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Nr. 149 Ministerrat, Wien, 19. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach (bei III-IX), Thun, Schmerling, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 20. 8.), Krauß 10. 10., Bach 21. 8., Thun, Schmerling 21. 8., Thinnfeld 21. 8., Kulmer 21. 8.; abw. Stadion, Gyulai, Bruck.

MRZ. 2824 – KZ. 3106 –

Protokoll der am 19. August 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Proklamation über die italienischen politischen Flüchtlinge

Der Ministerpräsident eröffnete die Sitzung mit der Mitteilung eines vom Feldmarschall Grafen Radetzky eingesendeten Berichtes, womit derselbe ein Exemplar seiner Proklamation hinsichtlich des den politischen Flüchtlingen erweiterten Termines zur Rückkehr einsendet. Graf Radetzky bemerkt, daß in dieser Proklamation mehrere nominatim von dem Befugnisse der Rückkehr ausgeschlossen sind. Unter diesen befinden sich mehrere, welche Hofwürden und Orden besitzen. Graf Radetzky meint, daß eine feierliche Entsetzung derselben von diesen Würden und Orden von großer Wirksamkeit sein würde1.

Was die Hofwürden betrifft, sei die Sache nicht schwer, diese kann Se. Majestät der Kaiser wieder entziehen. Die Ordensritter dagegen können nur infolge eines richterichen Spruches oder, wie beim goldenen Vlies, infolge eines Ordenskapitelbeschlusses ihrer Orden verlustig erklärt werden2.

II. Hochverratsprozeß gegen die italienischen politischen Flüchtlinge

Derselbe Minister bemerkte weiter, daß es zweckmäßig zu sein schiene, gegen die politischen Flüchtlinge und Verwiesenen den Hochverratsprozeß sogleich einzuleiten. Dadurch würden sie von der Rückkehr abgehalten, und wenn sie dennoch kämen, so könnte man gleich auf sie greifen. Dieser Prozeß würde einen schnellen Verlauf haben und bei Gelegenheit desselben könnte die ad I besprochene Entziehung der Hofwürden und Orden in Verhandlung kommen.

Dieser Gegenstand wird dem Justizminister Ritter v. Schmerling mitgeteilt, welcher ihn erwägen und dann seine Anträge darüber dem Ministerrate vorbringen wird. Ritter v. Schmerling bemerkte schon gegenwärtig, daß dieser Prozeß, um jeden|| S. 605 PDF || Schein einer zu großen Strenge zu beseitigen, statt von den jetzt bestehenden Kriegsgerichten vor dem gewöhnlichen Tribunale verhandelt werden dürfte3.

Randbemerkung Waceks: Bei der Besprechung ad I und II war der Minister des Inneren noch nicht anwesend.

III. Erlässe des Carl Freiher Geringer v. Oedenberg ohne Benachrichtigung Julius Freiherrn v. Haynau

Teilte der Ministerpräsident den Inhalt eines vom FZM. Baron v. Haynau erhaltenen Schreibens mit, worin derselbe mit einiger Empfindlichkeit bemerkt, daß Baron Geringer lithographierte, von Wien erhaltene Instruktionen an die Distriktskommissäre über administrative Gegenstände erlassen habe, ohne sie ihm früher mitzuteilen4. Baron Haynau legt gleichzeitig eine Abschrift des aus diesem Anlasse an Baron Geringer gerichteten Erlasses vor, nach welchem er es zwar bei dem Geschehenen bewenden lasse, aber darauf bestehen müsse, daß künftig der von Sr. Majestät erhaltenen Vollmacht gemäß alle wichtigen administrativen Verfügungen ihm vorläufig vorgelegt werden, widrigens er sich gezwungen sehen würde, selbst Abhilfe gegen die übergreifenden Maßregeln zu veranlassen5.

Der Minister Dr. Bach bemerkte zur Aufklärung dieses von Haynau etwas zu vorzeitig und zu heftig genommenen Gegenstandes, daß die in der Rede stehende Instruktion von Baron Geringer und den Vertrauensmännern mit ihm (Dr. Bach) hierorts beraten wurde. Der Entwurf dieser Instruktion sei wegen der schnellen Abreise des Baron Geringer hier verblieben, wurde einer nochmaligen Revision unterzogen und vor einiger Zeit dem Geringer mit dem Auftrage zugesendet, seine Bemerkungen darüber einvernehmlich mit dem FZM. Baron Haynau vorzulegen . Diese Bemerkungen seien dem Minister Bach noch nicht zugekommen. Baron Geringer habe den FZM. Haynau gewiß nicht übergehen wollen, an der späteren Zumittlung mögen unterbrochene Kommunikationen Schuld tragen. Da man in der Sache gegenwärtig noch nicht klar sehe, so wäre an Baron Haynau über seine Eingabe nichts zu schreiben, und die erwähnte Angelegenheit dürfte sich von selbst ausgleichen.

IV. Bereitschaft des österreichischen Armeekorps in Vorarlberg

Nach einem von dem FML. Carl Fürsten v. Schwarzenberg in Vorarlberg an den Ministerpräsidenten gerichteten, dem Kriegsminister in Abschrift mitgeteilten Berichte hat Graf Wittgenstein im Namen des Reichsministeriums dem erwähnten Feldmarschalleutnant geschrieben, sein Armeekorps in Bereitschaft zu halten, um nötigenfalls vorrücken zu können, da der öffentlichen Ruhe und Ordnung in Württemberg von Seite der Wühler Gefahr drohe6. FML. Fürst Carl v. Schwarzenberg stellt diesfalls die Anfrage, ob er in dem gegebenen Falle allein oder mit anderen deutschen Truppen vereint|| S. 606 PDF || einrücken solle, ferner, wenn das Reichsministerium einen Oberbefehlshaber für diese Truppen ernennt, ob er sich zu fügen und inwieweit er diesem Oberbefehlshaber zu folgen habe.

Der Ministerpräsident bemerkt, daß wir 10.000 Mann in Vorarlberg und Bayern 15.000 Mann diesfalls zur Disposition haben, das Vorrücken von unserer Seite hätte gemeinschaftlich mit den Bayern zu geschehen. Was den Oberbefehlshaber anbelangt, so könne man nicht umhin, als dem von dem Reichsministerium ernannten älteren Generalen sich zu fügen, was auch der in den früheren Bundesverhältnissen gegründeten Übung entspräche.

Der Ministerpräsident habe bereits nach München und Stuttgart geschrieben und werde in diesem Sinne die Sache Sr. Majestät vortragen, wogegen von keiner Seite etwas erinnert wurde7.

V. Verzollung der nach Lombardo-Venetien gehenden Waren

Bei uns besteht, wie der Finanzminister Freiherr v. Krauß bemerkt, die Einrichtung, daß man die Waren in einer Provinz verzollen und in eine andere bereits verzollt versenden kann. Der Umstand, daß die Banknoten gegen Silbergeld gegenwärtig bei uns verlieren, veranlaßt die gewinnsüchtigen Italiener, daß sie die zu beziehenden Waren in Triest in Banknoten statt in Mailand in Konventionsmünze verzollen und sich so den Vorteil der Kursdifferenz aneignen. Dieser Vorgang hat für die Finanzen den Nachteil, daß sie bei der Verzollung in Banknoten weniger empfangen als bei der Verzollung in Silber, und daß Graf Montecuccoli auf einen Zollertrag in Mailand rechnet, während dieser in Triest eingeflossen ist. Diesen Nachteilen könnte dadurch begegnet werden, wenn man anordnete, entweder a) daß in Triest alles in Zwanzigern verzollt werden müsse, oder b) daß in Triest nichts für das lombardisch-venezianische Königreich verzollt werden dürfe8. Die erste Maßregel hätte, wie Baron Krauß bemerkt, die Unzukömmlichkeit, daß wir dadurch den vollen Wert unserer Banknoten selbst nicht anerkennen, während die zweite, daß eine zollfreie Versendung in das lombardisch-venezianische Königreich nicht stattfinden dürfe, sich als viel natürlicher und zweckmäßiger darstelle. Die Lombarden haben früher ihre Waren nie über Triest, sondern über Venedig bezogen, gegenwärtig bestimmt sie der Gewinn an Kurs zu diesem Bezugswege. Durch die Verpflichtung, den Zoll in Mailand zu entrichten, wird ihnen übrigens der Weg über Triest nicht entzogen.

Der Ministerrat erklärte sich mit Baron Krauß für die zweite Modalität als eine provisorische Maßregel, welche, wenn sich der Kurs bessert und al pari steht, ohnehin von selbst entfällt9.

VI. Steckbriefliche Verfolgung Karl Tausenaus

Der Justizminister Ritter v. Schmerling eröffnete, daß er bei dem hiesigen Kriminalgerichtsvorstande in Ansehung des Tausenau Nachforschungen gepflogen und in Erfahrung gebracht habe, es seien neuerliche Aussagen gegen diesen Revolutionär vorgekommen, denen zufolge er wegen Teilnahme am Morde des Kriegsministers Grafen Latour in zwei oder drei Tagen steckbrieflich verfolgt werden dürfte10.

VII. Änderung von Strafgesetzbestimmungen

Als Fortsetzung des bereits gestern begonnenen Antrages, einige Modifikationen an den Bestimmungen des bestehenden Strafgesetzes vorzunehmen11, bemerkte derselbe Minister, daß nach § 148 lit. g des I. Teils des StGB ein Brandleger, wenn er aus Reue und noch zu rechter Zeit sich so verwendet, daß aller Schade verhütet worden, dennoch als Verbrecher mit der Strafe des schweren Kerkers zwischen sechs Monaten und einem Jahre belegt werde. Diese Bestimmung scheine nicht ganz psychologisch zu sein und dazu zu dienen, die Brandleger von der Verwendung zur Verhütung des Schadens abzuhalten. Wenn ein Brandleger die Lunte, bevor sie noch gezündet, aus Reue wegnimmt und dadurch allen Schaden beseitiget, dennoch als Verbrecher mit schwerem Kerker von sechs Monaten bis zu einem Jahre bestraft wird, so wird sich keiner in dieser Art verwenden. Diese Bestimmung stehe auch im Widerspruche mit anderen ähnlichen Bestimmungen. Wenn z.B. jemand Gift gemischt und in einem Glase in ein Zimmer gestellt, es aber noch früher weggenommen hat, bevor der Vermeinte daraus getrunken, so sei das bloß eine Vorbereitungshandlung, aber noch kein Verbrechen u. dgl. Nach der Ansicht des Ministers v. Schmerling wäre daher die in der Rede stehende strafbare Handlung, wenn der Täter aus Reue und noch zu rechter Zeit sich so verwendet, daß aller Schade verhütet wird, aus der Reihe der Verbrechen zu streichen und ein solcher von aller Strafe frei zu lassen.

Mit diesem Antrage erklärte sich der Ministerrat einverstanden12.

VIII. Juridische Stipendien für Ruthenen

Der Justizminister besprach hierauf ein ihm von einem tüchtigen Professor der hiesigen Universität (Kunzek) übergebenes Memorial, worin dieser den Antrag macht und mit triftigen Gründen unterstützt, die Regierung möchte einige juridische Stipendien für die Ruthenen, welche sich dem Staatsdienste widmen wollen, an der hiesigen Universität errichten. Die Ruthenen haben bis jetzt keine Kandidaten für den Staatsdienst. Die aus ihrer Nation studieren, sind meistens Söhne der Geistlichen und wieder für den geistlichen Stand bestimmt. Es werden daher meistens Polen bei den Ruthenen verwendet, die ihnen feindselig sind und sie zu verkehren oder zu unterdrücken suchen. Zwanzig Stipendien, jedes zu 100 f., was eine Gesamtauslage von 2000 f. verursacht, werden in dieser Beziehung als genügend dargestellt.

|| S. 608 PDF || Dieser in thesi genehmigte Antrag wird an den Kultus- und Unterrichtsminister Grafen Thun zur weiteren Verfügung geleitet, wobei der Finanzminister Freiherr v. Krauß nur noch bemerkte, daß es gut wäre, diese Begünstigung der Ruthenen als von der Gnade Sr. Majestät ausgehend erscheinen zu machen13.

IX. Gesuch eines Bergwerksbesitzers um Vorschuß

Schließlich erwähnte der Minister der Landeskultur und des Bergwesens Ritter v. Thinnfeld eines von dem Bergwerksbesitzer Neuberg gestellten Ansuchens um einen Vorschuß ab aerario. Der Minister bemerkte demselben, daß ein Vorschuß vom Ärar kaum zu erreichen sein werde, weil, wenn man ihn einem bewilligte, man denselben zehn anderen nicht wohl abschlagen könnte. Auch sei es schwer, bei den Bergwerken eine genügende Sicherheit zu erzielen; manche Bergwerke sehn gut aus und enthalten nur wenig. Bei diesem Anlasse stellte der Minister v. Thinnfeld die Anfrage, ob nicht vielleicht eine Summe für ein Jahr bestimmt werden wollte, welche zu ähnlichen Darlehen zu verwenden wäre.

Der Ministerrat fand in diesen Antrag nicht einzugehen, und der Finanzminister fügte die Bemerkung bei, daß unter anderen Verhältnissen in dieser Beziehung eine Hilfe von der Bank zu suchen wäre, was aber gegenwärtig auch nicht angehe, weil die Bank ihren Banknotenumlauf nicht vermehren soll14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Vortrages zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 15. Oktober 1849.