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Nr. 154 Ministerrat, Wien, 24. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 25. 8.), Krauß 26. 8., Bach 26. 8., Gyulai 28. 8., Schmerling 26. 8., Thinnfeld 26. 8., Thun 28. 8., Kulmer 26. 8.; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 2886 – KZ. 2494 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 24. August 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Tagesbericht Julius Freiherrn v. Haynau

Der gefertigte Ministerpräsident teilte mit den Tagesbericht des FZM. Baron Haynau vom 18. d. [M.] mit einem Briefe Kossuths an Bem, wovon in einem Zeitungsartikel Kunde gegeben werden wird1.

II. Gesuch der Ofener und Pester Juden wegen der ihnen auferlegten Kontribution

Eine von der Pest-Ofener Judengemeinde eingelangte Bittschrift in betreff der ihr auferlegten Strafkontribution wurde nach dem Antrage des Ministers des Inneren dem FZM. Baron Haynau zur Erstattung seines Gutachtens hierüber im Einvernehmen mit Baron Geringer zu übermitteln beschlossen2.

III. Gerüchte über Unterwerfung Ungarns an Rußland

Der von der hiesigen Presse im üblen Sinne ausgebeutete Bericht des Feldmarschalls Fürsten Paskiewitsch an seinen Monarchen über Görgeys Unterwerfung („Ungern liegt zu den Füßen Ew. Majestät“3) gab dem Minister des Inneren Anlaß zu dem Antrage, in einem offiziellen Zeitungsartikel, vorderhand und bis Görgeys Auslieferung alle diesfälligen Gerüchte tatsächlich widerlegen wird, erklären zu lassen, daß Görgeys Unterwerfung eine rein militärische Angelegenheit, wobei keinerlei politische Transaktion oder Konzession stattfand, gewesen, er ein Gefangener der vereinigten k.k. und kaiserlich russischen Armee sei und sein Schicksal von der Ah. Bestimmung Sr. Majestät abhänge4.

IV. Pension für die Witwe und Kinder Eduard Nowaks

Derselbe Minister beantragte für die in drückender Not zurückgelassene Witwe und drei Kinder des von der ungrischen Rebellenregierung wegen dem General Hentzi|| S. 624 PDF || geleisteten Beistands hingerichteten ungrischen Baudirektionsbeamten Nowak nach dem Einraten des Baron Geringer eine Pension von 500 fr. und für jedes der Kinder einen Erziehungsbeitrag von 80 fr.

Da der Vater selbst nur 500 fr. Gage gehabt hat, so fand es der Finanzminister auffallend, daß man seiner rückgelassenen Familie mehr geben wolle, als sie bei Lebzeiten des Vaters gehabt; dagegen ward jedoch das Außerordentliche des Falls und der Jammer der Familie geltend gemacht5.

V. Verlegung der oberösterreichischen Provinzstrafanstalt von Linz nach Garsten

Nachdem das Schloß in Linz, wo gegenwärtig das provisorische Strafhaus ist, für militärische Zwecke geräumt werden muß, so handelt es sich um Ausmittlung einer andern Lokalität zur Unterbringung der Sträflinge. Man glaubte selbe im Zwangsarbeitshause und in der Pionierkaserne gefunden zu haben. Allein, eine ausgesandte Ministerialkommisison erklärte diese Lokalitäten für ungeeignet und brachte vielmehr das ehemalige Zisterzienserkloster Garsten bei Steyr zu diesem Zwecke in Vorschlag.

Der Minister des Inneren , der dieses Gebäu kennt, erklärte sich mit diesem Vorschlage umso mehr einverstanden, als die Einrichtung und Adaptierung gewiß nicht mehr als jene der Kasern und des Zwangsarbeitshauses (50.000 fr.) kosten und ein Teil des Gebäus sich für Zellengefängnisse eignen würde.

Dem vom Justizminister geäußerten Bedenken, eine Masse von 350–400 Sträflingen in die Nähe einer Stadt zu verlegen, die keine Garnison hat, wurde durch die Bereitwilligkeit des Kriegsministers, zwei Kompanien dahin zu verlegen, wovon eine im Garstener Kloster selbst stationiert bleiben könnte, begegnet, und da mit der gemachten Proposition in thesi alle Stimmen einverstanden waren, behielt sich der Minister des Inneren vor, wegen der Ausführungsmodalitäten mit dem Justizminister das nähere Einvernehmen zu pflegen6.

VI. Organisierung der Berggerichte

Der Justizminister referierte über die von ihm im Einvernehmen mit dem Minister der Montanangelegenheiten beantragte Organisierung der Berggerichte7. Nach diesem Antrage würde mit Rücksicht auf die Einteilung der Gerichtsbezirke und auf das Bedürfnis der Kronländer bei verschiedenen Landesgerichten ein eigener Senat für streng berggerichtliche Gegenstände durch Bestellung eines geprüften Juristen als Referenten, einiger sachverständiger Assessoren und einiger Auskultanten einzurichten sein.

Da hiergegen nichts erinnert ward, so behielt sich der Justizminister vor, über diese Angelegenheit den Vortrag an Se. Majestät zu erstatten8.

VII. Budget des Unterrichtsministers für 1850

Der Unterrichtsminister brachte sein Budget in Vortrag. Notwendige und dringende Verbesserungen im Schulwesen machen dessen Erhöhung im ganzen um 2,482.000 f. gegen früher nötig. Darunter sind eineinhalb Millionen zur besseren Dotierung der Schullehrer, 500.000 fr. zur Unterstützung des Schulwesens in den der Zentralverwaltung bisher nicht unterworfen gewesenen Provinzen verstanden9.

Insofern nach § 36 der Reichsverfassung nur das höhere Unterrichtswesen als Reichsangelegenheit, das Volksschulwesen aber laut § 35 als Landesangelegenheit zu behandeln ist, müßte der Finanzminister gegen die Unterstützung des Volksschulwesens aus Reichsmitteln im Grundsatze sich erklären. Nur in der Rücksicht, weil die Monarchie gegenwärtig bei dem Mangel einer organisierten Landesvertretung in einem Übergangszustande sich befindet, würde er für das bevorstehende Verwaltungsjahr als Übergangsmaßregel für eine jedoch auf das dringendste Bedürfnis zu beschränkende, gewissermaßen vorschußweise Unterstützung der Volksschulen in der Art stimmen, daß mit Einschluß der bisher der Zentralverwaltung nicht unterstandenen Kronländer, je nach den Verhältnissen der Provinzen, denjenigen Gemeinden eine Unterstützung aus Staatsmitteln gereicht werde, welche nicht imstande sind, ihre Schullehrer zu erhalten. Keinesfalls aber hätte die für das Unterrichtswesen angesprochene Erhöhung der Dotation die Summe 1,200.000 bis eineinhalb Millionen Gulden im ganzen zu überschreiten.

Nach einer längeren Debatte, woran der Justiz- und der Minister des Inneren sich beteiligten und dabei erklärten, daß vermöge der dem § 35 II der Reichsverfassung beigesetzten Klausel „inner der Grenzen der Reichsgesetze die näheren Anordnungen in Schulsachen“ diese letztere keineswegs unbedingt für Landesangelegenheiten erklärt und dem Bereiche der Reichsgesetzgebung und der Zentralverwaltung gänzlich entzogen seien, daß es auch im Interesse der letzteren liege, ihren Einfluß auf die wichtige Klasse der Volksschullehrer und das auf ihnen beruhende politische Element zu bewahren, daß es endlich nur konsequent erscheine, aus Reichsmitteln Unterstützung für den notwendigen Unterricht des Volks zu gewähren, da ja dem Reiche wesentlich daran liegt, daß alle den notwendigsten Unterricht empfangen, ward schließlich einstimmig mit dem Finanzminister das Budget des Unterrichts­ministeriums mit einem die Summe des vorausgegangenen Jahrespräliminars um eine und eine halbe Million Gulden übersteigenden Betrage pro 1850 festgesetzt10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 3. September 1849.