MRP-1-2-01-0-18490817-P-0147.xml

|

Nr. 147 Ministerrat, Wien, 17. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß (bei I-VI), Bach, Thun (bei I-VI), Schmerling, Thinnfeld (bei I-VI), Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 19. 8.), Krauß 10. 10., Bach 22. 8., Thun, Schmerling 19. 8., Thinnfeld 19. 8., Kulmer 19. 8.; abw. Stadion, Gyulai, Bruck.

MRZ. 2808 – KZ. 3104 –

Protokoll der zu Wien am 17. August 1849 abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, Fürs-ten Schwarzenberg.

I. Gesuch um Errichtung eines Oberlandesgerichtes in Laibach

Der Ministerpräsident übergab dem Minister des Inneren ein an Se. Majestät gerichtetes Gesuch der Stadt Laibach um Errichtung eines Oberlandesgerichts daselbst und um fortdauernde Vereinigung von Kärnten, Krain und Küstenland zu einem Kronlande1.

II. Instruktion für Julius Freiherr v. Haynau

Der Ministerpräsident las den nach den Sitzungsbeschlüssen vom 16. l.M. redigierten Entwurf der Instruktion für FZM. Baron Haynau bezüglich der den ungarischen Rebellenkorps zuzugestehenden Unterwerfungsbedingungen2.

Es ergaben sich gegen diesen Entwurf keine Erinnerungen3.

III. Versammlung der Deputierten der deutschen Eisenbahngesellschaften in Wien

Nachdem die Deputierten der deutschen Eisenbahngesellschaften4 sich im Laufe des Oktobers in Wien zu Beratungen über den Betrieb und sonstige Bahnangelegenheiten zu vereinigen beabsichtigen, so äußerte der Minister des Inneren , daß er von seinem Standpunkte im Vernehmen mit dem Handelsministerium dagegen nichts einzuwenden finde, da diese Beratungen keinen besondern Zufluß von Menschen nach Wien herbeiführen werden und ganz harmloser Natur sind.

Der Ministerrat teilte vollkommen diese Ansicht5.

IV. Verwendung kompromittierter ungarischer Beamten

Minister Bach teilte den Inhalt eines ihm vom Baron Geringer zugekommenen Berichts mit, wonach die Zahl der Beamten, welche den Revers ihrer Anhänglichkeit an die Republik ausgestellt haben, sehr groß ist6. Das ganze Personal mancher Behörden ist auf diese Weise kompromittiert, sodaß der kaiserliche Kommissär, um nicht den Dienst in wichtigen Zweigen wie das Postwesen, Zollwesen etc. ganz ins Stocken geraten zu lassen, gezwungen war, wenigstens provisorisch einige solche Individuen im Amte zu belassen7.

V. Verein des Heiligen Cyrill und Method

Unter dem Namen „Verein zu den Heiligen Cyrill und Method“ hat sich vor einigen Monaten in Mähren ein weitverbreiteter Verein gebildet, dessen ostensibler Zweck die Beförderung der Volksbildung in Mähren ist. Unter dieser elastischen Bezeichnung werden aber auch politische Zwecke verfolgt, und nachdem ein politischer Verein seine Wirksamkeit und Verzweigungen nicht auf mehrere Orte erstrecken darf, so hat der Vizepräsident Graf Lažanzký denselben untersagt8.

Der Minister des Inneren und mit ihm der Ministerrat finden diese Entscheidung, gegen welche der Verein den Rekurs ergriffen hat, völlig gerechtfertigt. Übrigens wird bei Zurückweisung des Rekurses nach dem Antrage des Unterrichtsministers ausdrücklich bemerkt werden, daß man nicht der Förderung der Volksbildung, sondern bloß der unter diesem Aushängeschild stattfindenden Verzweigung politischer Klubs über die Provinz entgegentrete9.

VI. Finanzmaßnahmen

Über die von dem Justizminister gestellte Frage, ob bei den dermaligen günstigen politischen Konjunkturen nicht der Augenblick zum Abschlusse des Anlehens gekommen sei, äußerte der Finanzminister , daß er bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht einen Tag länger säumen würde, das Anlehen zu eröffnen, wenn er nicht so lebhaft wünschen müßte, diese wichtige Angelegenheit vorläufig mit dem Handelsminister Ritter v. Bruck zu besprechen, der schätzbare spezielle Kenntnisse im Finanzfache besitzt. Indessen, wenn der letztere, dessen Ankunft man täglich entgegensieht, bis zum 20. noch nicht in Wien eingetroffen ist, so sehe sich Baron Krauß genötigt, ohne weiters vorzugehen, nachdem die Lage der Finanzen und des Wiener Geldmarktes keinen längeren Aufschub mehr gestatten10.

Der Finanzminister ging hierauf zu den Maßregeln über, welche er demnächst zur Vermehrung der Staatseinnahmen zu ergreifen gedenkt und welche bereits im Ministerrat wiederholt zur Sprache gekommen sind. Das neue Tax- und Stempelgesetz ist vollendet und seine Bestimmungen sind so geartet, daß es auch in Ungarn, Siebenbürgen etc.|| S. 599 PDF || leicht wird eingeführt werden können11. Das Operat wegen Besteuerung der inländischen Zuckerfabrikation nähert sich seiner Vollendung12. Der Entwurf des Gesetzes über die Einkommensteuer wird mit Rücksicht auf die seit seiner Bearbeitung geänderten Verhältnisse einer Umarbeitung unterzogen13. Zur Revision des Zolltarifs, namentlich in bezug auf die Zölle auf den Verkehr mit Metallen und Metallwaren muß die Rückkehr des Handelsministers abgewartet werden14.

Bei diesem Anlasse brachte Minister Baron Kulmer die Aufhebung der Zwischenzollinie15 und Ritter v. Thinnfeld die Einführung einer Malzsteuer statt der Verzehrungssteuer vom Biere zur Sprache, welchen beiden Gegenständen der Finanzminister seine fortgesetzte Aufmerksamkeit zu widmen erklärte.

Da man aber neben der Einnahmsvermehrung auch auf eine Verminderung der so hoch gestiegenen Staatsausgaben bedacht sein muß, so erklärte der Finanzminister, daß er in dieser Hinsicht vor allem auf eine den dermaligen günstigeren Verhältnissen entsprechende Reduktion im Stande der Armee und auf die Einstellung der Kriegsgebühr im lombardisch-venezianischen Königreiche zähle16.

Der Ministerpräsident machte bei diesem Anlasse auch darauf aufmerksam, daß in Tirol noch immer zwölf Landesschützenkompanien besoldet und verpflegt werden, welche als ganz entbehrlich betrachtet werden müssen17.

Randbeifügung Ransonnets: An der Beratung über diesen Punkt VII nahmen die Minister Baron Krauß, Ritter v. Thinnfeld und Graf Thun keinen Anteil.

VII. Auflösung der Proßnitzer Nationalgarde

Der Minister des Inneren äußerte, daß die schlechte, der gesetzlichen Ordnung geradezu widerstrebende Haltung, welche die Proßnitzer Nationalgarde bei der Arretierung des jüdischen Kleiderhändlers vor kurzem an den Tag legte, eine schleunige Ahndung erfordere, daher Minister Bach die gedachte Nationalgarde sofort aufzulösen gedächte.

Die noch anwesenden Minister Ritter v. Schmerling, Baron Kulmer und der tg. gefertigte Minister­präsident waren mit dieser Verfügung völlig einverstanden18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 15. Oktober 1849.