom Staate zu übernehmen. Was die Leitung der Gymnasien anbelangt, wäre für jedes Kronland eine Gymnasialdirektion, ein Schulrat, zu errichten, welcher die Kontrolle über alle Gymnasien des Kronlandes zu führen hätte und welchem der Lehrkörper der Gymnasien verantwortlich wäre.

|| S. 631 PDF || In Absicht auf die Sprache, in welcher gelehrt werden soll, hätte mit Rücksicht auf die Gleichbe­rechtigung der Nationen als Grundsatz zu gelten, daß Organ des Unterrichtes jede Landessprache sein kann. Die Kreisvertretungf hätte zu entscheiden, in welcher Sprache gelehrt werden soll. An einem Gymnasium könnte auch in zwei Sprachen – in zwei Abteilungen goder verschiedene Gegenstände –g gelehrt werden. Graf Thun bemerkte, daß das Ministerium bisher vermieden habe, diesfallsh etwas zu bestimmen, und es dürfte am zweckmäßigsten sein, es den dabei Interessierten zu überlassen, wo sich dann die Sache von selbst machen würde. Nur bei entstehendem Zwiespalt über die Unterrichtssprache hätte idie Vertretung des Kreises und provisorisch die Schulbehördei zu entscheiden. Hinsichtlich der Sprachen, welche gelehrt werden sollen, wäre zu bestimmen, daß nebst der lateinischen und griechischen auch die Muttersprache und an jedem Gymnasium auch die andere Landessprache gelehrt werde; die deutsche Sprache wäre an allen Gymnasien, auch dort, wo sie nicht Landessprache ist, zu lehren. Die Muttersprache wäre obligat, die anderen Sprachen wären der Wahl der Schüler und ihrer Eltern zu überlassen. Der Einwendung, daß die deutsche Sprache dadurch bevorzugt wirdj, wird dadurch begegnet, daß kein Zwang für die Erlernung der deutschen Sprache bestehen soll, daß kes jedochk ein politisches Bedürfnis ist, zu ihrer Erlernung Gelegenheit zu bieten.

Ferner wäre anzuordnen, daß dort, wo ein Gymnasium besteht, aus den Vertretern der Gemeinde, aus dem Gemeinderate, drei oder nach Umständen mehrere Glieder zu wählen wären, welche die Vermittlung zwischen dem Gymnasium und dem Publikum zu übernehmen hätten, denen aber keine Entscheidung in irgendeiner Beziehung zustünde, und die auch nicht fordern könnten, den Beratungen des Lehrkörpers beigezogen zu werden. Ihr Geschäft wäre, die Wünsche der Gemeinde dem Lehrkörper vorzubringen, die Disziplin zu überwachen, die Lehrstunden als passive Beobachter zu besuchen, sich mit dem Lehrkörper zu besprechen u. dgl.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Anträgen im wesentlichen einverstanden, nur schiene es dem Finanzminister Freiherrn v. Krauß nicht angemessen und nicht notwendig, den Gemeinden den hier angetragenen Einfluß auf die Gymnasien zu gestatten, sie würden sich dann in alles mischen wollen und Reibungen wären unvermeidlich; die Überwachung der Disziplin und überhaupt alles Exekutive hätte die Regierung nicht aus der Hand zu geben.

In Absicht auf die Sprache, in welcher gelehrt werden soll, hat der Ministerrat der Ansicht, daß die diesfällige Bestimmung von der Kreisbehörde auszugehen hätte, nicht beigestimmt. Mit Rücksicht auf den vom Minister Dr. Bach geltend gemachten § 4 der Grundrechte18, welcher sagt „für allgemeine Volksbildung soll durch öffentliche|| S. 632 PDF || Anstalten, und zwar in den Landesteilen, in denen eine gemischte Bevölkerung wohnt, der Art gesorgt werden, daß auch die Volksstämme, welche die Minderheit ausmachen, die erforderlichen Mittel zur Pflege ihrer Sprache und zur Ausbildung in derselben erhalten“, wäre die diesfällige Bestimmung der Regierung und nicht der Kreisvertretung vorzubehalten.

Der Minister Graf Thun wird, was die Unterrichtssprache anbelangt, diesen Gegenstand mit Rücksicht auf den erwähnten § 4 der Grundrechte in nochmalige Erwägung ziehen und darüber neuerdings vortragen19.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 25. September 1849.